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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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Geschwätz glauben wollt'," sagte sie achselzuckend,
"Ihr habt derweil Bier trunken; ich kenn' Euren
Sonntagsnachmittagsdurst."

Der "Bub" sah Alfred mit frechem Lächeln an:
"Haben Sie sich fangen lassen, mein Bester?"
fragte er.

"Nein, er hat mich gefangen!" rief das tolle
Kind, "er war ja Blindekuh;" plötzlich aber lief ein
Erröthen über ihr feines Gesichtchen, der "Bub"
hatte so beleidigend aufgelacht.

"Das is amal a dicker Spatz," stotterte sie me¬
chanisch und zeigte geradeaus auf den Rasenfleck unter
dem Birnbaum.

"Aber Fräulein, das ist ja der Jockerl!" näselte
der "Storch" mit komischem Mißverstehen.

Loni lief zu ihrem Vater und setzte sich neben
ihn. "Ich bin müde," flüsterte sie, "schick sie weg,
Papa." Sie stützte den Kopf auf die Hand und
ließ die Lippe hängen.

"Wenn Du müd' bist, geh schlafen," sagte der
Vater mürrisch, "man braucht Dich net."

Die Kleine machte ein hülfloses Gesicht. "Nie¬
mand, ich weiß nicht, wie er eigentlich heißt" --
sie lachte schon wieder -- "also Niemand kann hier¬
bleiben, aber, bitte, Papa, schick die Andern weg."

"Du bist nicht gescheut," war die Antwort,
"Herrgott, hat man eine Noth mit so Mädelen." Er

Frapan, Bittersüß. 5

Geſchwätz glauben wollt',“ ſagte ſie achſelzuckend,
„Ihr habt derweil Bier trunken; ich kenn' Euren
Sonntagsnachmittagsdurſt.“

Der „Bub“ ſah Alfred mit frechem Lächeln an:
„Haben Sie ſich fangen laſſen, mein Beſter?“
fragte er.

„Nein, er hat mich gefangen!“ rief das tolle
Kind, „er war ja Blindekuh;“ plötzlich aber lief ein
Erröthen über ihr feines Geſichtchen, der „Bub“
hatte ſo beleidigend aufgelacht.

„Das is amal a dicker Spatz,“ ſtotterte ſie me¬
chaniſch und zeigte geradeaus auf den Raſenfleck unter
dem Birnbaum.

„Aber Fräulein, das iſt ja der Jockerl!“ näſelte
der „Storch“ mit komiſchem Mißverſtehen.

Loni lief zu ihrem Vater und ſetzte ſich neben
ihn. „Ich bin müde,“ flüſterte ſie, „ſchick ſie weg,
Papa.“ Sie ſtützte den Kopf auf die Hand und
ließ die Lippe hängen.

„Wenn Du müd' biſt, geh ſchlafen,“ ſagte der
Vater mürriſch, „man braucht Dich net.“

Die Kleine machte ein hülfloſes Geſicht. „Nie¬
mand, ich weiß nicht, wie er eigentlich heißt“ —
ſie lachte ſchon wieder — „alſo Niemand kann hier¬
bleiben, aber, bitte, Papa, ſchick die Andern weg.“

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Frapan, Bitterſüß. 5
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[65/0081] Geſchwätz glauben wollt',“ ſagte ſie achſelzuckend, „Ihr habt derweil Bier trunken; ich kenn' Euren Sonntagsnachmittagsdurſt.“ Der „Bub“ ſah Alfred mit frechem Lächeln an: „Haben Sie ſich fangen laſſen, mein Beſter?“ fragte er. „Nein, er hat mich gefangen!“ rief das tolle Kind, „er war ja Blindekuh;“ plötzlich aber lief ein Erröthen über ihr feines Geſichtchen, der „Bub“ hatte ſo beleidigend aufgelacht. „Das is amal a dicker Spatz,“ ſtotterte ſie me¬ chaniſch und zeigte geradeaus auf den Raſenfleck unter dem Birnbaum. „Aber Fräulein, das iſt ja der Jockerl!“ näſelte der „Storch“ mit komiſchem Mißverſtehen. Loni lief zu ihrem Vater und ſetzte ſich neben ihn. „Ich bin müde,“ flüſterte ſie, „ſchick ſie weg, Papa.“ Sie ſtützte den Kopf auf die Hand und ließ die Lippe hängen. „Wenn Du müd' biſt, geh ſchlafen,“ ſagte der Vater mürriſch, „man braucht Dich net.“ Die Kleine machte ein hülfloſes Geſicht. „Nie¬ mand, ich weiß nicht, wie er eigentlich heißt“ — ſie lachte ſchon wieder — „alſo Niemand kann hier¬ bleiben, aber, bitte, Papa, ſchick die Andern weg.“ „Du biſt nicht geſcheut,“ war die Antwort, „Herrgott, hat man eine Noth mit ſo Mädelen.“ Er Frapan, Bitterſüß. 5

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/81>, abgerufen am 24.11.2024.