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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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Gesicht. ""Sie sind unwohl, Dorothee!"" rief Faber
ängstlich, führte sie auf das Canape, setzte sich auf
einen Stuhl an ihre Seite und faßte ihre Hand,
nicht wie ein Liebhaber, sagte Adelheid, sondern wie
ein Arzt, der die Pulsschläge zählt. Sie schüttelte
das Köpfchen, raffte sich zusammen, erholte sich all¬
mälig, und als Faber nach einer Weile fragte, ob
sie sich kräftig genug fühle, seine Gegenwart zu ertra¬
gen, antwortete sie mit einem Nicken. --

-- ""Das Ziel, das ich mir gesetzt hatte, ist er¬
reicht,"" sagte Faber darauf, ""später als ich gehofft, aber
sicher und ehrenvoll. Eine ausfüllende Thätigkeit wartet
meiner in Berlin, eine sorglose Häuslichkeit steht mir,
-- Ihnen, liebe Dorothee, -- dort bereitet. Freilich
ist meine Zeit gemessen. Aber was bedürfen wir auch
noch der Zeit? In einer Woche, denke ich, werden
wir vereint der neuen Heimath entgegenziehen."" --

-- "Da sie alles so glücklich im Gange sah, hielt
Adelheid, die bisher unbemerkt im Hintergrunde ge¬
standen
hatte, es an der Zeit, sich zu entfernen.
Bei dieser Bewegung wurde die Kleine ihrer ansichtig.
Sie fuhr in die Höhe, stürzte auf meine Frau zu mit
einem, wie diese behauptet, geradezu irrsinnigen Blick
und den Worten, den ersten, die sie sprach: ""Hardine,

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Geſicht. „„Sie ſind unwohl, Dorothee!““ rief Faber
ängſtlich, führte ſie auf das Canapé, ſetzte ſich auf
einen Stuhl an ihre Seite und faßte ihre Hand,
nicht wie ein Liebhaber, ſagte Adelheid, ſondern wie
ein Arzt, der die Pulsſchläge zählt. Sie ſchüttelte
das Köpfchen, raffte ſich zuſammen, erholte ſich all¬
mälig, und als Faber nach einer Weile fragte, ob
ſie ſich kräftig genug fühle, ſeine Gegenwart zu ertra¬
gen, antwortete ſie mit einem Nicken. —

— „„Das Ziel, das ich mir geſetzt hatte, iſt er¬
reicht,““ ſagte Faber darauf, „„ſpäter als ich gehofft, aber
ſicher und ehrenvoll. Eine ausfüllende Thätigkeit wartet
meiner in Berlin, eine ſorgloſe Häuslichkeit ſteht mir,
— Ihnen, liebe Dorothee, — dort bereitet. Freilich
iſt meine Zeit gemeſſen. Aber was bedürfen wir auch
noch der Zeit? In einer Woche, denke ich, werden
wir vereint der neuen Heimath entgegenziehen.““ —

— „Da ſie alles ſo glücklich im Gange ſah, hielt
Adelheid, die bisher unbemerkt im Hintergrunde ge¬
ſtanden
hatte, es an der Zeit, ſich zu entfernen.
Bei dieſer Bewegung wurde die Kleine ihrer anſichtig.
Sie fuhr in die Höhe, ſtürzte auf meine Frau zu mit
einem, wie dieſe behauptet, geradezu irrſinnigen Blick
und den Worten, den erſten, die ſie ſprach: „„Hardine,

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[83/0087] Geſicht. „„Sie ſind unwohl, Dorothee!““ rief Faber ängſtlich, führte ſie auf das Canapé, ſetzte ſich auf einen Stuhl an ihre Seite und faßte ihre Hand, nicht wie ein Liebhaber, ſagte Adelheid, ſondern wie ein Arzt, der die Pulsſchläge zählt. Sie ſchüttelte das Köpfchen, raffte ſich zuſammen, erholte ſich all¬ mälig, und als Faber nach einer Weile fragte, ob ſie ſich kräftig genug fühle, ſeine Gegenwart zu ertra¬ gen, antwortete ſie mit einem Nicken. — — „„Das Ziel, das ich mir geſetzt hatte, iſt er¬ reicht,““ ſagte Faber darauf, „„ſpäter als ich gehofft, aber ſicher und ehrenvoll. Eine ausfüllende Thätigkeit wartet meiner in Berlin, eine ſorgloſe Häuslichkeit ſteht mir, — Ihnen, liebe Dorothee, — dort bereitet. Freilich iſt meine Zeit gemeſſen. Aber was bedürfen wir auch noch der Zeit? In einer Woche, denke ich, werden wir vereint der neuen Heimath entgegenziehen.““ — — „Da ſie alles ſo glücklich im Gange ſah, hielt Adelheid, die bisher unbemerkt im Hintergrunde ge¬ ſtanden hatte, es an der Zeit, ſich zu entfernen. Bei dieſer Bewegung wurde die Kleine ihrer anſichtig. Sie fuhr in die Höhe, ſtürzte auf meine Frau zu mit einem, wie dieſe behauptet, geradezu irrſinnigen Blick und den Worten, den erſten, die ſie ſprach: „„Hardine, 6*

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/87>, abgerufen am 25.04.2024.