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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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Bettrande sitzen und meine Augen wachsam auf sie
gerichtet sah, schlummerte sie sanft athmend ein.

Nach einer Weile erhob ich mich leise und trat zu
dem, welcher diesem Auftritte unbemerkt gelauscht hatte.
Thränen, vielleicht die ersten des bewußten Lebens,
rannen über seine Wangen. Er drückte meine beiden
Hände an sein Herz. "Die Wohlthat einer ersten
friedlichen Stunde!', sagte er. "Welch ein Zauber
liegt doch in den frühesten Erinnerungen, in den
Menschen, welchen wir am frühesten vertrauten. O,
des Selbstsüchtigen, Verblendeten, der nur nach dem
Pendelschlag der Stunde gerechnet hat! Wenn ich sie
vor Jahren Ihnen zugeführt hätte, vor Monaten
noch -- --"

"Und wenn es noch jetzt nicht zu spät wäre,
mein Freund?" fragte ich.

Er aber schüttelte den Kopf und antwortete: "es
ist zu spät."

Ich versprach ihm darauf, die Nacht bei Doro¬
thee zu wachen und bat ihn, für einige Stunden die
Ruhe zu suchen, deren er so dringend bedürfe.

"Auch ich werde Ihnen folgen," sagte er und
ging nach einem wehmüthigen Blick auf die Schlum¬
mernde in sein Zimmer. Von Viertelstunde zu Vier¬

Bettrande ſitzen und meine Augen wachſam auf ſie
gerichtet ſah, ſchlummerte ſie ſanft athmend ein.

Nach einer Weile erhob ich mich leiſe und trat zu
dem, welcher dieſem Auftritte unbemerkt gelauſcht hatte.
Thränen, vielleicht die erſten des bewußten Lebens,
rannen über ſeine Wangen. Er drückte meine beiden
Hände an ſein Herz. „Die Wohlthat einer erſten
friedlichen Stunde!’, ſagte er. „Welch ein Zauber
liegt doch in den früheſten Erinnerungen, in den
Menſchen, welchen wir am früheſten vertrauten. O,
des Selbſtſüchtigen, Verblendeten, der nur nach dem
Pendelſchlag der Stunde gerechnet hat! Wenn ich ſie
vor Jahren Ihnen zugeführt hätte, vor Monaten
noch — —“

„Und wenn es noch jetzt nicht zu ſpät wäre,
mein Freund?“ fragte ich.

Er aber ſchüttelte den Kopf und antwortete: „es
iſt zu ſpät.“

Ich verſprach ihm darauf, die Nacht bei Doro¬
thee zu wachen und bat ihn, für einige Stunden die
Ruhe zu ſuchen, deren er ſo dringend bedürfe.

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[208/0212] Bettrande ſitzen und meine Augen wachſam auf ſie gerichtet ſah, ſchlummerte ſie ſanft athmend ein. Nach einer Weile erhob ich mich leiſe und trat zu dem, welcher dieſem Auftritte unbemerkt gelauſcht hatte. Thränen, vielleicht die erſten des bewußten Lebens, rannen über ſeine Wangen. Er drückte meine beiden Hände an ſein Herz. „Die Wohlthat einer erſten friedlichen Stunde!’, ſagte er. „Welch ein Zauber liegt doch in den früheſten Erinnerungen, in den Menſchen, welchen wir am früheſten vertrauten. O, des Selbſtſüchtigen, Verblendeten, der nur nach dem Pendelſchlag der Stunde gerechnet hat! Wenn ich ſie vor Jahren Ihnen zugeführt hätte, vor Monaten noch — —“ „Und wenn es noch jetzt nicht zu ſpät wäre, mein Freund?“ fragte ich. Er aber ſchüttelte den Kopf und antwortete: „es iſt zu ſpät.“ Ich verſprach ihm darauf, die Nacht bei Doro¬ thee zu wachen und bat ihn, für einige Stunden die Ruhe zu ſuchen, deren er ſo dringend bedürfe. „Auch ich werde Ihnen folgen,“ ſagte er und ging nach einem wehmüthigen Blick auf die Schlum¬ mernde in ſein Zimmer. Von Viertelſtunde zu Vier¬

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/212>, abgerufen am 21.11.2024.