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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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diesem unruhvollen Tage; zumeist aber hatte Doro¬
thee, die in ihrer Erregung häufig die vom Freunde ge¬
botene Vorsicht vergaß, ihm ihr gelungenes Incognito
zu danken. Christlieb Taube war bis zum Abend über
Land, der alte Diener in Begräbnißangelegenheiten
früh aus dem Hause entfernt, die Thorfahrt für Be¬
sucher und Neugierige verschlossen worden. Der
Magd durfte vertraut werden, sie war als Auswär¬
tige mit der Vergangenheit des Hauses unbekannt,
und hatte in ihrer blöden Ehrlichkeit von der fremden
Leidtragenden in dem Trauerhause kaum Notiz ge¬
nommen.

Die Freunde hatten unserem Todten Lebewohl
gesagt und mich allein an seinem Sarge in der Kam¬
mer zurückgelassen. Ein Geräusch unter der Thür
weckte mich aus meiner Versunkenheit; es war der
Prediger, der seinen Pflegling vor die Leiche führte,
um dessen Aufmerksamkeit von der heftig erregten
Mutter abzulenken. Wenn er darüber hinaus etwa
einen von dem Soldatenhandwerk abschreckenden Ein¬
druck bezweckte, so hatte sein Plan, nach mancher
weislichen Pläne Art, die entgegengesetzte Wirkung;
er hatte nur die Begierde, das Soldatenblut in dem
Knaben geweckt.

dieſem unruhvollen Tage; zumeiſt aber hatte Doro¬
thee, die in ihrer Erregung häufig die vom Freunde ge¬
botene Vorſicht vergaß, ihm ihr gelungenes Incognito
zu danken. Chriſtlieb Taube war bis zum Abend über
Land, der alte Diener in Begräbnißangelegenheiten
früh aus dem Hauſe entfernt, die Thorfahrt für Be¬
ſucher und Neugierige verschloſſen worden. Der
Magd durfte vertraut werden, ſie war als Auswär¬
tige mit der Vergangenheit des Hauſes unbekannt,
und hatte in ihrer blöden Ehrlichkeit von der fremden
Leidtragenden in dem Trauerhauſe kaum Notiz ge¬
nommen.

Die Freunde hatten unſerem Todten Lebewohl
geſagt und mich allein an ſeinem Sarge in der Kam¬
mer zurückgelaſſen. Ein Geräuſch unter der Thür
weckte mich aus meiner Verſunkenheit; es war der
Prediger, der ſeinen Pflegling vor die Leiche führte,
um deſſen Aufmerkſamkeit von der heftig erregten
Mutter abzulenken. Wenn er darüber hinaus etwa
einen von dem Soldatenhandwerk abſchreckenden Ein¬
druck bezweckte, ſo hatte ſein Plan, nach mancher
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er hatte nur die Begierde, das Soldatenblut in dem
Knaben geweckt.

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[141/0145] dieſem unruhvollen Tage; zumeiſt aber hatte Doro¬ thee, die in ihrer Erregung häufig die vom Freunde ge¬ botene Vorſicht vergaß, ihm ihr gelungenes Incognito zu danken. Chriſtlieb Taube war bis zum Abend über Land, der alte Diener in Begräbnißangelegenheiten früh aus dem Hauſe entfernt, die Thorfahrt für Be¬ ſucher und Neugierige verschloſſen worden. Der Magd durfte vertraut werden, ſie war als Auswär¬ tige mit der Vergangenheit des Hauſes unbekannt, und hatte in ihrer blöden Ehrlichkeit von der fremden Leidtragenden in dem Trauerhauſe kaum Notiz ge¬ nommen. Die Freunde hatten unſerem Todten Lebewohl geſagt und mich allein an ſeinem Sarge in der Kam¬ mer zurückgelaſſen. Ein Geräuſch unter der Thür weckte mich aus meiner Verſunkenheit; es war der Prediger, der ſeinen Pflegling vor die Leiche führte, um deſſen Aufmerkſamkeit von der heftig erregten Mutter abzulenken. Wenn er darüber hinaus etwa einen von dem Soldatenhandwerk abſchreckenden Ein¬ druck bezweckte, ſo hatte ſein Plan, nach mancher weislichen Pläne Art, die entgegengeſetzte Wirkung; er hatte nur die Begierde, das Soldatenblut in dem Knaben geweckt.

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/145>, abgerufen am 25.04.2024.