"O über Euch leichtsinniges Mannsvolk!" rief das Mädchen. "Das sprüht Küsse umher wie der Springbrunnen Tropfen und säh's nicht einmal un¬ gern, wenn jeder Kuß für Ernst genommen würd', und jede arme Empfängerin ihn nun wie eine Re¬ liquie einbalsamirte! Die armen Kinder sind auch gescheut, und wenn nach so einem Luftkuß nichts weiter erfolgt, da bleibt's eben Luft auch für sie."
"Du hältst mich gewiß für einen Gecken," fiel er kleinlaut ein.
"Nein, nicht, -- aber ein Gernegroß bist; ist's nicht im Guten, so sei's denn in Sünden, nicht wahr? Warum bist denn so zornig worden, wie das arm' Dingerl da übern Zaun geschwätzt und gelacht hat?"
"Schilt noch ein bischen," rief Alfred mit wiedergewonnener Sicherheit, "ich schäme mich zwar sehr, denn Du hast leider recht, -- aber doch ist mir so wohl dabei -- ich möchte dazu schnurren wie Dein kleiner Kater, wenn Du ihn liebkosest."
"Geh', geh', so war's nicht gemeint! Aber heut' noch schreibst an den Wolff, das heißt, ich schreib' für Dich, daß wir Nachricht kriegen über die kranke Schwester, arm's Wesen, und er von Dir weiß und Deiner Verhinderung. Aber von dem einfältigen Kuß wirst nichts berichten, oder -- --"
"Nein, nein! sie hat ihn ja auch längst vergessen, ihn und mich," sagte Alfred schnell.
Frapan, Bittersüß. 7
„O über Euch leichtſinniges Mannsvolk!“ rief das Mädchen. „Das ſprüht Küſſe umher wie der Springbrunnen Tropfen und ſäh's nicht einmal un¬ gern, wenn jeder Kuß für Ernſt genommen würd', und jede arme Empfängerin ihn nun wie eine Re¬ liquie einbalſamirte! Die armen Kinder ſind auch geſcheut, und wenn nach ſo einem Luftkuß nichts weiter erfolgt, da bleibt's eben Luft auch für ſie.“
„Du hältſt mich gewiß für einen Gecken,“ fiel er kleinlaut ein.
„Nein, nicht, — aber ein Gernegroß biſt; iſt's nicht im Guten, ſo ſei's denn in Sünden, nicht wahr? Warum biſt denn ſo zornig worden, wie das arm' Dingerl da übern Zaun geſchwätzt und gelacht hat?“
„Schilt noch ein bischen,“ rief Alfred mit wiedergewonnener Sicherheit, „ich ſchäme mich zwar ſehr, denn Du haſt leider recht, — aber doch iſt mir ſo wohl dabei — ich möchte dazu ſchnurren wie Dein kleiner Kater, wenn Du ihn liebkoſeſt.“
„Geh', geh', ſo war's nicht gemeint! Aber heut' noch ſchreibſt an den Wolff, das heißt, ich ſchreib' für Dich, daß wir Nachricht kriegen über die kranke Schweſter, arm's Weſen, und er von Dir weiß und Deiner Verhinderung. Aber von dem einfältigen Kuß wirſt nichts berichten, oder — —“
„Nein, nein! ſie hat ihn ja auch längſt vergeſſen, ihn und mich,“ ſagte Alfred ſchnell.
Frapan, Bitterſüß. 7
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„O über Euch leichtſinniges Mannsvolk!“ rief
das Mädchen. „Das ſprüht Küſſe umher wie der
Springbrunnen Tropfen und ſäh's nicht einmal un¬
gern, wenn jeder Kuß für Ernſt genommen würd',
und jede arme Empfängerin ihn nun wie eine Re¬
liquie einbalſamirte! Die armen Kinder ſind auch
geſcheut, und wenn nach ſo einem Luftkuß nichts
weiter erfolgt, da bleibt's eben Luft auch für ſie.“
„Du hältſt mich gewiß für einen Gecken,“ fiel
er kleinlaut ein.
„Nein, nicht, — aber ein Gernegroß biſt; iſt's
nicht im Guten, ſo ſei's denn in Sünden, nicht wahr?
Warum biſt denn ſo zornig worden, wie das arm'
Dingerl da übern Zaun geſchwätzt und gelacht hat?“
„Schilt noch ein bischen,“ rief Alfred mit
wiedergewonnener Sicherheit, „ich ſchäme mich zwar
ſehr, denn Du haſt leider recht, — aber doch iſt mir
ſo wohl dabei — ich möchte dazu ſchnurren wie
Dein kleiner Kater, wenn Du ihn liebkoſeſt.“
„Geh', geh', ſo war's nicht gemeint! Aber
heut' noch ſchreibſt an den Wolff, das heißt, ich
ſchreib' für Dich, daß wir Nachricht kriegen über die
kranke Schweſter, arm's Weſen, und er von Dir weiß
und Deiner Verhinderung. Aber von dem einfältigen
Kuß wirſt nichts berichten, oder — —“
„Nein, nein! ſie hat ihn ja auch längſt vergeſſen,
ihn und mich,“ ſagte Alfred ſchnell.
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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/113>, abgerufen am 16.02.2025.
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