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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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samen Born, es ist Frühling in ihm und über ihm
geworden, rings umher Farbe und Würze, Vogelsang
und wärmender Sonnenstrahl. Es klingt wie ein
Märchen, was dem alten Born geschah.

Und darum, meine Kinder, -- nicht weil ein
fremdes Schicksal der Entschleierung harrte, -- darum
habe ich meine Geschichte ein Geheimniß genannt,
und habe "die Logik der Natur" verehrt als eine
Hülfe der Gnade.


Die kleine Welt, welcher unsere Reckenburg ein
gewohnter Zielpunkt geworden war, konnte deren all¬
mälige Neuerung nicht entgehen, und männiglich hat
man in dem Fremdling, der sie unbewußt hervorlockte,
die Erbin nicht nur des über kurz oder lang herren¬
losen Besitzes, sondern auch des erlöschenden Namens
der Reckenburg vorausgesetzt.

Es ist mir aber niemals in den Sinn gekommen,
dem alten Baume, der nach Gottes Willen absterben
sollte, dieses neue Reis aufzupfropfen. Ich habe
einen alten Adel als einen zuverlässigen Stütz¬
punkt geehrt; ich achte einen neuen Adel gleich
einer Seifenblase. Junge Geschlechter mögen nach

ſamen Born, es iſt Frühling in ihm und über ihm
geworden, rings umher Farbe und Würze, Vogelſang
und wärmender Sonnenſtrahl. Es klingt wie ein
Märchen, was dem alten Born geſchah.

Und darum, meine Kinder, — nicht weil ein
fremdes Schickſal der Entſchleierung harrte, — darum
habe ich meine Geſchichte ein Geheimniß genannt,
und habe „die Logik der Natur“ verehrt als eine
Hülfe der Gnade.


Die kleine Welt, welcher unſere Reckenburg ein
gewohnter Zielpunkt geworden war, konnte deren all¬
mälige Neuerung nicht entgehen, und männiglich hat
man in dem Fremdling, der ſie unbewußt hervorlockte,
die Erbin nicht nur des über kurz oder lang herren¬
loſen Beſitzes, ſondern auch des erlöſchenden Namens
der Reckenburg vorausgeſetzt.

Es iſt mir aber niemals in den Sinn gekommen,
dem alten Baume, der nach Gottes Willen abſterben
ſollte, dieſes neue Reis aufzupfropfen. Ich habe
einen alten Adel als einen zuverläſſigen Stütz¬
punkt geehrt; ich achte einen neuen Adel gleich
einer Seifenblaſe. Junge Geſchlechter mögen nach

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[256/0260] ſamen Born, es iſt Frühling in ihm und über ihm geworden, rings umher Farbe und Würze, Vogelſang und wärmender Sonnenſtrahl. Es klingt wie ein Märchen, was dem alten Born geſchah. Und darum, meine Kinder, — nicht weil ein fremdes Schickſal der Entſchleierung harrte, — darum habe ich meine Geſchichte ein Geheimniß genannt, und habe „die Logik der Natur“ verehrt als eine Hülfe der Gnade. Die kleine Welt, welcher unſere Reckenburg ein gewohnter Zielpunkt geworden war, konnte deren all¬ mälige Neuerung nicht entgehen, und männiglich hat man in dem Fremdling, der ſie unbewußt hervorlockte, die Erbin nicht nur des über kurz oder lang herren¬ loſen Beſitzes, ſondern auch des erlöſchenden Namens der Reckenburg vorausgeſetzt. Es iſt mir aber niemals in den Sinn gekommen, dem alten Baume, der nach Gottes Willen abſterben ſollte, dieſes neue Reis aufzupfropfen. Ich habe einen alten Adel als einen zuverläſſigen Stütz¬ punkt geehrt; ich achte einen neuen Adel gleich einer Seifenblaſe. Junge Geſchlechter mögen nach

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/260>, abgerufen am 29.03.2024.