Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.Ach was für ein dummer, kindischer Bursch er doch war mit seinen müden, hülflosen Augen und den hängenden Mundwinkel. Nein, nein, sie hatte ihn zu strenge beurtheilt, ein sanftes mütterliches Rühren überkam sie. Leise strich sie über sein Haar, das ihm tief in die Brauen hineinhing. "Ja gewiß, lieber Adolf, und ich will auch nicht wieder weglaufen, Du thust mir ja so - -" Der Junge hielt sich ganz still unter der liebkosenden Hand; langsam stieg ihm eine Hitze ins Gesicht, er stöhnte ein bißchen. Das Mädchen aber konnte es nicht ertragen. "Adolf, Adolf!" schluchzte sie auf; die Thränen liefen ihr herunter, sie legte ihre Arme um seinen Kopf und wollte seine Stirn küssen. Erschrocken fühlte sie dann sein plötzliches Emporbäumen und Straffwerden; nun wollte sie sich zurückziehen, aber es gelang nicht mehr; er hielt sie mit seinen kurzen festen Händen umklammert und drängte seinen Mund auf den ihren. Es war ein Augenblick der Betäubung, der Sinnlosigkeit; Adolf stöhnte fortwährend, Annitas Thränen strömten, und dabei küßten sie sich mit fest zusammengepreßten brennenden Lippen. Sie hörten nicht, daß die Thür aufging, sie hörten erst den verwundert empörten Aufschrei: "Na, was is nu los!" Ach was für ein dummer, kindischer Bursch er doch war mit seinen müden, hülflosen Augen und den hängenden Mundwinkel. Nein, nein, sie hatte ihn zu strenge beurtheilt, ein sanftes mütterliches Rühren überkam sie. Leise strich sie über sein Haar, das ihm tief in die Brauen hineinhing. „Ja gewiß, lieber Adolf, und ich will auch nicht wieder weglaufen, Du thust mir ja so – –“ Der Junge hielt sich ganz still unter der liebkosenden Hand; langsam stieg ihm eine Hitze ins Gesicht, er stöhnte ein bißchen. Das Mädchen aber konnte es nicht ertragen. „Adolf, Adolf!“ schluchzte sie auf; die Thränen liefen ihr herunter, sie legte ihre Arme um seinen Kopf und wollte seine Stirn küssen. Erschrocken fühlte sie dann sein plötzliches Emporbäumen und Straffwerden; nun wollte sie sich zurückziehen, aber es gelang nicht mehr; er hielt sie mit seinen kurzen festen Händen umklammert und drängte seinen Mund auf den ihren. Es war ein Augenblick der Betäubung, der Sinnlosigkeit; Adolf stöhnte fortwährend, Annitas Thränen strömten, und dabei küßten sie sich mit fest zusammengepreßten brennenden Lippen. Sie hörten nicht, daß die Thür aufging, sie hörten erst den verwundert empörten Aufschrei: „Na, was is nu los!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0262" n="254"/> <p>Ach was für ein dummer, kindischer Bursch er doch war mit seinen müden, hülflosen Augen und den hängenden Mundwinkel. Nein, nein, sie hatte ihn zu strenge beurtheilt, ein sanftes mütterliches Rühren überkam sie.</p> <p>Leise strich sie über sein Haar, das ihm tief in die Brauen hineinhing.</p> <p>„Ja gewiß, lieber Adolf, und ich will auch nicht wieder weglaufen, Du thust mir ja so – –“</p> <p>Der Junge hielt sich ganz still unter der liebkosenden Hand; langsam stieg ihm eine Hitze ins Gesicht, er stöhnte ein bißchen.</p> <p>Das Mädchen aber konnte es nicht ertragen. „Adolf, Adolf!“ schluchzte sie auf; die Thränen liefen ihr herunter, sie legte ihre Arme um seinen Kopf und wollte seine Stirn küssen. Erschrocken fühlte sie dann sein plötzliches Emporbäumen und Straffwerden; nun wollte sie sich zurückziehen, aber es gelang nicht mehr; er hielt sie mit seinen kurzen festen Händen umklammert und drängte seinen Mund auf den ihren. Es war ein Augenblick der Betäubung, der Sinnlosigkeit; Adolf stöhnte fortwährend, Annitas Thränen strömten, und dabei küßten sie sich mit fest zusammengepreßten brennenden Lippen. Sie hörten nicht, daß die Thür aufging, sie hörten erst den verwundert empörten Aufschrei:</p> <p>„Na, was is nu los!“</p> </div> </body> </text> </TEI> [254/0262]
Ach was für ein dummer, kindischer Bursch er doch war mit seinen müden, hülflosen Augen und den hängenden Mundwinkel. Nein, nein, sie hatte ihn zu strenge beurtheilt, ein sanftes mütterliches Rühren überkam sie.
Leise strich sie über sein Haar, das ihm tief in die Brauen hineinhing.
„Ja gewiß, lieber Adolf, und ich will auch nicht wieder weglaufen, Du thust mir ja so – –“
Der Junge hielt sich ganz still unter der liebkosenden Hand; langsam stieg ihm eine Hitze ins Gesicht, er stöhnte ein bißchen.
Das Mädchen aber konnte es nicht ertragen. „Adolf, Adolf!“ schluchzte sie auf; die Thränen liefen ihr herunter, sie legte ihre Arme um seinen Kopf und wollte seine Stirn küssen. Erschrocken fühlte sie dann sein plötzliches Emporbäumen und Straffwerden; nun wollte sie sich zurückziehen, aber es gelang nicht mehr; er hielt sie mit seinen kurzen festen Händen umklammert und drängte seinen Mund auf den ihren. Es war ein Augenblick der Betäubung, der Sinnlosigkeit; Adolf stöhnte fortwährend, Annitas Thränen strömten, und dabei küßten sie sich mit fest zusammengepreßten brennenden Lippen. Sie hörten nicht, daß die Thür aufging, sie hörten erst den verwundert empörten Aufschrei:
„Na, was is nu los!“
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