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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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lation und dem glückstrahlenden Bräutigam noch ein¬
mal mein Compliment. Bald saßen wir alle Vier
behaglich um den Tisch; das erste Fläschchen wurde
entkorkt und niemals habe ich ein freudigeres Lebehoch
als das auf unsere beiden Getreuen erschallen lassen. --

-- "Nun mußte aber auch endlich unser Gast mit der
Sprache herausrücken und die Fahrten und Fährnisse
zum Besten geben, unter welchen der Gefangene von
Pirmasenz sich so glücklich bis zum königlich preußischen
Geheimenmedicinalrath durchgewunden hat. Probst, der
Mann versteht zu erzählen: simpel, anschaulich, mit
Bescheidenheit und doch nicht ohne das geziemende
Selbstgefühl. --

-- "Da gab es denn einen curiosen Wechsel von
Bewunderung und Grauen, wenn man den einsamen
Fremdling mit seinen Messern und Zangen so gelassen
dahinschreiten sah, heute unter den Blitzen des Fall¬
beils, morgen unter dem Donner der Kanonen; vor¬
bei an Menschen, die gestern Gold waren und heute
Staub sind, und an solchen, die gestern als Staub
übersehen und morgen als Gold vergöttert werden.
Was solch eine Revolution zu sagen hat, das ist mir
wahrlich erst durch meinen Mosjö Per--se recht klar
geworden, Probst. Die Nacht hindurch würden

lation und dem glückſtrahlenden Bräutigam noch ein¬
mal mein Compliment. Bald ſaßen wir alle Vier
behaglich um den Tiſch; das erſte Fläſchchen wurde
entkorkt und niemals habe ich ein freudigeres Lebehoch
als das auf unſere beiden Getreuen erſchallen laſſen. —

— „Nun mußte aber auch endlich unſer Gaſt mit der
Sprache herausrücken und die Fahrten und Fährniſſe
zum Beſten geben, unter welchen der Gefangene von
Pirmaſenz ſich ſo glücklich bis zum königlich preußiſchen
Geheimenmedicinalrath durchgewunden hat. Probſt, der
Mann verſteht zu erzählen: ſimpel, anſchaulich, mit
Beſcheidenheit und doch nicht ohne das geziemende
Selbſtgefühl. —

— „Da gab es denn einen curioſen Wechſel von
Bewunderung und Grauen, wenn man den einſamen
Fremdling mit ſeinen Meſſern und Zangen ſo gelaſſen
dahinſchreiten ſah, heute unter den Blitzen des Fall¬
beils, morgen unter dem Donner der Kanonen; vor¬
bei an Menſchen, die geſtern Gold waren und heute
Staub ſind, und an ſolchen, die geſtern als Staub
überſehen und morgen als Gold vergöttert werden.
Was ſolch eine Revolution zu ſagen hat, das iſt mir
wahrlich erſt durch meinen Mosjö Per—ſé recht klar
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[85/0089] lation und dem glückſtrahlenden Bräutigam noch ein¬ mal mein Compliment. Bald ſaßen wir alle Vier behaglich um den Tiſch; das erſte Fläſchchen wurde entkorkt und niemals habe ich ein freudigeres Lebehoch als das auf unſere beiden Getreuen erſchallen laſſen. — — „Nun mußte aber auch endlich unſer Gaſt mit der Sprache herausrücken und die Fahrten und Fährniſſe zum Beſten geben, unter welchen der Gefangene von Pirmaſenz ſich ſo glücklich bis zum königlich preußiſchen Geheimenmedicinalrath durchgewunden hat. Probſt, der Mann verſteht zu erzählen: ſimpel, anſchaulich, mit Beſcheidenheit und doch nicht ohne das geziemende Selbſtgefühl. — — „Da gab es denn einen curioſen Wechſel von Bewunderung und Grauen, wenn man den einſamen Fremdling mit ſeinen Meſſern und Zangen ſo gelaſſen dahinſchreiten ſah, heute unter den Blitzen des Fall¬ beils, morgen unter dem Donner der Kanonen; vor¬ bei an Menſchen, die geſtern Gold waren und heute Staub ſind, und an ſolchen, die geſtern als Staub überſehen und morgen als Gold vergöttert werden. Was ſolch eine Revolution zu ſagen hat, das iſt mir wahrlich erſt durch meinen Mosjö Per—ſé recht klar geworden, Probſt. Die Nacht hindurch würden

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/89>, abgerufen am 29.03.2024.