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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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legen. Aber sie waren für einen bedeutenden Zweck
mehr als ausreichend, wenn die Persönlichkeit in Be¬
tracht gezogen wird, die frei wie ein König mit ihnen
schalten und walten durfte.

Das Eigenthum an sich hatte wenig Reiz oder
Werth für mich, denn wenn just auch Eicheltrank und
Grützbrei meiner Vorgängerin mir weder genutzt noch
geschmeckt haben würden, so war mir nach Anlage
und Erziehung Einfachheit doch ein Bedürfniß, mehr
als ein Gebot. Meine Werkstatt war meine Flur,
und der bisher innegehaltene Erkerbau, ein klein we¬
nig wohnlicher eingerichtet und ausstaffirt mit dem
altheimischen Geräth, bot hinlänglich Gelaß für die
Stunden der Ruhe. Ich hegte keine ästhetischen Lieb¬
habereien, keine geselligen Bedürfnisse, welche das Zeit¬
wesen mir ohnehin verleidet haben würde; ich war
ohne beanspruchenden Familienzusammenhang und frei
von jener gemüthlichen Liberalität, die, weil sie nicht
"nein" zu sagen vermag, die reichsten Mittel der
Kreuz und Quer zersplittert. Summa Summarum:
Natur und Schicksal hatten mir die Beschränkung leicht
gemacht, welche jedes bildende Streben erheischt.

Was aber solchem Streben erst die Befugniß
giebt: Ort und Stunde, auch sie waren mindestens

legen. Aber ſie waren für einen bedeutenden Zweck
mehr als ausreichend, wenn die Perſönlichkeit in Be¬
tracht gezogen wird, die frei wie ein König mit ihnen
ſchalten und walten durfte.

Das Eigenthum an ſich hatte wenig Reiz oder
Werth für mich, denn wenn juſt auch Eicheltrank und
Grützbrei meiner Vorgängerin mir weder genutzt noch
geſchmeckt haben würden, ſo war mir nach Anlage
und Erziehung Einfachheit doch ein Bedürfniß, mehr
als ein Gebot. Meine Werkſtatt war meine Flur,
und der bisher innegehaltene Erkerbau, ein klein we¬
nig wohnlicher eingerichtet und ausſtaffirt mit dem
altheimiſchen Geräth, bot hinlänglich Gelaß für die
Stunden der Ruhe. Ich hegte keine äſthetiſchen Lieb¬
habereien, keine geſelligen Bedürfniſſe, welche das Zeit¬
weſen mir ohnehin verleidet haben würde; ich war
ohne beanſpruchenden Familienzuſammenhang und frei
von jener gemüthlichen Liberalität, die, weil ſie nicht
„nein“ zu ſagen vermag, die reichſten Mittel der
Kreuz und Quer zerſplittert. Summa Summarum:
Natur und Schickſal hatten mir die Beſchränkung leicht
gemacht, welche jedes bildende Streben erheiſcht.

Was aber ſolchem Streben erſt die Befugniß
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[154/0158] legen. Aber ſie waren für einen bedeutenden Zweck mehr als ausreichend, wenn die Perſönlichkeit in Be¬ tracht gezogen wird, die frei wie ein König mit ihnen ſchalten und walten durfte. Das Eigenthum an ſich hatte wenig Reiz oder Werth für mich, denn wenn juſt auch Eicheltrank und Grützbrei meiner Vorgängerin mir weder genutzt noch geſchmeckt haben würden, ſo war mir nach Anlage und Erziehung Einfachheit doch ein Bedürfniß, mehr als ein Gebot. Meine Werkſtatt war meine Flur, und der bisher innegehaltene Erkerbau, ein klein we¬ nig wohnlicher eingerichtet und ausſtaffirt mit dem altheimiſchen Geräth, bot hinlänglich Gelaß für die Stunden der Ruhe. Ich hegte keine äſthetiſchen Lieb¬ habereien, keine geſelligen Bedürfniſſe, welche das Zeit¬ weſen mir ohnehin verleidet haben würde; ich war ohne beanſpruchenden Familienzuſammenhang und frei von jener gemüthlichen Liberalität, die, weil ſie nicht „nein“ zu ſagen vermag, die reichſten Mittel der Kreuz und Quer zerſplittert. Summa Summarum: Natur und Schickſal hatten mir die Beſchränkung leicht gemacht, welche jedes bildende Streben erheiſcht. Was aber ſolchem Streben erſt die Befugniß giebt: Ort und Stunde, auch ſie waren mindeſtens

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/158>, abgerufen am 28.03.2024.