Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

wenn Wagners kamen. Keine der zwei Frauen hatte eine Ahnung, was dem Bräutigam fehle; sie nannten ihn sonderbar, rücksichtslos, launenhaft, aber kein tieferer Grund ging ihnen auf.

Mama behauptete, er sei nichts als eifersüchtig. "Das gibt sich, wenn ihr verheirathet seid. Wenn er nur endlich einmal eine feste Anstellung hätte! Diese langen Verlobungen, das ist ein Elend, verdirbt die besten Menschen. Was hat er Dir denn eigentlich geantwortet neulich?"

Da Mamas Brief ohne Erwiderung blieb, zog große Unruhe in die Gemüther der beiden.

"Vielleicht ist er doch nur krank! Könnten wir nicht den Hausknecht von unten fortschicken?" rieth die Mama. Aber Toni war für eine Depesche.

"Rückantwort bezahlt, weißt Du. O Mama, ich habe Angst, daß etwas passirt ist! Aber keine Krankheit. Ich weiß nicht, was ich denken soll, er war zu sonderbar das letzte Mal."

Zwei Depeschen, und noch immer keine Antwort. Das wurde unerträglich, um so mehr, als man sich niemand mittheilen, niemand um Rath fragen konnte, sondern sorgfältig und ängstlich bedacht war, den Besuchern gegenüber heiter und unbefangen zu erscheinen, wie immer. Endlich, nach fast einer Woche, traf ein Brief ein, datiert aus Dachau, und an die Mutter gerichtet. Richard schrieb:

wenn Wagners kamen. Keine der zwei Frauen hatte eine Ahnung, was dem Bräutigam fehle; sie nannten ihn sonderbar, rücksichtslos, launenhaft, aber kein tieferer Grund ging ihnen auf.

Mama behauptete, er sei nichts als eifersüchtig. „Das gibt sich, wenn ihr verheirathet seid. Wenn er nur endlich einmal eine feste Anstellung hätte! Diese langen Verlobungen, das ist ein Elend, verdirbt die besten Menschen. Was hat er Dir denn eigentlich geantwortet neulich?“

Da Mamas Brief ohne Erwiderung blieb, zog große Unruhe in die Gemüther der beiden.

„Vielleicht ist er doch nur krank! Könnten wir nicht den Hausknecht von unten fortschicken?“ rieth die Mama. Aber Toni war für eine Depesche.

„Rückantwort bezahlt, weißt Du. O Mama, ich habe Angst, daß etwas passirt ist! Aber keine Krankheit. Ich weiß nicht, was ich denken soll, er war zu sonderbar das letzte Mal.“

Zwei Depeschen, und noch immer keine Antwort. Das wurde unerträglich, um so mehr, als man sich niemand mittheilen, niemand um Rath fragen konnte, sondern sorgfältig und ängstlich bedacht war, den Besuchern gegenüber heiter und unbefangen zu erscheinen, wie immer. Endlich, nach fast einer Woche, traf ein Brief ein, datiert aus Dachau, und an die Mutter gerichtet. Richard schrieb:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0165" n="157"/>
wenn Wagners kamen. Keine der zwei Frauen hatte eine Ahnung, was dem Bräutigam fehle; sie nannten ihn sonderbar, rücksichtslos, launenhaft, aber kein tieferer Grund ging ihnen auf.</p>
        <p>Mama behauptete, er sei nichts als eifersüchtig. &#x201E;Das gibt sich, wenn ihr verheirathet seid. Wenn er nur endlich einmal eine feste Anstellung hätte! Diese langen Verlobungen, das ist ein Elend, verdirbt die besten Menschen. Was hat er Dir denn eigentlich geantwortet neulich?&#x201C;</p>
        <p>Da Mamas Brief ohne Erwiderung blieb, zog große Unruhe in die Gemüther der beiden.</p>
        <p>&#x201E;Vielleicht ist er doch nur krank! Könnten wir nicht den Hausknecht von unten fortschicken?&#x201C; rieth die Mama. Aber Toni war für eine Depesche.</p>
        <p>&#x201E;Rückantwort bezahlt, weißt Du. O Mama, ich habe Angst, daß etwas passirt ist! Aber keine Krankheit. Ich weiß nicht, was ich denken soll, er war zu sonderbar das letzte Mal.&#x201C;</p>
        <p>Zwei Depeschen, und noch immer keine Antwort. Das wurde unerträglich, um so mehr, als man sich niemand mittheilen, niemand um Rath fragen konnte, sondern sorgfältig und ängstlich bedacht war, den Besuchern gegenüber heiter und unbefangen zu erscheinen, wie immer. Endlich, nach fast einer Woche, traf ein Brief ein, datiert aus Dachau, und an die Mutter gerichtet. Richard schrieb:</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0165] wenn Wagners kamen. Keine der zwei Frauen hatte eine Ahnung, was dem Bräutigam fehle; sie nannten ihn sonderbar, rücksichtslos, launenhaft, aber kein tieferer Grund ging ihnen auf. Mama behauptete, er sei nichts als eifersüchtig. „Das gibt sich, wenn ihr verheirathet seid. Wenn er nur endlich einmal eine feste Anstellung hätte! Diese langen Verlobungen, das ist ein Elend, verdirbt die besten Menschen. Was hat er Dir denn eigentlich geantwortet neulich?“ Da Mamas Brief ohne Erwiderung blieb, zog große Unruhe in die Gemüther der beiden. „Vielleicht ist er doch nur krank! Könnten wir nicht den Hausknecht von unten fortschicken?“ rieth die Mama. Aber Toni war für eine Depesche. „Rückantwort bezahlt, weißt Du. O Mama, ich habe Angst, daß etwas passirt ist! Aber keine Krankheit. Ich weiß nicht, was ich denken soll, er war zu sonderbar das letzte Mal.“ Zwei Depeschen, und noch immer keine Antwort. Das wurde unerträglich, um so mehr, als man sich niemand mittheilen, niemand um Rath fragen konnte, sondern sorgfältig und ängstlich bedacht war, den Besuchern gegenüber heiter und unbefangen zu erscheinen, wie immer. Endlich, nach fast einer Woche, traf ein Brief ein, datiert aus Dachau, und an die Mutter gerichtet. Richard schrieb:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/165
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/165>, abgerufen am 23.11.2024.