Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

tief im eignen. Dorothee war völlig sorglos. Ein¬
mal fragte sie mich ängstlich, ob die sächsische Armee
auch mit in den Krieg ziehe? und als ich die Frage
verneinte, lächelte sie seelenvergnügt. Ein Siegmund
Faber, welcher der Gefahr täglich näher entgegenrückte,
schien für sie nicht auf der Welt zu sein.

Es war am Nachmittage des zweiten August, daß
der Prinz stürmisch aufgeregt bei uns eintrat; er
brachte Braunschweigs Manifest aus dem Hauptquartiere
Koblenz. All seine Begeisterung war wieder ange¬
facht; er bat dem bewährten Feldherrn seine Zweifel
ab. "Der Himmel sei gepriesen," so rief er, "des
Königs ritterlicher Geist hat über die schnöde Eigen¬
sucht gesiegt. Das ist der Tenor, der die entfesselte
Bestie in den Käfig zurücke treibt. Nun rasch nur
geharnischte Thaten auf das geharnischte Wort und
am Tage des heiligen Ludwig setzen wir seine jetzt gefähr¬
dete Krone frischerglänzend auf des Enkels Haupt."

Er weilte nur wenige Minuten, umarmte den
Vater, drückte uns Frauen die Hand und stürmte von
dannen. Er hatte nicht Lebewohl gesagt, aber wir
wußten, daß es ein Abschied war, -- vielleicht für's
Leben. --

tief im eignen. Dorothee war völlig ſorglos. Ein¬
mal fragte ſie mich ängſtlich, ob die ſächſiſche Armee
auch mit in den Krieg ziehe? und als ich die Frage
verneinte, lächelte ſie ſeelenvergnügt. Ein Siegmund
Faber, welcher der Gefahr täglich näher entgegenrückte,
ſchien für ſie nicht auf der Welt zu ſein.

Es war am Nachmittage des zweiten Auguſt, daß
der Prinz ſtürmiſch aufgeregt bei uns eintrat; er
brachte Braunſchweigs Manifeſt aus dem Hauptquartiere
Koblenz. All ſeine Begeiſterung war wieder ange¬
facht; er bat dem bewährten Feldherrn ſeine Zweifel
ab. „Der Himmel ſei geprieſen,“ ſo rief er, „des
Königs ritterlicher Geiſt hat über die ſchnöde Eigen¬
ſucht geſiegt. Das iſt der Tenor, der die entfeſſelte
Beſtie in den Käfig zurücke treibt. Nun raſch nur
geharniſchte Thaten auf das geharniſchte Wort und
am Tage des heiligen Ludwig ſetzen wir ſeine jetzt gefähr¬
dete Krone friſcherglänzend auf des Enkels Haupt.“

Er weilte nur wenige Minuten, umarmte den
Vater, drückte uns Frauen die Hand und ſtürmte von
dannen. Er hatte nicht Lebewohl geſagt, aber wir
wußten, daß es ein Abſchied war, — vielleicht für's
Leben. —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0270" n="263"/>
tief im eignen. Dorothee war völlig &#x017F;orglos. Ein¬<lb/>
mal fragte &#x017F;ie mich äng&#x017F;tlich, ob die &#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;che Armee<lb/>
auch mit in den Krieg ziehe? und als ich die Frage<lb/>
verneinte, lächelte &#x017F;ie &#x017F;eelenvergnügt. Ein Siegmund<lb/>
Faber, welcher der Gefahr täglich näher entgegenrückte,<lb/>
&#x017F;chien für &#x017F;ie nicht auf der Welt zu &#x017F;ein.</p><lb/>
        <p>Es war am Nachmittage des zweiten Augu&#x017F;t, daß<lb/>
der Prinz &#x017F;türmi&#x017F;ch aufgeregt bei uns eintrat; er<lb/>
brachte Braun&#x017F;chweigs Manife&#x017F;t aus dem Hauptquartiere<lb/>
Koblenz. All &#x017F;eine Begei&#x017F;terung war wieder ange¬<lb/>
facht; er bat dem bewährten Feldherrn &#x017F;eine Zweifel<lb/>
ab. &#x201E;Der Himmel &#x017F;ei geprie&#x017F;en,&#x201C; &#x017F;o rief er, &#x201E;des<lb/>
Königs ritterlicher Gei&#x017F;t hat über die &#x017F;chnöde Eigen¬<lb/>
&#x017F;ucht ge&#x017F;iegt. Das i&#x017F;t der Tenor, der die entfe&#x017F;&#x017F;elte<lb/>
Be&#x017F;tie in den Käfig zurücke treibt. Nun ra&#x017F;ch nur<lb/>
geharni&#x017F;chte Thaten auf das geharni&#x017F;chte Wort und<lb/>
am Tage des heiligen Ludwig &#x017F;etzen wir &#x017F;eine jetzt gefähr¬<lb/>
dete Krone fri&#x017F;cherglänzend auf des Enkels Haupt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er weilte nur wenige Minuten, umarmte den<lb/>
Vater, drückte uns Frauen die Hand und &#x017F;türmte von<lb/>
dannen. Er hatte nicht Lebewohl ge&#x017F;agt, aber wir<lb/>
wußten, daß es ein Ab&#x017F;chied war, &#x2014; vielleicht für's<lb/>
Leben. &#x2014;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[263/0270] tief im eignen. Dorothee war völlig ſorglos. Ein¬ mal fragte ſie mich ängſtlich, ob die ſächſiſche Armee auch mit in den Krieg ziehe? und als ich die Frage verneinte, lächelte ſie ſeelenvergnügt. Ein Siegmund Faber, welcher der Gefahr täglich näher entgegenrückte, ſchien für ſie nicht auf der Welt zu ſein. Es war am Nachmittage des zweiten Auguſt, daß der Prinz ſtürmiſch aufgeregt bei uns eintrat; er brachte Braunſchweigs Manifeſt aus dem Hauptquartiere Koblenz. All ſeine Begeiſterung war wieder ange¬ facht; er bat dem bewährten Feldherrn ſeine Zweifel ab. „Der Himmel ſei geprieſen,“ ſo rief er, „des Königs ritterlicher Geiſt hat über die ſchnöde Eigen¬ ſucht geſiegt. Das iſt der Tenor, der die entfeſſelte Beſtie in den Käfig zurücke treibt. Nun raſch nur geharniſchte Thaten auf das geharniſchte Wort und am Tage des heiligen Ludwig ſetzen wir ſeine jetzt gefähr¬ dete Krone friſcherglänzend auf des Enkels Haupt.“ Er weilte nur wenige Minuten, umarmte den Vater, drückte uns Frauen die Hand und ſtürmte von dannen. Er hatte nicht Lebewohl geſagt, aber wir wußten, daß es ein Abſchied war, — vielleicht für's Leben. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/270
Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/270>, abgerufen am 24.11.2024.