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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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"Und Dir schwant auch gar nicht, wer der Mann
gewesen ist, vor dessen Leichnam man Dich heute ge¬
führt?" -- Ein Major? sagte ich. -- "Ein Major nun
freilich," versetzte die Alte ärgerlich. -- Ein Major für
Seine Churfürstliche Gnaden; ich meine aber, was
er für Dich, August, gewesen ist?" -- Ich schüttelte
wiederum den Kopf.

"Nun so vernimm es denn, August, -- sagte die
Beckern feierlich wie die Hexe im alten Testament: --
der Mann ist Dein Großvater gewesen, denn Fräulein
Hardine ist Deine Mutter." --

"Die Wahrheit zu sagen, ich war dazumal in
derlei Historien wie ein ungeschorenes Lamm. Das
einsame Waisenhaus führte mit Fug seinen Kloster¬
titel; Angehörige, die wir besuchten, hatte keiner von
uns und alles was eine Schürze trug, wenn es nicht
lahm und grau war wie die Beckern, wurde von der
Anstalt fern gehalten wie ein Zunder. Die Lehrer
waren unverheirathete Anfänger, warm aus dem Se¬
minar, der Probst ein Wittmann. So merkten wir
denn nichts von Küchengeträtsch und Klatsch und ich
argwohnte durchaus nicht, welch ein gefährlicher Leu¬
mund über Fräulein Hardinen mir in's Ohr geträufelt
ward. Ich würde mir jedoch jede Andere als sie

„Und Dir ſchwant auch gar nicht, wer der Mann
geweſen iſt, vor deſſen Leichnam man Dich heute ge¬
führt?“ — Ein Major? ſagte ich. — „Ein Major nun
freilich,“ verſetzte die Alte ärgerlich. — Ein Major für
Seine Churfürſtliche Gnaden; ich meine aber, was
er für Dich, Auguſt, geweſen iſt?“ — Ich ſchüttelte
wiederum den Kopf.

„Nun ſo vernimm es denn, Auguſt, — ſagte die
Beckern feierlich wie die Hexe im alten Teſtament: —
der Mann iſt Dein Großvater geweſen, denn Fräulein
Hardine iſt Deine Mutter.“ —

„Die Wahrheit zu ſagen, ich war dazumal in
derlei Hiſtorien wie ein ungeſchorenes Lamm. Das
einſame Waiſenhaus führte mit Fug ſeinen Kloſter¬
titel; Angehörige, die wir beſuchten, hatte keiner von
uns und alles was eine Schürze trug, wenn es nicht
lahm und grau war wie die Beckern, wurde von der
Anſtalt fern gehalten wie ein Zunder. Die Lehrer
waren unverheirathete Anfänger, warm aus dem Se¬
minar, der Probſt ein Wittmann. So merkten wir
denn nichts von Küchengeträtſch und Klatſch und ich
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ward. Ich würde mir jedoch jede Andere als ſie

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[27/0034] „Und Dir ſchwant auch gar nicht, wer der Mann geweſen iſt, vor deſſen Leichnam man Dich heute ge¬ führt?“ — Ein Major? ſagte ich. — „Ein Major nun freilich,“ verſetzte die Alte ärgerlich. — Ein Major für Seine Churfürſtliche Gnaden; ich meine aber, was er für Dich, Auguſt, geweſen iſt?“ — Ich ſchüttelte wiederum den Kopf. „Nun ſo vernimm es denn, Auguſt, — ſagte die Beckern feierlich wie die Hexe im alten Teſtament: — der Mann iſt Dein Großvater geweſen, denn Fräulein Hardine iſt Deine Mutter.“ — „Die Wahrheit zu ſagen, ich war dazumal in derlei Hiſtorien wie ein ungeſchorenes Lamm. Das einſame Waiſenhaus führte mit Fug ſeinen Kloſter¬ titel; Angehörige, die wir beſuchten, hatte keiner von uns und alles was eine Schürze trug, wenn es nicht lahm und grau war wie die Beckern, wurde von der Anſtalt fern gehalten wie ein Zunder. Die Lehrer waren unverheirathete Anfänger, warm aus dem Se¬ minar, der Probſt ein Wittmann. So merkten wir denn nichts von Küchengeträtſch und Klatſch und ich argwohnte durchaus nicht, welch ein gefährlicher Leu¬ mund über Fräulein Hardinen mir in's Ohr geträufelt ward. Ich würde mir jedoch jede Andere als ſie

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/34>, abgerufen am 24.11.2024.