nun in Folge des Rausches, der vorigen Schwäche, oder blos der kräftigen Abwehr der Reckenburgerin, genug, der Mann taumelte und stürzte die Stufen hinab, eine Blutspur zeigte sich am Boden, der ver¬ witterte Mantel entfiel ihm; das militairische Ehren¬ zeichen, der Stumpf des Armes wurden sichtbar; Fräulein Hardine erbleichte.
Die leichte Verletzung hatte den Berauschten plötzlich entnüchtert. Er richtete sich rasch in die Höhe und stand einen Moment in drohendem Trotz, mit ge¬ ballter Faust der Dame Aug' in Auge. Dann ließ er den Arm sinken und sprach mit einem Stolz, der sich seltsam gegen die vorige Rohheit abhob: "Es ist nicht das erstemal, Fräulein Hardine, daß Sie Ihre Hand gegen mich erhoben haben; aber Gott sei mein Zeuge, es ist das letztemal. Sie werden August Müller nicht wiedersehen. Ich hätte es mir ja den¬ ken können, daß Einer, dessen Dasein in einem Wai¬ senhause verborgen worden ist, nun, da das Elend ihn treibt, für sein mutterloses Kind eine Freistatt zu suchen, von der Schwelle Ihres stolzen Hauses wie ein Verbrecher verjagt werden würde."
Die Blicke der sprachlosen Dame fielen während dieser Schmährede auf das Kind, das hinter dem Va¬
nun in Folge des Rauſches, der vorigen Schwäche, oder blos der kräftigen Abwehr der Reckenburgerin, genug, der Mann taumelte und ſtürzte die Stufen hinab, eine Blutſpur zeigte ſich am Boden, der ver¬ witterte Mantel entfiel ihm; das militairiſche Ehren¬ zeichen, der Stumpf des Armes wurden ſichtbar; Fräulein Hardine erbleichte.
Die leichte Verletzung hatte den Berauſchten plötzlich entnüchtert. Er richtete ſich raſch in die Höhe und ſtand einen Moment in drohendem Trotz, mit ge¬ ballter Fauſt der Dame Aug' in Auge. Dann ließ er den Arm ſinken und ſprach mit einem Stolz, der ſich ſeltſam gegen die vorige Rohheit abhob: „Es iſt nicht das erſtemal, Fräulein Hardine, daß Sie Ihre Hand gegen mich erhoben haben; aber Gott ſei mein Zeuge, es iſt das letztemal. Sie werden Auguſt Müller nicht wiederſehen. Ich hätte es mir ja den¬ ken können, daß Einer, deſſen Daſein in einem Wai¬ ſenhauſe verborgen worden iſt, nun, da das Elend ihn treibt, für ſein mutterloſes Kind eine Freiſtatt zu ſuchen, von der Schwelle Ihres ſtolzen Hauſes wie ein Verbrecher verjagt werden würde.“
Die Blicke der ſprachloſen Dame fielen während dieſer Schmährede auf das Kind, das hinter dem Va¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0083"n="76"/>
nun in Folge des Rauſches, der vorigen Schwäche,<lb/>
oder blos der kräftigen Abwehr der Reckenburgerin,<lb/>
genug, der Mann taumelte und ſtürzte die Stufen<lb/>
hinab, eine Blutſpur zeigte ſich am Boden, der ver¬<lb/>
witterte Mantel entfiel ihm; das militairiſche Ehren¬<lb/>
zeichen, der Stumpf des Armes wurden ſichtbar;<lb/>
Fräulein Hardine erbleichte.</p><lb/><p>Die leichte Verletzung hatte den Berauſchten<lb/>
plötzlich entnüchtert. Er richtete ſich raſch in die Höhe<lb/>
und ſtand einen Moment in drohendem Trotz, mit ge¬<lb/>
ballter Fauſt der Dame Aug' in Auge. Dann ließ<lb/>
er den Arm ſinken und ſprach mit einem Stolz, der<lb/>ſich ſeltſam gegen die vorige Rohheit abhob: „Es iſt<lb/>
nicht das erſtemal, Fräulein Hardine, daß Sie Ihre<lb/>
Hand gegen mich erhoben haben; aber Gott ſei mein<lb/>
Zeuge, es iſt das letztemal. Sie werden Auguſt<lb/>
Müller nicht wiederſehen. Ich hätte es mir ja den¬<lb/>
ken können, daß Einer, deſſen Daſein in einem Wai¬<lb/>ſenhauſe verborgen worden iſt, nun, da das Elend<lb/>
ihn treibt, für ſein mutterloſes Kind eine Freiſtatt zu<lb/>ſuchen, von der Schwelle Ihres ſtolzen Hauſes wie<lb/>
ein Verbrecher verjagt werden würde.“</p><lb/><p>Die Blicke der ſprachloſen Dame fielen während<lb/>
dieſer Schmährede auf das Kind, das hinter dem Va¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[76/0083]
nun in Folge des Rauſches, der vorigen Schwäche,
oder blos der kräftigen Abwehr der Reckenburgerin,
genug, der Mann taumelte und ſtürzte die Stufen
hinab, eine Blutſpur zeigte ſich am Boden, der ver¬
witterte Mantel entfiel ihm; das militairiſche Ehren¬
zeichen, der Stumpf des Armes wurden ſichtbar;
Fräulein Hardine erbleichte.
Die leichte Verletzung hatte den Berauſchten
plötzlich entnüchtert. Er richtete ſich raſch in die Höhe
und ſtand einen Moment in drohendem Trotz, mit ge¬
ballter Fauſt der Dame Aug' in Auge. Dann ließ
er den Arm ſinken und ſprach mit einem Stolz, der
ſich ſeltſam gegen die vorige Rohheit abhob: „Es iſt
nicht das erſtemal, Fräulein Hardine, daß Sie Ihre
Hand gegen mich erhoben haben; aber Gott ſei mein
Zeuge, es iſt das letztemal. Sie werden Auguſt
Müller nicht wiederſehen. Ich hätte es mir ja den¬
ken können, daß Einer, deſſen Daſein in einem Wai¬
ſenhauſe verborgen worden iſt, nun, da das Elend
ihn treibt, für ſein mutterloſes Kind eine Freiſtatt zu
ſuchen, von der Schwelle Ihres ſtolzen Hauſes wie
ein Verbrecher verjagt werden würde.“
Die Blicke der ſprachloſen Dame fielen während
dieſer Schmährede auf das Kind, das hinter dem Va¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/83>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.