Miethe, der Schankwirth die Zeche nicht länger stun¬ den wollten, wo dem unheimischen Manne und seinem Kinde der Schub über die Landesgrenze drohte. Die Noth heischte einen Entschluß und die Noth gab auch die Kraft, ihn zu vollbringen.
Es war wieder einmal eine Zeit, in welcher ein Schrei der Rache gegen einen Erbfeind den Welt¬ theil durchdrang: die Zeit der Griechenerhebung, der schon mancher tapfere Fremdling sich zum Opfer ge¬ bracht, wenngleich noch keine christliche Regierung ihr ihren Beistand geliehen hatte. Auch in dem Arme unseres Veteranen zuckte das Schwert von Vittoria und Waterloo. "Komm Hardine!" sagte er an einem Frühlingsmorgen 1825, "ich will Dich zu Fräulein Hardinen bringen und dann wider den Türken ziehen!" Und an der Hand sein Kind, in der Tasche dessen "Familienpapiere", und sonst nicht viel mehr, so schritt er aus dem Thore der kleinen niederländischen Stadt.
Freilich der Weg war weit aus dem Maaß- in das Elbgebiet; der Beutel war leer, Athem und Kraft nur noch gering. Die alten Nachbarn und Zechbrü¬ der schüttelten die Köpfe und meinten, daß dieser Wan¬ dersmann weder im Kampfe gegen Ali-Pascha, noch
Miethe, der Schankwirth die Zeche nicht länger ſtun¬ den wollten, wo dem unheimiſchen Manne und ſeinem Kinde der Schub über die Landesgrenze drohte. Die Noth heiſchte einen Entſchluß und die Noth gab auch die Kraft, ihn zu vollbringen.
Es war wieder einmal eine Zeit, in welcher ein Schrei der Rache gegen einen Erbfeind den Welt¬ theil durchdrang: die Zeit der Griechenerhebung, der ſchon mancher tapfere Fremdling ſich zum Opfer ge¬ bracht, wenngleich noch keine chriſtliche Regierung ihr ihren Beiſtand geliehen hatte. Auch in dem Arme unſeres Veteranen zuckte das Schwert von Vittoria und Waterloo. „Komm Hardine!“ ſagte er an einem Frühlingsmorgen 1825, „ich will Dich zu Fräulein Hardinen bringen und dann wider den Türken ziehen!“ Und an der Hand ſein Kind, in der Taſche deſſen „Familienpapiere“, und ſonſt nicht viel mehr, ſo ſchritt er aus dem Thore der kleinen niederländiſchen Stadt.
Freilich der Weg war weit aus dem Maaß- in das Elbgebiet; der Beutel war leer, Athem und Kraft nur noch gering. Die alten Nachbarn und Zechbrü¬ der ſchüttelten die Köpfe und meinten, daß dieſer Wan¬ dersmann weder im Kampfe gegen Ali-Paſcha, noch
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Miethe, der Schankwirth die Zeche nicht länger ſtun¬
den wollten, wo dem unheimiſchen Manne und ſeinem
Kinde der Schub über die Landesgrenze drohte. Die
Noth heiſchte einen Entſchluß und die Noth gab auch
die Kraft, ihn zu vollbringen.
Es war wieder einmal eine Zeit, in welcher
ein Schrei der Rache gegen einen Erbfeind den Welt¬
theil durchdrang: die Zeit der Griechenerhebung, der
ſchon mancher tapfere Fremdling ſich zum Opfer ge¬
bracht, wenngleich noch keine chriſtliche Regierung ihr
ihren Beiſtand geliehen hatte. Auch in dem Arme
unſeres Veteranen zuckte das Schwert von Vittoria
und Waterloo. „Komm Hardine!“ ſagte er an einem
Frühlingsmorgen 1825, „ich will Dich zu Fräulein
Hardinen bringen und dann wider den Türken ziehen!“
Und an der Hand ſein Kind, in der Taſche deſſen
„Familienpapiere“, und ſonſt nicht viel mehr, ſo
ſchritt er aus dem Thore der kleinen niederländiſchen
Stadt.
Freilich der Weg war weit aus dem Maaß- in
das Elbgebiet; der Beutel war leer, Athem und Kraft
nur noch gering. Die alten Nachbarn und Zechbrü¬
der ſchüttelten die Köpfe und meinten, daß dieſer Wan¬
dersmann weder im Kampfe gegen Ali-Paſcha, noch
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/48>, abgerufen am 31.07.2024.
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