zu bleiben -- der Invalid bäumte sich wie ein ange¬ schossener Hirsch. Er fühlte seine alten Wunden hef¬ tiger brennen als zu der Zeit, da die schwarze Lisette sie auf dem Schlachtfelde verbunden hatte, er wich keinen Schritt aus der dunklen Kammer, so lange die¬ selbe die Leiche barg.
Nun aber deckte sie die Erde. Er hatte ihr nicht gebührendlich mit Sang und Klang die letzte Ehre er¬ weisen können, aber er war es gewohnt, einen braven Kameraden mit einem Trauermarsche zur Grube zu geleiten und mit einer lustigen Weise heimzukehren. Am Abend saß er in dem Weinhause, aus welchem man ihn vor drei Tagen in die Sterbekammer abbe¬ rufen hatte. Der Schoppen kreiste, die Würfel roll¬ ten wie sonst. Das Weib, die Mutter Lisette waren verschwunden, und bald nur die lustige Marketende¬ rin noch eine stehende Figur in den Bildern, die sich unter dem Banner des schwarzen, wie des eiser¬ nen Herzogs vor seinen Augen entrollten.
Und wieder gingen Jahre dahin, aus welchen die kleine Hardine keine Erinnerung bewahrte, als daß sie oftmals hungerte und immer fror. Ein blödes, zitterndes, trübseliges Geschöpf, schlich sie am Morgen aus der kalten, immer leerer werdenden Kammer,
zu bleiben — der Invalid bäumte ſich wie ein ange¬ ſchoſſener Hirſch. Er fühlte ſeine alten Wunden hef¬ tiger brennen als zu der Zeit, da die ſchwarze Liſette ſie auf dem Schlachtfelde verbunden hatte, er wich keinen Schritt aus der dunklen Kammer, ſo lange die¬ ſelbe die Leiche barg.
Nun aber deckte ſie die Erde. Er hatte ihr nicht gebührendlich mit Sang und Klang die letzte Ehre er¬ weiſen können, aber er war es gewohnt, einen braven Kameraden mit einem Trauermarſche zur Grube zu geleiten und mit einer luſtigen Weiſe heimzukehren. Am Abend ſaß er in dem Weinhauſe, aus welchem man ihn vor drei Tagen in die Sterbekammer abbe¬ rufen hatte. Der Schoppen kreiſte, die Würfel roll¬ ten wie ſonſt. Das Weib, die Mutter Liſette waren verſchwunden, und bald nur die luſtige Marketende¬ rin noch eine ſtehende Figur in den Bildern, die ſich unter dem Banner des ſchwarzen, wie des eiſer¬ nen Herzogs vor ſeinen Augen entrollten.
Und wieder gingen Jahre dahin, aus welchen die kleine Hardine keine Erinnerung bewahrte, als daß ſie oftmals hungerte und immer fror. Ein blödes, zitterndes, trübſeliges Geſchöpf, ſchlich ſie am Morgen aus der kalten, immer leerer werdenden Kammer,
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zu bleiben — der Invalid bäumte ſich wie ein ange¬
ſchoſſener Hirſch. Er fühlte ſeine alten Wunden hef¬
tiger brennen als zu der Zeit, da die ſchwarze Liſette
ſie auf dem Schlachtfelde verbunden hatte, er wich
keinen Schritt aus der dunklen Kammer, ſo lange die¬
ſelbe die Leiche barg.
Nun aber deckte ſie die Erde. Er hatte ihr nicht
gebührendlich mit Sang und Klang die letzte Ehre er¬
weiſen können, aber er war es gewohnt, einen braven
Kameraden mit einem Trauermarſche zur Grube zu
geleiten und mit einer luſtigen Weiſe heimzukehren.
Am Abend ſaß er in dem Weinhauſe, aus welchem
man ihn vor drei Tagen in die Sterbekammer abbe¬
rufen hatte. Der Schoppen kreiſte, die Würfel roll¬
ten wie ſonſt. Das Weib, die Mutter Liſette waren
verſchwunden, und bald nur die luſtige Marketende¬
rin noch eine ſtehende Figur in den Bildern, die
ſich unter dem Banner des ſchwarzen, wie des eiſer¬
nen Herzogs vor ſeinen Augen entrollten.
Und wieder gingen Jahre dahin, aus welchen
die kleine Hardine keine Erinnerung bewahrte, als daß
ſie oftmals hungerte und immer fror. Ein blödes,
zitterndes, trübſeliges Geſchöpf, ſchlich ſie am Morgen
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/46>, abgerufen am 16.02.2025.
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