François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.Der Vater, wie ich ihn kannte, würde in der "Und wozu uns Allen diese Verwirrung?" fuhr "Briefe erreichen in solchen Zeitläuften selten ihr "Und wenn er lebt," entgegnete Dorothee, "in Der Vater, wie ich ihn kannte, würde in der „Und wozu uns Allen dieſe Verwirrung?“ fuhr „Briefe erreichen in ſolchen Zeitläuften ſelten ihr „Und wenn er lebt,“ entgegnete Dorothee, „in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0047" n="43"/> <p>Der Vater, wie ich ihn kannte, würde in der<lb/> That ein erſtes eheliches Geheimniß kaum über die<lb/> Nacht und ſicherlich nicht über den erſten Brief hin¬<lb/> aus bewahrt haben. Sollte ich zu dem Herzeleid der<lb/> armen Mutter noch dieſe neue Prüfung fügen? Das<lb/> freundliche Verhältniß zu unſerer Hauswirthin wurde<lb/> geſtört, das Vertrauen in die Aufrichtigkeit und Ehren¬<lb/> haftigkeit der einzigen Tochter im Grunde erſchüttert.<lb/> Auch der nachſichtigere Vater würde den mütterlichen<lb/> Auffaſſungen nicht widerſtanden und bekümmerten Her¬<lb/> zens von ſeinem pflichtloſen Kinde, vielleicht für’s Le¬<lb/> ben, geſchieden ſein.</p><lb/> <p>„Und wozu uns Allen dieſe Verwirrung?“ fuhr<lb/> Dorothee durch meine ſichtliche Bewegung ermuthigt<lb/> fort. „Lebt er denn noch? Er hat den ganzen Win¬<lb/> ter nicht geſchrieben?“</p><lb/> <p>„Briefe erreichen in ſolchen Zeitläuften ſelten ihr<lb/> Ziel,“ verſetzte ich; „die Nachricht ſeines Todes aber<lb/> würden wir erhalten haben.“</p><lb/> <p>„Und wenn er lebt,“ entgegnete Dorothee, „in<lb/> welchem entfernten Lazareth, in welcher neuen Stel¬<lb/> lung. Es iſt ja ein ſo weitläufiger Kriegsplatz; Gott<lb/> weiß, ob der Herr Vater jemals mit ihm zuſammen¬<lb/> trifft. Begegnet er ihm aber und weiß ich erſt den<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [43/0047]
Der Vater, wie ich ihn kannte, würde in der
That ein erſtes eheliches Geheimniß kaum über die
Nacht und ſicherlich nicht über den erſten Brief hin¬
aus bewahrt haben. Sollte ich zu dem Herzeleid der
armen Mutter noch dieſe neue Prüfung fügen? Das
freundliche Verhältniß zu unſerer Hauswirthin wurde
geſtört, das Vertrauen in die Aufrichtigkeit und Ehren¬
haftigkeit der einzigen Tochter im Grunde erſchüttert.
Auch der nachſichtigere Vater würde den mütterlichen
Auffaſſungen nicht widerſtanden und bekümmerten Her¬
zens von ſeinem pflichtloſen Kinde, vielleicht für’s Le¬
ben, geſchieden ſein.
„Und wozu uns Allen dieſe Verwirrung?“ fuhr
Dorothee durch meine ſichtliche Bewegung ermuthigt
fort. „Lebt er denn noch? Er hat den ganzen Win¬
ter nicht geſchrieben?“
„Briefe erreichen in ſolchen Zeitläuften ſelten ihr
Ziel,“ verſetzte ich; „die Nachricht ſeines Todes aber
würden wir erhalten haben.“
„Und wenn er lebt,“ entgegnete Dorothee, „in
welchem entfernten Lazareth, in welcher neuen Stel¬
lung. Es iſt ja ein ſo weitläufiger Kriegsplatz; Gott
weiß, ob der Herr Vater jemals mit ihm zuſammen¬
trifft. Begegnet er ihm aber und weiß ich erſt den
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