Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895."Hat man Sie auch beschimpft?" sagte sie mit zuckendem Munde. "Mich? Beschimpft? O, scheußlich! Ich laufe eigentlich noch herum wie ein begossener Pudel! Es gab Augenblicke, wo ich mir vorkam wie im Tollhaus" "Wie ich," machte die Malerin. "Die Menschen sind doch gemein, wie?" drängte er, "und sehen Sie, das waren noch Leute, die mich besser kennen sollten. Meine Schwiegermutter -" "So? Sind Sie verheirathet?" "War! Und nur verlobt, glücklicherweise! So, hatt' ich Ihnen das nicht erzählt damals? Es muß ein gesunder Instinkt gewesen sein, denn die Geschichte war ein totaler Mißgriff. Hören Sie nur!" Und er rückte heran und erzählte von Tonis Schönheit und Hohlköpfigkeit so kühl, so ganz unbetheiligt, daß er sich selber darob verwundern mußte. Auch die Malerin blickte ihn ein paar Mal fast erschrocken an. Von der Rolle, die seine harmlosen Reime bei der Auflösung der Verlobung gespielt, wollte er auch noch reden, aber da kam ihm plötzlich so allerlei Andres in den Sinn, daß er es für sich behielt. Er deutete nur Mamas Versuche, ihn zu halten, an. "For shame!" rief Lore Berth und sprang empört von ihrem Stuhl auf. "Ja, ja, und glaubte doch, daß ich ihre Tochter belogen und betrogen hätte." „Hat man Sie auch beschimpft?“ sagte sie mit zuckendem Munde. „Mich? Beschimpft? O, scheußlich! Ich laufe eigentlich noch herum wie ein begossener Pudel! Es gab Augenblicke, wo ich mir vorkam wie im Tollhaus“ „Wie ich,“ machte die Malerin. „Die Menschen sind doch gemein, wie?“ drängte er, „und sehen Sie, das waren noch Leute, die mich besser kennen sollten. Meine Schwiegermutter –“ „So? Sind Sie verheirathet?“ „War! Und nur verlobt, glücklicherweise! So, hatt’ ich Ihnen das nicht erzählt damals? Es muß ein gesunder Instinkt gewesen sein, denn die Geschichte war ein totaler Mißgriff. Hören Sie nur!“ Und er rückte heran und erzählte von Tonis Schönheit und Hohlköpfigkeit so kühl, so ganz unbetheiligt, daß er sich selber darob verwundern mußte. Auch die Malerin blickte ihn ein paar Mal fast erschrocken an. Von der Rolle, die seine harmlosen Reime bei der Auflösung der Verlobung gespielt, wollte er auch noch reden, aber da kam ihm plötzlich so allerlei Andres in den Sinn, daß er es für sich behielt. Er deutete nur Mamas Versuche, ihn zu halten, an. „For shame!“ rief Lore Berth und sprang empört von ihrem Stuhl auf. „Ja, ja, und glaubte doch, daß ich ihre Tochter belogen und betrogen hätte.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0185" n="177"/> <p>„Hat man Sie auch beschimpft?“ sagte sie mit zuckendem Munde.</p> <p>„Mich? Beschimpft? O, scheußlich! Ich laufe eigentlich noch herum wie ein begossener Pudel! Es gab Augenblicke, wo ich mir vorkam wie im Tollhaus“</p> <p>„Wie ich,“ machte die Malerin.</p> <p>„Die Menschen sind doch gemein, wie?“ drängte er, „und sehen Sie, das waren noch Leute, die mich besser kennen sollten. Meine Schwiegermutter –“</p> <p>„So? Sind Sie verheirathet?“</p> <p>„War! Und nur verlobt, glücklicherweise! So, hatt’ ich Ihnen das nicht erzählt damals? Es muß ein gesunder Instinkt gewesen sein, denn die Geschichte war ein totaler Mißgriff. Hören Sie nur!“ Und er rückte heran und erzählte von Tonis Schönheit und Hohlköpfigkeit so kühl, so ganz unbetheiligt, daß er sich selber darob verwundern mußte. Auch die Malerin blickte ihn ein paar Mal fast erschrocken an. Von der Rolle, die seine harmlosen Reime bei der Auflösung der Verlobung gespielt, wollte er auch noch reden, aber da kam ihm plötzlich so allerlei Andres in den Sinn, daß er es für sich behielt. Er deutete nur Mamas Versuche, ihn zu halten, an.</p> <p><hi rendition="#aq">„For shame!“</hi> rief Lore Berth und sprang empört von ihrem Stuhl auf.</p> <p>„Ja, ja, und glaubte doch, daß ich ihre Tochter belogen und betrogen hätte.“</p> </div> </body> </text> </TEI> [177/0185]
„Hat man Sie auch beschimpft?“ sagte sie mit zuckendem Munde.
„Mich? Beschimpft? O, scheußlich! Ich laufe eigentlich noch herum wie ein begossener Pudel! Es gab Augenblicke, wo ich mir vorkam wie im Tollhaus“
„Wie ich,“ machte die Malerin.
„Die Menschen sind doch gemein, wie?“ drängte er, „und sehen Sie, das waren noch Leute, die mich besser kennen sollten. Meine Schwiegermutter –“
„So? Sind Sie verheirathet?“
„War! Und nur verlobt, glücklicherweise! So, hatt’ ich Ihnen das nicht erzählt damals? Es muß ein gesunder Instinkt gewesen sein, denn die Geschichte war ein totaler Mißgriff. Hören Sie nur!“ Und er rückte heran und erzählte von Tonis Schönheit und Hohlköpfigkeit so kühl, so ganz unbetheiligt, daß er sich selber darob verwundern mußte. Auch die Malerin blickte ihn ein paar Mal fast erschrocken an. Von der Rolle, die seine harmlosen Reime bei der Auflösung der Verlobung gespielt, wollte er auch noch reden, aber da kam ihm plötzlich so allerlei Andres in den Sinn, daß er es für sich behielt. Er deutete nur Mamas Versuche, ihn zu halten, an.
„For shame!“ rief Lore Berth und sprang empört von ihrem Stuhl auf.
„Ja, ja, und glaubte doch, daß ich ihre Tochter belogen und betrogen hätte.“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |