Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

Eine Weile hörte das Mädchen ihm zu, mit
verwundertem Warten, wann er sich wohl beruhigen
werde. Dann begann sie zu schelten:

"Du bist e Lapp! Mit Dir muß man anfan¬
gen! Ach, Du mein Heiland, hätt' ich nur nichts
g'sagt! Gelt, wirst mich noch verrathen gar?" Und
sie versuchte, ihm die Hände vom Gesicht zu nehmen.

Als er aber nicht nachgab, nur vor sich hin
stöhnte und ächzte, wurde sie kleinlaut. "Michel,
schlecht bin i net, g'wiß nit schlecht," betheuerte sie,
"lieber Michel, gelt, nimmst mich doch? Schau, wen
ich einmal mag, der hat's gut bei mir, und Dich mag
ich einmal, weiß selbst nit, warum!"

Aber er schüttelte ihre schmeichelnde Hand ab
und blickte nicht auf. Da stand sie zögernd noch eine
Weile und machte sich mit den Rosen zu schaffen.
"Da Michel, schau her, sie sind alle verwelkt, hast
mich so an Dich 'drückt, jetzt muß ich neue schneiden."
Und sie fing auch an, um die Büsche herumzugehen;
aber die Schere lag auf dem marmornen Garten¬
tischchen, etwas weiter im Gebüsch, die mußte sie
holen. Nein, dort auf dem Tischchen war sie nicht
mehr, richtig, die Köchin hatte sie mit ins Haus ge¬
tragen. Monika warf noch einen Blick rückwärts auf
den versunken Dasitzenden, dann eilte sie dem Hause
zu, -- "wenn ich zurückkomme, wird er sich schon
beruhigt haben," dachte sie und hielt sich absichtlich

Eine Weile hörte das Mädchen ihm zu, mit
verwundertem Warten, wann er ſich wohl beruhigen
werde. Dann begann ſie zu ſchelten:

„Du biſt e Lapp! Mit Dir muß man anfan¬
gen! Ach, Du mein Heiland, hätt' ich nur nichts
g'ſagt! Gelt, wirſt mich noch verrathen gar?“ Und
ſie verſuchte, ihm die Hände vom Geſicht zu nehmen.

Als er aber nicht nachgab, nur vor ſich hin
ſtöhnte und ächzte, wurde ſie kleinlaut. „Michel,
ſchlecht bin i net, g'wiß nit ſchlecht,“ betheuerte ſie,
„lieber Michel, gelt, nimmſt mich doch? Schau, wen
ich einmal mag, der hat's gut bei mir, und Dich mag
ich einmal, weiß ſelbſt nit, warum!“

Aber er ſchüttelte ihre ſchmeichelnde Hand ab
und blickte nicht auf. Da ſtand ſie zögernd noch eine
Weile und machte ſich mit den Roſen zu ſchaffen.
„Da Michel, ſchau her, ſie ſind alle verwelkt, haſt
mich ſo an Dich 'drückt, jetzt muß ich neue ſchneiden.“
Und ſie fing auch an, um die Büſche herumzugehen;
aber die Schere lag auf dem marmornen Garten¬
tiſchchen, etwas weiter im Gebüſch, die mußte ſie
holen. Nein, dort auf dem Tiſchchen war ſie nicht
mehr, richtig, die Köchin hatte ſie mit ins Haus ge¬
tragen. Monika warf noch einen Blick rückwärts auf
den verſunken Daſitzenden, dann eilte ſie dem Hauſe
zu, — „wenn ich zurückkomme, wird er ſich ſchon
beruhigt haben,“ dachte ſie und hielt ſich abſichtlich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0199" n="183"/>
        <p>Eine Weile hörte das Mädchen ihm zu, mit<lb/>
verwundertem Warten, wann er &#x017F;ich wohl beruhigen<lb/>
werde. Dann begann &#x017F;ie zu &#x017F;chelten:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du bi&#x017F;t e Lapp! Mit Dir muß man anfan¬<lb/>
gen! Ach, Du mein Heiland, hätt' ich nur nichts<lb/>
g'&#x017F;agt! Gelt, wir&#x017F;t mich noch verrathen gar?&#x201C; Und<lb/>
&#x017F;ie ver&#x017F;uchte, ihm die Hände vom Ge&#x017F;icht zu nehmen.</p><lb/>
        <p>Als er aber nicht nachgab, nur vor &#x017F;ich hin<lb/>
&#x017F;töhnte und ächzte, wurde &#x017F;ie kleinlaut. &#x201E;Michel,<lb/>
&#x017F;chlecht bin i net, g'wiß nit &#x017F;chlecht,&#x201C; betheuerte &#x017F;ie,<lb/>
&#x201E;lieber Michel, gelt, nimm&#x017F;t mich doch? Schau, wen<lb/>
ich einmal mag, der hat's gut bei mir, und Dich mag<lb/>
ich einmal, weiß &#x017F;elb&#x017F;t nit, warum!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Aber er &#x017F;chüttelte ihre &#x017F;chmeichelnde Hand ab<lb/>
und blickte nicht auf. Da &#x017F;tand &#x017F;ie zögernd noch eine<lb/>
Weile und machte &#x017F;ich mit den Ro&#x017F;en zu &#x017F;chaffen.<lb/>
&#x201E;Da Michel, &#x017F;chau her, &#x017F;ie &#x017F;ind alle verwelkt, ha&#x017F;t<lb/>
mich &#x017F;o an Dich 'drückt, jetzt muß ich neue &#x017F;chneiden.&#x201C;<lb/>
Und &#x017F;ie fing auch an, um die Bü&#x017F;che herumzugehen;<lb/>
aber die Schere lag auf dem marmornen Garten¬<lb/>
ti&#x017F;chchen, etwas weiter im Gebü&#x017F;ch, die mußte &#x017F;ie<lb/>
holen. Nein, dort auf dem Ti&#x017F;chchen war &#x017F;ie nicht<lb/>
mehr, richtig, die Köchin hatte &#x017F;ie mit ins Haus ge¬<lb/>
tragen. Monika warf noch einen Blick rückwärts auf<lb/>
den ver&#x017F;unken Da&#x017F;itzenden, dann eilte &#x017F;ie dem Hau&#x017F;e<lb/>
zu, &#x2014; &#x201E;wenn ich zurückkomme, wird er &#x017F;ich &#x017F;chon<lb/>
beruhigt haben,&#x201C; dachte &#x017F;ie und hielt &#x017F;ich ab&#x017F;ichtlich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0199] Eine Weile hörte das Mädchen ihm zu, mit verwundertem Warten, wann er ſich wohl beruhigen werde. Dann begann ſie zu ſchelten: „Du biſt e Lapp! Mit Dir muß man anfan¬ gen! Ach, Du mein Heiland, hätt' ich nur nichts g'ſagt! Gelt, wirſt mich noch verrathen gar?“ Und ſie verſuchte, ihm die Hände vom Geſicht zu nehmen. Als er aber nicht nachgab, nur vor ſich hin ſtöhnte und ächzte, wurde ſie kleinlaut. „Michel, ſchlecht bin i net, g'wiß nit ſchlecht,“ betheuerte ſie, „lieber Michel, gelt, nimmſt mich doch? Schau, wen ich einmal mag, der hat's gut bei mir, und Dich mag ich einmal, weiß ſelbſt nit, warum!“ Aber er ſchüttelte ihre ſchmeichelnde Hand ab und blickte nicht auf. Da ſtand ſie zögernd noch eine Weile und machte ſich mit den Roſen zu ſchaffen. „Da Michel, ſchau her, ſie ſind alle verwelkt, haſt mich ſo an Dich 'drückt, jetzt muß ich neue ſchneiden.“ Und ſie fing auch an, um die Büſche herumzugehen; aber die Schere lag auf dem marmornen Garten¬ tiſchchen, etwas weiter im Gebüſch, die mußte ſie holen. Nein, dort auf dem Tiſchchen war ſie nicht mehr, richtig, die Köchin hatte ſie mit ins Haus ge¬ tragen. Monika warf noch einen Blick rückwärts auf den verſunken Daſitzenden, dann eilte ſie dem Hauſe zu, — „wenn ich zurückkomme, wird er ſich ſchon beruhigt haben,“ dachte ſie und hielt ſich abſichtlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/199
Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/199>, abgerufen am 03.10.2024.