François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.Brustwunden und bei der Gewöhnung an starke Getränke Wenn man solch eine Lebensgeschichte durchblättert, Bruſtwunden und bei der Gewöhnung an ſtarke Getränke Wenn man ſolch eine Lebensgeſchichte durchblättert, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0194" n="190"/> Bruſtwunden und bei der Gewöhnung an ſtarke Getränke<lb/> doppelt bedrohlich. Auch ahnte ich, nach langem Still¬<lb/> ſtand, wieder ſo eine Art Kriſis in meinem Leben, die<lb/> ich jedenfalls auf meinem Poſten erwarten wollte.<lb/></p> <p>Wenn man ſolch eine Lebensgeſchichte durchblättert,<lb/> in welcher blos die Hauptactionen Schlag auf Schlag<lb/> in hinlänglicher Breite geſchildert werden, während<lb/> man die dazwiſchen liegende <choice><sic>Ansfüllung</sic><corr>Ausfüllung</corr></choice>, die ſtill um¬<lb/> wandelnde Arbeit der Zeit nur oberflächlich ſtreift, da<lb/> denkt man ſich leicht die Perſonen unverändert in dem<lb/> innerlichen Verhältniß, in welchem ſie bei der letzten<lb/> Scene zu einander geſtanden haben. Und ſo könntet<lb/> auch Ihr, junge, lebhafte Menſchen, wohl wähnen,<lb/> daß ich den alten Bekannten mit den alten leiden¬<lb/> ſchaftlichen Empfindungen, oder mit dem Herzklopfen<lb/> der Schuld entgegenging. Aber ſiebenundzwanzig Jahre<lb/> waren vergangen ſeit ich Dorotheens Heirath erfuhr,<lb/> wie manches Menſchenleben ſpinnt ſich in dieſem<lb/> Zeitraume ab, von der Wiege bis zum Grabe! Und<lb/> wenn ich in demſelben auch keiner hervortretenden, ge¬<lb/> müthlichen Wendepunkte zu erwähnen hatte: eine gänz¬<lb/> lich veränderte Lebensſtellung, eine große, ſtarkempfundene<lb/> Weltepoche, <choice><sic>Nachdenkeu</sic><corr>Nachdenken</corr></choice> und umfaſſende Thätigkeit<lb/> hatten mich zu einer Anderen, die Menſchen von Einſt<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [190/0194]
Bruſtwunden und bei der Gewöhnung an ſtarke Getränke
doppelt bedrohlich. Auch ahnte ich, nach langem Still¬
ſtand, wieder ſo eine Art Kriſis in meinem Leben, die
ich jedenfalls auf meinem Poſten erwarten wollte.
Wenn man ſolch eine Lebensgeſchichte durchblättert,
in welcher blos die Hauptactionen Schlag auf Schlag
in hinlänglicher Breite geſchildert werden, während
man die dazwiſchen liegende Ausfüllung, die ſtill um¬
wandelnde Arbeit der Zeit nur oberflächlich ſtreift, da
denkt man ſich leicht die Perſonen unverändert in dem
innerlichen Verhältniß, in welchem ſie bei der letzten
Scene zu einander geſtanden haben. Und ſo könntet
auch Ihr, junge, lebhafte Menſchen, wohl wähnen,
daß ich den alten Bekannten mit den alten leiden¬
ſchaftlichen Empfindungen, oder mit dem Herzklopfen
der Schuld entgegenging. Aber ſiebenundzwanzig Jahre
waren vergangen ſeit ich Dorotheens Heirath erfuhr,
wie manches Menſchenleben ſpinnt ſich in dieſem
Zeitraume ab, von der Wiege bis zum Grabe! Und
wenn ich in demſelben auch keiner hervortretenden, ge¬
müthlichen Wendepunkte zu erwähnen hatte: eine gänz¬
lich veränderte Lebensſtellung, eine große, ſtarkempfundene
Weltepoche, Nachdenken und umfaſſende Thätigkeit
hatten mich zu einer Anderen, die Menſchen von Einſt
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