Zeit seine Anstalt nicht länger ohne Obhut lassen. Nach den zwei unruhvollsten Tagen meines Lebens saß ich um Mitternacht wieder allein in dem todtenstillen Krankenzimmer.
Wie nun in der nächsten Zeit das allgemeine Unheil, weit über alles Vorahnen hinaus, zu Tage trat, wie die überstolzen Sieger von der Stadt Besitz nahmen, die Landestruppen halb und halb als franzö¬ sische Verbündete zurückkehrten; wie die gefangenen Preußen verhöhnt, des Nothdürftigsten baar in Kirchen und Schuppen gepfercht lagen, das stattliche Schloß, in ein verpestendes Lazareth verwandelt, von Freunden und Feinden ausgeplündert ward, wie aller Muth, alle Kraft, aller gute Wille darniederlag; wie Alles sich staunend, geblendet, bewundernd um den unüberwindlichen Kaiser drängte, als er an dem, sieben Jahre später für ihn so verhängnißvollen achtzehnten October durch unser Städchen gen Leipzig jagte, wie ein Jeder nur noch Heil von der Gnade des Gottgesandten erwartete, -- von diesen Eindrücken des Grauens und Ekels laßt mich schweigen. Sie haben die Erinnerung durchwühlt, Jahrelang nachdem das persönliche Herzeleid sich in Frieden gelöst hatte.
Zur Stunde freilich dämpften die persönlichen
Zeit ſeine Anſtalt nicht länger ohne Obhut laſſen. Nach den zwei unruhvollſten Tagen meines Lebens ſaß ich um Mitternacht wieder allein in dem todtenſtillen Krankenzimmer.
Wie nun in der nächſten Zeit das allgemeine Unheil, weit über alles Vorahnen hinaus, zu Tage trat, wie die überſtolzen Sieger von der Stadt Beſitz nahmen, die Landestruppen halb und halb als franzö¬ ſiſche Verbündete zurückkehrten; wie die gefangenen Preußen verhöhnt, des Nothdürftigſten baar in Kirchen und Schuppen gepfercht lagen, das ſtattliche Schloß, in ein verpeſtendes Lazareth verwandelt, von Freunden und Feinden ausgeplündert ward, wie aller Muth, alle Kraft, aller gute Wille darniederlag; wie Alles ſich ſtaunend, geblendet, bewundernd um den unüberwindlichen Kaiſer drängte, als er an dem, ſieben Jahre ſpäter für ihn ſo verhängnißvollen achtzehnten October durch unſer Städchen gen Leipzig jagte, wie ein Jeder nur noch Heil von der Gnade des Gottgeſandten erwartete, — von dieſen Eindrücken des Grauens und Ekels laßt mich ſchweigen. Sie haben die Erinnerung durchwühlt, Jahrelang nachdem das perſönliche Herzeleid ſich in Frieden gelöſt hatte.
Zur Stunde freilich dämpften die perſönlichen
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Zeit ſeine Anſtalt nicht länger ohne Obhut laſſen.
Nach den zwei unruhvollſten Tagen meines Lebens ſaß
ich um Mitternacht wieder allein in dem todtenſtillen
Krankenzimmer.
Wie nun in der nächſten Zeit das allgemeine
Unheil, weit über alles Vorahnen hinaus, zu Tage
trat, wie die überſtolzen Sieger von der Stadt Beſitz
nahmen, die Landestruppen halb und halb als franzö¬
ſiſche Verbündete zurückkehrten; wie die gefangenen
Preußen verhöhnt, des Nothdürftigſten baar in Kirchen
und Schuppen gepfercht lagen, das ſtattliche Schloß, in
ein verpeſtendes Lazareth verwandelt, von Freunden
und Feinden ausgeplündert ward, wie aller Muth, alle
Kraft, aller gute Wille darniederlag; wie Alles ſich
ſtaunend, geblendet, bewundernd um den unüberwindlichen
Kaiſer drängte, als er an dem, ſieben Jahre ſpäter
für ihn ſo verhängnißvollen achtzehnten October durch
unſer Städchen gen Leipzig jagte, wie ein Jeder nur
noch Heil von der Gnade des Gottgeſandten erwartete, —
von dieſen Eindrücken des Grauens und Ekels laßt
mich ſchweigen. Sie haben die Erinnerung durchwühlt,
Jahrelang nachdem das perſönliche Herzeleid ſich in
Frieden gelöſt hatte.
Zur Stunde freilich dämpften die perſönlichen
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/152>, abgerufen am 16.02.2025.
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