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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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ner stillen Reckenburger Flur gegen sein nachzehrendes
Feuer gerungen habe. Schon bei diesem ersten Wie¬
dersehen fand ich die Gestalt zusammengesunkener --
die Bewegungen hülfloser, die Rede knapper; eine
Spur innerlichen Lebens nur noch in dem kalten, stahl¬
scharfen Blicke der Gier. Die Herrschaft war ausge¬
storben, und die Magd, die sich frühe und zähe in
ihrem Dienste ausgebildet hatte, die Alleingebieterin in
dem verödeten Haus.

Jetzt, das heißt seit der Stunde, in welcher die
Todesbotschaft von Valmy sie erreicht hatte, jetzt war
sie und wurde von Tag zu Tage mehr "die schwarze
Reckenburgerin," zu welcher die Volksphantasie die
einsame Erhalterin seit einem Vierteljahrhundert aus¬
gearbeitet hatte. Jetzt glich sie den dämonischen
Märchenwesen, die Metalle hegen und hüten, lediglich
um ihres Glanzes willen; die der Kupferheller schmerzt,
welcher dem eignen Bedürfniß geopfert werden muß.
Ich sage Euch, wie ein Herkules habe ich um die Er¬
haltung der nutzbringendsten Anlagen gekämpft und es
war am Ende nur die achtzigjährige Gewöhnung,
welche das Getriebe mechanisch und methodisch zu¬
sammenhielt.

Die Correspondenz mit Dresden verstummte; der

ner ſtillen Reckenburger Flur gegen ſein nachzehrendes
Feuer gerungen habe. Schon bei dieſem erſten Wie¬
derſehen fand ich die Geſtalt zuſammengeſunkener —
die Bewegungen hülfloſer, die Rede knapper; eine
Spur innerlichen Lebens nur noch in dem kalten, ſtahl¬
ſcharfen Blicke der Gier. Die Herrſchaft war ausge¬
ſtorben, und die Magd, die ſich frühe und zähe in
ihrem Dienſte ausgebildet hatte, die Alleingebieterin in
dem verödeten Haus.

Jetzt, das heißt ſeit der Stunde, in welcher die
Todesbotſchaft von Valmy ſie erreicht hatte, jetzt war
ſie und wurde von Tag zu Tage mehr „die ſchwarze
Reckenburgerin,“ zu welcher die Volksphantaſie die
einſame Erhalterin ſeit einem Vierteljahrhundert aus¬
gearbeitet hatte. Jetzt glich ſie den dämoniſchen
Märchenweſen, die Metalle hegen und hüten, lediglich
um ihres Glanzes willen; die der Kupferheller ſchmerzt,
welcher dem eignen Bedürfniß geopfert werden muß.
Ich ſage Euch, wie ein Herkules habe ich um die Er¬
haltung der nutzbringendſten Anlagen gekämpft und es
war am Ende nur die achtzigjährige Gewöhnung,
welche das Getriebe mechaniſch und methodiſch zu¬
ſammenhielt.

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[28/0032] ner ſtillen Reckenburger Flur gegen ſein nachzehrendes Feuer gerungen habe. Schon bei dieſem erſten Wie¬ derſehen fand ich die Geſtalt zuſammengeſunkener — die Bewegungen hülfloſer, die Rede knapper; eine Spur innerlichen Lebens nur noch in dem kalten, ſtahl¬ ſcharfen Blicke der Gier. Die Herrſchaft war ausge¬ ſtorben, und die Magd, die ſich frühe und zähe in ihrem Dienſte ausgebildet hatte, die Alleingebieterin in dem verödeten Haus. Jetzt, das heißt ſeit der Stunde, in welcher die Todesbotſchaft von Valmy ſie erreicht hatte, jetzt war ſie und wurde von Tag zu Tage mehr „die ſchwarze Reckenburgerin,“ zu welcher die Volksphantaſie die einſame Erhalterin ſeit einem Vierteljahrhundert aus¬ gearbeitet hatte. Jetzt glich ſie den dämoniſchen Märchenweſen, die Metalle hegen und hüten, lediglich um ihres Glanzes willen; die der Kupferheller ſchmerzt, welcher dem eignen Bedürfniß geopfert werden muß. Ich ſage Euch, wie ein Herkules habe ich um die Er¬ haltung der nutzbringendſten Anlagen gekämpft und es war am Ende nur die achtzigjährige Gewöhnung, welche das Getriebe mechaniſch und methodiſch zu¬ ſammenhielt. Die Correſpondenz mit Dresden verſtummte; der

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/32>, abgerufen am 20.04.2024.