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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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burg und alle Zukunftsaussichten aufgab und, schwei¬
gend zwar, eben darum aber sprechend genug für die
gespannten Lauscher, auf seinen neuen hohen Verwal¬
tungsposten eilte.

Wer hätte nicht in ähnlicher Weise eine wankende
Autorität verlassen sehen? Gleichwohl würde der ge¬
räuschvolle Eifer bei dieser Katastrophe nicht hinläng¬
lich zu erklären sein, wenn der Zeitpunkt derselben
außer Acht gelassen würde. Der übermäßigen An¬
strengung aller Lebenskräfte in Noth und Kampf waren
zehn Jahre einer apathischen Stille nachgeschlichen;
in beschränktem Kreise wieder herstellend und aufbauend,
folgte Jeder einem tiefen Ruhebedürfniß. Aller Abzug
in weitere Gebiete war unterdrückt, die staatsbürger¬
lichen Interessen schwiegen, selber unsere jüngsten gro¬
ßen Erinnerungen schienen wie mit dem Schwamme
ausgelöscht. Mit dem patriarchalischen Behagen ver¬
breitete sich patriarchalische Kleinsucht und Fraubase¬
rei. Ein weniger bemerkenswerthes Ereigniß, als der
Sturz von Fräulein Hardinens Ehrenkrone würde in
einer solchen Epoche als eine Haupt- und Staats¬
action verhandelt worden sein, weit mehr, als der
Sturz von Königskronen in einer anderen.

Ob Fräulein Hardine diesen Sturz bemerkte?

burg und alle Zukunftsausſichten aufgab und, ſchwei¬
gend zwar, eben darum aber ſprechend genug für die
geſpannten Lauſcher, auf ſeinen neuen hohen Verwal¬
tungspoſten eilte.

Wer hätte nicht in ähnlicher Weiſe eine wankende
Autorität verlaſſen ſehen? Gleichwohl würde der ge¬
räuſchvolle Eifer bei dieſer Kataſtrophe nicht hinläng¬
lich zu erklären ſein, wenn der Zeitpunkt derſelben
außer Acht gelaſſen würde. Der übermäßigen An¬
ſtrengung aller Lebenskräfte in Noth und Kampf waren
zehn Jahre einer apathiſchen Stille nachgeſchlichen;
in beſchränktem Kreiſe wieder herſtellend und aufbauend,
folgte Jeder einem tiefen Ruhebedürfniß. Aller Abzug
in weitere Gebiete war unterdrückt, die ſtaatsbürger¬
lichen Intereſſen ſchwiegen, ſelber unſere jüngſten gro¬
ßen Erinnerungen ſchienen wie mit dem Schwamme
ausgelöſcht. Mit dem patriarchaliſchen Behagen ver¬
breitete ſich patriarchaliſche Kleinſucht und Fraubaſe¬
rei. Ein weniger bemerkenswerthes Ereigniß, als der
Sturz von Fräulein Hardinens Ehrenkrone würde in
einer ſolchen Epoche als eine Haupt– und Staats¬
action verhandelt worden ſein, weit mehr, als der
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[215/0219] burg und alle Zukunftsausſichten aufgab und, ſchwei¬ gend zwar, eben darum aber ſprechend genug für die geſpannten Lauſcher, auf ſeinen neuen hohen Verwal¬ tungspoſten eilte. Wer hätte nicht in ähnlicher Weiſe eine wankende Autorität verlaſſen ſehen? Gleichwohl würde der ge¬ räuſchvolle Eifer bei dieſer Kataſtrophe nicht hinläng¬ lich zu erklären ſein, wenn der Zeitpunkt derſelben außer Acht gelaſſen würde. Der übermäßigen An¬ ſtrengung aller Lebenskräfte in Noth und Kampf waren zehn Jahre einer apathiſchen Stille nachgeſchlichen; in beſchränktem Kreiſe wieder herſtellend und aufbauend, folgte Jeder einem tiefen Ruhebedürfniß. Aller Abzug in weitere Gebiete war unterdrückt, die ſtaatsbürger¬ lichen Intereſſen ſchwiegen, ſelber unſere jüngſten gro¬ ßen Erinnerungen ſchienen wie mit dem Schwamme ausgelöſcht. Mit dem patriarchaliſchen Behagen ver¬ breitete ſich patriarchaliſche Kleinſucht und Fraubaſe¬ rei. Ein weniger bemerkenswerthes Ereigniß, als der Sturz von Fräulein Hardinens Ehrenkrone würde in einer ſolchen Epoche als eine Haupt– und Staats¬ action verhandelt worden ſein, weit mehr, als der Sturz von Königskronen in einer anderen. Ob Fräulein Hardine dieſen Sturz bemerkte?

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/219>, abgerufen am 28.03.2024.