ob sie ihn einer Beachtung würdigte? Kein Zeichen deutete es an. Sie bewegte sich nach wie vor zuver¬ sichtlich in ihrem Tagewerk und scheute sich nicht, das angezweifelte Wesen, das sie demselben eingefügt hatte, immer dichter in ihre Nähe zu ziehen. Unter allen Umständen that sie keinen entgegenkommenden Schritt, der eine versöhnliche Stimmung eher als jener hochmüthige Gleichsinn angebahnt haben würde. Wir aber, die sie die Ihren nannte, wir Reckenburger Leute, ei nun, wir kümmerten uns nicht um Klatsch und Matsch. Wir glaubten's nicht und wir bezwei¬ felten's nicht. Wie Fräulein Hardine es uns gelehrt, sorgte ein Jeder für das Seine.
Indessen: das heftigste Unwetter verzieht, und auch die Windsbraut um Reckenburg legte sich; nicht ganz so jählings wie sie herangebraust war, aber hübsch sacht und gemüthlich nach deutscher Stürme Art. Die Hand, die eine Reckenburg zu verschenken hat, behauptet ihre Anziehung; die Standesgenossen¬ schaft besann sich auf ihre alten Hoffnungen, auch die bürgerliche Clientel auf gelegentliche Berücksichtigung. Bald ersehnte Jedermann nur einen Anlaß, um öf¬ fentlich zu verleugnen, was heimlich von Keinem be¬ zweifelt ward. Dieser Anlaß aber ließ nicht lange
ob ſie ihn einer Beachtung würdigte? Kein Zeichen deutete es an. Sie bewegte ſich nach wie vor zuver¬ ſichtlich in ihrem Tagewerk und ſcheute ſich nicht, das angezweifelte Weſen, das ſie demſelben eingefügt hatte, immer dichter in ihre Nähe zu ziehen. Unter allen Umſtänden that ſie keinen entgegenkommenden Schritt, der eine verſöhnliche Stimmung eher als jener hochmüthige Gleichſinn angebahnt haben würde. Wir aber, die ſie die Ihren nannte, wir Reckenburger Leute, ei nun, wir kümmerten uns nicht um Klatſch und Matſch. Wir glaubten's nicht und wir bezwei¬ felten's nicht. Wie Fräulein Hardine es uns gelehrt, ſorgte ein Jeder für das Seine.
Indeſſen: das heftigſte Unwetter verzieht, und auch die Windsbraut um Reckenburg legte ſich; nicht ganz ſo jählings wie ſie herangebrauſt war, aber hübſch ſacht und gemüthlich nach deutſcher Stürme Art. Die Hand, die eine Reckenburg zu verſchenken hat, behauptet ihre Anziehung; die Standesgenoſſen¬ ſchaft beſann ſich auf ihre alten Hoffnungen, auch die bürgerliche Clientel auf gelegentliche Berückſichtigung. Bald erſehnte Jedermann nur einen Anlaß, um öf¬ fentlich zu verleugnen, was heimlich von Keinem be¬ zweifelt ward. Dieſer Anlaß aber ließ nicht lange
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ob ſie ihn einer Beachtung würdigte? Kein Zeichen
deutete es an. Sie bewegte ſich nach wie vor zuver¬
ſichtlich in ihrem Tagewerk und ſcheute ſich nicht,
das angezweifelte Weſen, das ſie demſelben eingefügt
hatte, immer dichter in ihre Nähe zu ziehen. Unter
allen Umſtänden that ſie keinen entgegenkommenden
Schritt, der eine verſöhnliche Stimmung eher als jener
hochmüthige Gleichſinn angebahnt haben würde. Wir
aber, die ſie die Ihren nannte, wir Reckenburger
Leute, ei nun, wir kümmerten uns nicht um Klatſch
und Matſch. Wir glaubten's nicht und wir bezwei¬
felten's nicht. Wie Fräulein Hardine es uns gelehrt,
ſorgte ein Jeder für das Seine.
Indeſſen: das heftigſte Unwetter verzieht, und
auch die Windsbraut um Reckenburg legte ſich; nicht
ganz ſo jählings wie ſie herangebrauſt war, aber
hübſch ſacht und gemüthlich nach deutſcher Stürme
Art. Die Hand, die eine Reckenburg zu verſchenken
hat, behauptet ihre Anziehung; die Standesgenoſſen¬
ſchaft beſann ſich auf ihre alten Hoffnungen, auch die
bürgerliche Clientel auf gelegentliche Berückſichtigung.
Bald erſehnte Jedermann nur einen Anlaß, um öf¬
fentlich zu verleugnen, was heimlich von Keinem be¬
zweifelt ward. Dieſer Anlaß aber ließ nicht lange
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/220>, abgerufen am 21.11.2024.
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