mit stolzen Schritten und gehobenen Hauptes. Die Enthüllungen im Wald- und Pfarrhause hatten das, was vor einer Stunde nur noch Verlangen gewesen, zur Gewißheit gesteigert. Was bedurfte er eines Zeug¬ nisses schwarz auf weiß, wo der Zusammenhang so untrüglich mit Händen zu greifen war?
In einem abgelegenen Waldhause wird ein Knabe geboren. Er wird aufgezogen von der Gemeinde¬ pflegerin, welche dieses Haus bewohnt und welche die treueste Dienerin seiner Mutter gewesen ist. Der Ortspfarrer, der Mutter vertrauter Freund, tauft den Knaben und trägt ihn unter dem Namen der Dienerin in das Kirchenregister ein. Ohne Zweifel ist er es auch gewesen, der vorher schon die Ehe der Dame heimlich eingesegnet hat, die Ehe mit irgend einem gleichviel ob zu hoch, ob zu niedrig stehenden beliebigen Quidam. Unter den Schutz dieses bewährten geist¬ lichen Freundes, der indessen an die Spitze einer an¬ ständigen Versorgungsanstalt aufgerückt ist, stellt später die Mutter ihren Knaben. Sie führt ihn persönlich ihm zu, ganz im Geheim. Noch ist sie arm und ab¬ hängig, sie darf ihn nicht öffentlich anerkennen; aber sie überwacht ihn im Stillen, sie sorgt für ihn, straft ihn, sie sucht einen tapferen Soldatensinn in ihm zu
mit ſtolzen Schritten und gehobenen Hauptes. Die Enthüllungen im Wald- und Pfarrhauſe hatten das, was vor einer Stunde nur noch Verlangen geweſen, zur Gewißheit geſteigert. Was bedurfte er eines Zeug¬ niſſes ſchwarz auf weiß, wo der Zuſammenhang ſo untrüglich mit Händen zu greifen war?
In einem abgelegenen Waldhauſe wird ein Knabe geboren. Er wird aufgezogen von der Gemeinde¬ pflegerin, welche dieſes Haus bewohnt und welche die treueſte Dienerin ſeiner Mutter geweſen iſt. Der Ortspfarrer, der Mutter vertrauter Freund, tauft den Knaben und trägt ihn unter dem Namen der Dienerin in das Kirchenregiſter ein. Ohne Zweifel iſt er es auch geweſen, der vorher ſchon die Ehe der Dame heimlich eingeſegnet hat, die Ehe mit irgend einem gleichviel ob zu hoch, ob zu niedrig ſtehenden beliebigen Quidam. Unter den Schutz dieſes bewährten geiſt¬ lichen Freundes, der indeſſen an die Spitze einer an¬ ſtändigen Verſorgungsanſtalt aufgerückt iſt, ſtellt ſpäter die Mutter ihren Knaben. Sie führt ihn perſönlich ihm zu, ganz im Geheim. Noch iſt ſie arm und ab¬ hängig, ſie darf ihn nicht öffentlich anerkennen; aber ſie überwacht ihn im Stillen, ſie ſorgt für ihn, ſtraft ihn, ſie ſucht einen tapferen Soldatenſinn in ihm zu
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0071"n="64"/>
mit ſtolzen Schritten und gehobenen Hauptes. Die<lb/>
Enthüllungen im Wald- und Pfarrhauſe hatten das,<lb/>
was vor einer Stunde nur noch Verlangen geweſen,<lb/>
zur Gewißheit geſteigert. Was bedurfte er eines Zeug¬<lb/>
niſſes ſchwarz auf weiß, wo der Zuſammenhang ſo<lb/>
untrüglich mit Händen zu greifen war?</p><lb/><p>In einem abgelegenen Waldhauſe wird ein Knabe<lb/>
geboren. Er wird aufgezogen von der Gemeinde¬<lb/>
pflegerin, welche dieſes Haus bewohnt und welche die<lb/>
treueſte Dienerin ſeiner Mutter geweſen iſt. Der<lb/>
Ortspfarrer, der Mutter vertrauter Freund, tauft den<lb/>
Knaben und trägt ihn unter dem Namen der Dienerin<lb/>
in das Kirchenregiſter ein. Ohne Zweifel iſt er es<lb/>
auch geweſen, der vorher ſchon die Ehe der Dame<lb/>
heimlich eingeſegnet hat, die Ehe mit irgend einem<lb/>
gleichviel ob zu hoch, ob zu niedrig ſtehenden beliebigen<lb/>
Quidam. Unter den Schutz dieſes bewährten geiſt¬<lb/>
lichen Freundes, der indeſſen an die Spitze einer an¬<lb/>ſtändigen Verſorgungsanſtalt aufgerückt iſt, ſtellt ſpäter<lb/>
die Mutter ihren Knaben. Sie führt ihn perſönlich<lb/>
ihm zu, ganz im Geheim. Noch iſt ſie arm und ab¬<lb/>
hängig, ſie darf ihn nicht öffentlich anerkennen; aber<lb/>ſie überwacht ihn im Stillen, ſie ſorgt für ihn, ſtraft<lb/>
ihn, ſie ſucht einen tapferen Soldatenſinn in ihm zu<lb/></p></div></body></text></TEI>
[64/0071]
mit ſtolzen Schritten und gehobenen Hauptes. Die
Enthüllungen im Wald- und Pfarrhauſe hatten das,
was vor einer Stunde nur noch Verlangen geweſen,
zur Gewißheit geſteigert. Was bedurfte er eines Zeug¬
niſſes ſchwarz auf weiß, wo der Zuſammenhang ſo
untrüglich mit Händen zu greifen war?
In einem abgelegenen Waldhauſe wird ein Knabe
geboren. Er wird aufgezogen von der Gemeinde¬
pflegerin, welche dieſes Haus bewohnt und welche die
treueſte Dienerin ſeiner Mutter geweſen iſt. Der
Ortspfarrer, der Mutter vertrauter Freund, tauft den
Knaben und trägt ihn unter dem Namen der Dienerin
in das Kirchenregiſter ein. Ohne Zweifel iſt er es
auch geweſen, der vorher ſchon die Ehe der Dame
heimlich eingeſegnet hat, die Ehe mit irgend einem
gleichviel ob zu hoch, ob zu niedrig ſtehenden beliebigen
Quidam. Unter den Schutz dieſes bewährten geiſt¬
lichen Freundes, der indeſſen an die Spitze einer an¬
ſtändigen Verſorgungsanſtalt aufgerückt iſt, ſtellt ſpäter
die Mutter ihren Knaben. Sie führt ihn perſönlich
ihm zu, ganz im Geheim. Noch iſt ſie arm und ab¬
hängig, ſie darf ihn nicht öffentlich anerkennen; aber
ſie überwacht ihn im Stillen, ſie ſorgt für ihn, ſtraft
ihn, ſie ſucht einen tapferen Soldatenſinn in ihm zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/71>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.