Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

wohl zu erinnern und das Kirchenregister mußte
darüber Auskunft geben, wo, wann und von wem es
geboren worden war. Mit großen Schritten, seiner
Tochter halbwegs voran, eilte er nach der Pfarre.

Das Pfarrhaus, neuen, stattlichen Ansehens, lag
zu Füßen der Kirche, die auf leiser Anhöhe das Dorf
überragte. Rückwärts, auf dem östlichen Abhange des
Kirchhügels, senkte der Friedhof sich ab, während die
Schule der Pfarrwohnung gegenüber am Eingang der
Dorfstraße errichtet war: neu, reinlich und räumlich
wie diese gesammte Anlage. Dem athemlosen Manne,
der jetzt von der Waldseite daherrannte, fehlte freilich
jeder theilnehmende Blick für alles, was ihm solcher¬
gestalt segenverkündend entgegentrat.

Er war im Begriffe die Thür zu öffnen, als ein
halbwüchsiger Knabe, im bunten Gymnasiastenkäppchen
ihm aus derselben entgegenkam. Zum erstenmale auf
Reckenburger Grund ein offnes, fröhliches Gesicht, das
auf den ersten Blick das Herz unseres Wanderers gewann.

Sein Vater, so antwortete der Schüler auf
August Müllers Frage nach dem Herrn Pfarrer, be¬
finde sich auf dem Schlosse, wo heute, am dritten
August, der Geburtstag des Königs von dem Fräulein
durch ein Festmahl gefeiert werde.

wohl zu erinnern und das Kirchenregiſter mußte
darüber Auskunft geben, wo, wann und von wem es
geboren worden war. Mit großen Schritten, ſeiner
Tochter halbwegs voran, eilte er nach der Pfarre.

Das Pfarrhaus, neuen, ſtattlichen Anſehens, lag
zu Füßen der Kirche, die auf leiſer Anhöhe das Dorf
überragte. Rückwärts, auf dem öſtlichen Abhange des
Kirchhügels, ſenkte der Friedhof ſich ab, während die
Schule der Pfarrwohnung gegenüber am Eingang der
Dorfſtraße errichtet war: neu, reinlich und räumlich
wie dieſe geſammte Anlage. Dem athemloſen Manne,
der jetzt von der Waldſeite daherrannte, fehlte freilich
jeder theilnehmende Blick für alles, was ihm ſolcher¬
geſtalt ſegenverkündend entgegentrat.

Er war im Begriffe die Thür zu öffnen, als ein
halbwüchſiger Knabe, im bunten Gymnaſiaſtenkäppchen
ihm aus derſelben entgegenkam. Zum erſtenmale auf
Reckenburger Grund ein offnes, fröhliches Geſicht, das
auf den erſten Blick das Herz unſeres Wanderers gewann.

Sein Vater, ſo antwortete der Schüler auf
Auguſt Müllers Frage nach dem Herrn Pfarrer, be¬
finde ſich auf dem Schloſſe, wo heute, am dritten
Auguſt, der Geburtstag des Königs von dem Fräulein
durch ein Feſtmahl gefeiert werde.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0067" n="60"/>
wohl zu erinnern und das Kirchenregi&#x017F;ter mußte<lb/>
darüber Auskunft geben, wo, wann und von wem es<lb/>
geboren worden war. Mit großen Schritten, &#x017F;einer<lb/>
Tochter halbwegs voran, eilte er nach der Pfarre.</p><lb/>
        <p>Das Pfarrhaus, neuen, &#x017F;tattlichen An&#x017F;ehens, lag<lb/>
zu Füßen der Kirche, die auf lei&#x017F;er Anhöhe das Dorf<lb/>
überragte. Rückwärts, auf dem ö&#x017F;tlichen Abhange des<lb/>
Kirchhügels, &#x017F;enkte der Friedhof &#x017F;ich ab, während die<lb/>
Schule der Pfarrwohnung gegenüber am Eingang der<lb/>
Dorf&#x017F;traße errichtet war: neu, reinlich und räumlich<lb/>
wie die&#x017F;e ge&#x017F;ammte Anlage. Dem athemlo&#x017F;en Manne,<lb/>
der jetzt von der Wald&#x017F;eite daherrannte, fehlte freilich<lb/>
jeder theilnehmende Blick für alles, was ihm &#x017F;olcher¬<lb/>
ge&#x017F;talt &#x017F;egenverkündend entgegentrat.</p><lb/>
        <p>Er war im Begriffe die Thür zu öffnen, als ein<lb/>
halbwüch&#x017F;iger Knabe, im bunten Gymna&#x017F;ia&#x017F;tenkäppchen<lb/>
ihm aus der&#x017F;elben entgegenkam. Zum er&#x017F;tenmale auf<lb/>
Reckenburger Grund ein offnes, fröhliches Ge&#x017F;icht, das<lb/>
auf den er&#x017F;ten Blick das Herz un&#x017F;eres Wanderers gewann.</p><lb/>
        <p>Sein Vater, &#x017F;o antwortete der Schüler auf<lb/>
Augu&#x017F;t Müllers Frage nach dem Herrn Pfarrer, be¬<lb/>
finde &#x017F;ich auf dem Schlo&#x017F;&#x017F;e, wo heute, am dritten<lb/>
Augu&#x017F;t, der Geburtstag des Königs von dem Fräulein<lb/>
durch ein Fe&#x017F;tmahl gefeiert werde.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0067] wohl zu erinnern und das Kirchenregiſter mußte darüber Auskunft geben, wo, wann und von wem es geboren worden war. Mit großen Schritten, ſeiner Tochter halbwegs voran, eilte er nach der Pfarre. Das Pfarrhaus, neuen, ſtattlichen Anſehens, lag zu Füßen der Kirche, die auf leiſer Anhöhe das Dorf überragte. Rückwärts, auf dem öſtlichen Abhange des Kirchhügels, ſenkte der Friedhof ſich ab, während die Schule der Pfarrwohnung gegenüber am Eingang der Dorfſtraße errichtet war: neu, reinlich und räumlich wie dieſe geſammte Anlage. Dem athemloſen Manne, der jetzt von der Waldſeite daherrannte, fehlte freilich jeder theilnehmende Blick für alles, was ihm ſolcher¬ geſtalt ſegenverkündend entgegentrat. Er war im Begriffe die Thür zu öffnen, als ein halbwüchſiger Knabe, im bunten Gymnaſiaſtenkäppchen ihm aus derſelben entgegenkam. Zum erſtenmale auf Reckenburger Grund ein offnes, fröhliches Geſicht, das auf den erſten Blick das Herz unſeres Wanderers gewann. Sein Vater, ſo antwortete der Schüler auf Auguſt Müllers Frage nach dem Herrn Pfarrer, be¬ finde ſich auf dem Schloſſe, wo heute, am dritten Auguſt, der Geburtstag des Königs von dem Fräulein durch ein Feſtmahl gefeiert werde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/67
Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/67>, abgerufen am 22.11.2024.