kenlosen Freiheit Jahr um Jahr vorüber, in welchem nur der Mechanismus eingelebter Ordnungen mich aufrecht hielt und ich war fünfzig geworden, als sich mir überraschend ein Ausblick öffnete, dem ich in jun¬ gen Tagen gewiß nicht den Rücken gekehrt haben würde.
Ich habe weiter oben flüchtig des Grafen, un¬ seres Nachbars, erwähnt. Ihr kennt und verehrt ihn, meine Freunde; ich brauche daher nicht mehr über ihn zu sagen, als daß ein bedeutender geschäftlicher Verkehr sich zwischen uns erhalten hatte, und daß er schon damals das Vertrauen des Staates und der Stände genoß, wie kein Zweiter unserer provinziellen Ritterschaft, deren Ehrenämter und einflußreichste Stellungen denn auch auf seine Person übertragen wurden. Und auf keinen mit größerem Recht. Er war und ist ein Beamter von dem Schlage, der sich in den preußischen Annalen einen klassi¬ schen Namen erworben hat, ein Mann von sounermüd¬ licher und uneigennütziger Thätigkeit für das Allgemeine, daß seine privaten Angelegenheiten, vor allen die Ver¬ waltung seines bedeutenden Majorats, merklich den Kürzeren dabei zogen.
Ich schätzte den Mann nach seinem Verdienst; auch die Gräfin gehörte zu den wenigen Weibern,
kenloſen Freiheit Jahr um Jahr vorüber, in welchem nur der Mechanismus eingelebter Ordnungen mich aufrecht hielt und ich war fünfzig geworden, als ſich mir überraſchend ein Ausblick öffnete, dem ich in jun¬ gen Tagen gewiß nicht den Rücken gekehrt haben würde.
Ich habe weiter oben flüchtig des Grafen, un¬ ſeres Nachbars, erwähnt. Ihr kennt und verehrt ihn, meine Freunde; ich brauche daher nicht mehr über ihn zu ſagen, als daß ein bedeutender geſchäftlicher Verkehr ſich zwiſchen uns erhalten hatte, und daß er ſchon damals das Vertrauen des Staates und der Stände genoß, wie kein Zweiter unſerer provinziellen Ritterſchaft, deren Ehrenämter und einflußreichſte Stellungen denn auch auf ſeine Perſon übertragen wurden. Und auf keinen mit größerem Recht. Er war und iſt ein Beamter von dem Schlage, der ſich in den preußiſchen Annalen einen klaſſi¬ ſchen Namen erworben hat, ein Mann von ſounermüd¬ licher und uneigennütziger Thätigkeit für das Allgemeine, daß ſeine privaten Angelegenheiten, vor allen die Ver¬ waltung ſeines bedeutenden Majorats, merklich den Kürzeren dabei zogen.
Ich ſchätzte den Mann nach ſeinem Verdienſt; auch die Gräfin gehörte zu den wenigen Weibern,
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kenloſen Freiheit Jahr um Jahr vorüber, in welchem
nur der Mechanismus eingelebter Ordnungen mich
aufrecht hielt und ich war fünfzig geworden, als ſich
mir überraſchend ein Ausblick öffnete, dem ich in jun¬
gen Tagen gewiß nicht den Rücken gekehrt haben
würde.
Ich habe weiter oben flüchtig des Grafen, un¬
ſeres Nachbars, erwähnt. Ihr kennt und verehrt ihn,
meine Freunde; ich brauche daher nicht mehr über ihn
zu ſagen, als daß ein bedeutender geſchäftlicher Verkehr ſich
zwiſchen uns erhalten hatte, und daß er ſchon damals
das Vertrauen des Staates und der Stände genoß,
wie kein Zweiter unſerer provinziellen Ritterſchaft,
deren Ehrenämter und einflußreichſte Stellungen denn
auch auf ſeine Perſon übertragen wurden. Und auf keinen
mit größerem Recht. Er war und iſt ein Beamter von dem
Schlage, der ſich in den preußiſchen Annalen einen klaſſi¬
ſchen Namen erworben hat, ein Mann von ſounermüd¬
licher und uneigennütziger Thätigkeit für das Allgemeine,
daß ſeine privaten Angelegenheiten, vor allen die Ver¬
waltung ſeines bedeutenden Majorats, merklich den
Kürzeren dabei zogen.
Ich ſchätzte den Mann nach ſeinem Verdienſt;
auch die Gräfin gehörte zu den wenigen Weibern,
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/176>, abgerufen am 16.02.2025.
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