Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.und mit Kassandrablicken und Furchtfalten auf der Stirn daherkommen, statt so!" Sie ahmte alles nach, was sie sagte, und war mit dem Ausdruck der Ahnung vor kommendem Schreckniß wie eine Statue der Angst anzusehen. In Hausdörffers Gesicht stand eine ehrliche Bewunderung. "Mit Ihnen kann man nicht streiten," lächelte er, "die Waffen sind zu ungleich; Sie haben Gaben zur Verfügung, wo ich nur Worte gebrauchen kann. Wenn es viele Frauen gibt, wie Sie, dann kann vielleicht später einmal eine solche Differenzirung eintreten, daß dem Manne die spezifische Verstandsthätigkeit verbleibt -" "Dem Manne, der zum Künstler zu klug geworden ist?" Hausdörffer blinzelte, das Unterbrechen war doch nun wirklich gegen alle parlamentarische Sitte - "und daß die Kunst mehr oder weniger in die Hände der Frauen geräth," schloß er. Eine Pause. "Das müßte Sie doch gewiß befriedigen?" "Nein," sagte sie, "gar nicht, dann würden wir einander noch weniger gerecht werden, als jetzt." Und dann plötzlich: "Menschen gibt es bei Ihnen nicht?" "Wieso, Menschen, Fräulein?" "Menschen schlechthin?" "Männliche und weibliche Menschen, mein Fräulein." und mit Kassandrablicken und Furchtfalten auf der Stirn daherkommen, statt so!“ Sie ahmte alles nach, was sie sagte, und war mit dem Ausdruck der Ahnung vor kommendem Schreckniß wie eine Statue der Angst anzusehen. In Hausdörffers Gesicht stand eine ehrliche Bewunderung. „Mit Ihnen kann man nicht streiten,“ lächelte er, „die Waffen sind zu ungleich; Sie haben Gaben zur Verfügung, wo ich nur Worte gebrauchen kann. Wenn es viele Frauen gibt, wie Sie, dann kann vielleicht später einmal eine solche Differenzirung eintreten, daß dem Manne die spezifische Verstandsthätigkeit verbleibt –“ „Dem Manne, der zum Künstler zu klug geworden ist?“ Hausdörffer blinzelte, das Unterbrechen war doch nun wirklich gegen alle parlamentarische Sitte – „und daß die Kunst mehr oder weniger in die Hände der Frauen geräth,“ schloß er. Eine Pause. „Das müßte Sie doch gewiß befriedigen?“ „Nein,“ sagte sie, „gar nicht, dann würden wir einander noch weniger gerecht werden, als jetzt.“ Und dann plötzlich: „Menschen gibt es bei Ihnen nicht?“ „Wieso, Menschen, Fräulein?“ „Menschen schlechthin?“ „Männliche und weibliche Menschen, mein Fräulein.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0122" n="114"/> und mit Kassandrablicken und Furchtfalten auf der Stirn daherkommen, statt so!“</p> <p>Sie ahmte alles nach, was sie sagte, und war mit dem Ausdruck der Ahnung vor kommendem Schreckniß wie eine Statue der Angst anzusehen.</p> <p>In Hausdörffers Gesicht stand eine ehrliche Bewunderung. „Mit Ihnen kann man nicht streiten,“ lächelte er, „die Waffen sind zu ungleich; Sie haben Gaben zur Verfügung, wo ich nur Worte gebrauchen kann. Wenn es viele Frauen gibt, wie Sie, dann kann vielleicht später einmal eine solche Differenzirung eintreten, daß dem Manne die spezifische Verstandsthätigkeit verbleibt –“</p> <p>„Dem Manne, der zum Künstler zu klug geworden ist?“</p> <p>Hausdörffer blinzelte, das Unterbrechen war doch nun wirklich gegen alle parlamentarische Sitte – „und daß die Kunst mehr oder weniger in die Hände der Frauen geräth,“ schloß er.</p> <p>Eine Pause.</p> <p>„Das müßte Sie doch gewiß befriedigen?“</p> <p>„Nein,“ sagte sie, „gar nicht, dann würden wir einander noch weniger gerecht werden, als jetzt.“ Und dann plötzlich: „Menschen gibt es bei Ihnen nicht?“</p> <p>„Wieso, Menschen, Fräulein?“</p> <p>„Menschen schlechthin?“</p> <p>„Männliche und weibliche Menschen, mein Fräulein.“</p> </div> </body> </text> </TEI> [114/0122]
und mit Kassandrablicken und Furchtfalten auf der Stirn daherkommen, statt so!“
Sie ahmte alles nach, was sie sagte, und war mit dem Ausdruck der Ahnung vor kommendem Schreckniß wie eine Statue der Angst anzusehen.
In Hausdörffers Gesicht stand eine ehrliche Bewunderung. „Mit Ihnen kann man nicht streiten,“ lächelte er, „die Waffen sind zu ungleich; Sie haben Gaben zur Verfügung, wo ich nur Worte gebrauchen kann. Wenn es viele Frauen gibt, wie Sie, dann kann vielleicht später einmal eine solche Differenzirung eintreten, daß dem Manne die spezifische Verstandsthätigkeit verbleibt –“
„Dem Manne, der zum Künstler zu klug geworden ist?“
Hausdörffer blinzelte, das Unterbrechen war doch nun wirklich gegen alle parlamentarische Sitte – „und daß die Kunst mehr oder weniger in die Hände der Frauen geräth,“ schloß er.
Eine Pause.
„Das müßte Sie doch gewiß befriedigen?“
„Nein,“ sagte sie, „gar nicht, dann würden wir einander noch weniger gerecht werden, als jetzt.“ Und dann plötzlich: „Menschen gibt es bei Ihnen nicht?“
„Wieso, Menschen, Fräulein?“
„Menschen schlechthin?“
„Männliche und weibliche Menschen, mein Fräulein.“
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