Kreislauf belebt? Alle diese Menschen, auch das wußte ich recht gut, führte über kurz oder lang Eitel¬ keit und Eigennutz mit dem Schein der Ehrerbietung zu mir zurück. Aber ich wußte auch, daß das Grund¬ wesen der Ehrerbietung für alle Zeit vernichtet war. Und die Ehre ist nicht selbstgenügsam wie das Ge¬ wissen, sie lebt nur durch und in dem Wiederstrahl. Es ist ein einsames Feuer, das in dem Wartthurme brennt, aber es leuchtet dem Schiffer zu seinen Fü¬ ßen, und erlischt es, steht der Thurm als ein zweck¬ loses Gehäus. Wie solch' ein ausgelöschter Leucht¬ thurm kam ich mir vor.
Und was hatte ich als Entgelt dafür, daß der Ehrenname der Reckenburg unter Spott und Hohn verhallen sollte? Eine Aufgabe für den thatkräftigen Sinn? Eine Herzenslust, ja, nur die Erinnerung daran, -- für welche schon Manche Ruf und Ruhe in die Schanze geschlagen hat? Nun, die Versorgung eines Bettlerkindes war kein Heldenstück für die reiche Frau, die ohne Opfer, Hunderten ein Gleiches hätte erweisen dürfen; aber eine Herzensfreude war sie noch weniger, als ein Heldenstück.
Wenn es noch ein Knabe gewesen wäre! Ein frischer, fröhlicher Gesell, wie Ludwig Nordheim etwa,
Kreislauf belebt? Alle dieſe Menſchen, auch das wußte ich recht gut, führte über kurz oder lang Eitel¬ keit und Eigennutz mit dem Schein der Ehrerbietung zu mir zurück. Aber ich wußte auch, daß das Grund¬ weſen der Ehrerbietung für alle Zeit vernichtet war. Und die Ehre iſt nicht ſelbſtgenügſam wie das Ge¬ wiſſen, ſie lebt nur durch und in dem Wiederſtrahl. Es iſt ein einſames Feuer, das in dem Wartthurme brennt, aber es leuchtet dem Schiffer zu ſeinen Fü¬ ßen, und erliſcht es, ſteht der Thurm als ein zweck¬ loſes Gehäus. Wie ſolch’ ein ausgelöſchter Leucht¬ thurm kam ich mir vor.
Und was hatte ich als Entgelt dafür, daß der Ehrenname der Reckenburg unter Spott und Hohn verhallen ſollte? Eine Aufgabe für den thatkräftigen Sinn? Eine Herzensluſt, ja, nur die Erinnerung daran, — für welche ſchon Manche Ruf und Ruhe in die Schanze geſchlagen hat? Nun, die Verſorgung eines Bettlerkindes war kein Heldenſtück für die reiche Frau, die ohne Opfer, Hunderten ein Gleiches hätte erweiſen dürfen; aber eine Herzensfreude war ſie noch weniger, als ein Heldenſtück.
Wenn es noch ein Knabe geweſen wäre! Ein friſcher, fröhlicher Geſell, wie Ludwig Nordheim etwa,
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Kreislauf belebt? Alle dieſe Menſchen, auch das
wußte ich recht gut, führte über kurz oder lang Eitel¬
keit und Eigennutz mit dem Schein der Ehrerbietung
zu mir zurück. Aber ich wußte auch, daß das Grund¬
weſen der Ehrerbietung für alle Zeit vernichtet war.
Und die Ehre iſt nicht ſelbſtgenügſam wie das Ge¬
wiſſen, ſie lebt nur durch und in dem Wiederſtrahl.
Es iſt ein einſames Feuer, das in dem Wartthurme
brennt, aber es leuchtet dem Schiffer zu ſeinen Fü¬
ßen, und erliſcht es, ſteht der Thurm als ein zweck¬
loſes Gehäus. Wie ſolch’ ein ausgelöſchter Leucht¬
thurm kam ich mir vor.
Und was hatte ich als Entgelt dafür, daß der
Ehrenname der Reckenburg unter Spott und Hohn
verhallen ſollte? Eine Aufgabe für den thatkräftigen
Sinn? Eine Herzensluſt, ja, nur die Erinnerung
daran, — für welche ſchon Manche Ruf und Ruhe
in die Schanze geſchlagen hat? Nun, die Verſorgung
eines Bettlerkindes war kein Heldenſtück für die reiche
Frau, die ohne Opfer, Hunderten ein Gleiches hätte
erweiſen dürfen; aber eine Herzensfreude war ſie noch
weniger, als ein Heldenſtück.
Wenn es noch ein Knabe geweſen wäre! Ein
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/249>, abgerufen am 16.02.2025.
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