das Schlachtfeld sei, und daß der Conflict, welcher uns Alle bedrohlich umspann, nur durch sein Scheiden eine Lösung fände. Ich billigte daher des Prinzen kriegerischen Entschluß, unterstützte ihn ihm gegenüber und dennoch, dennoch athmete ich auf wie erlöst, wenn er wieder einen neuen Grund des Hinhaltens und Verweilens aufgefunden hatte.
Das Regiment Weimar, dem er zugetheilt war, brach auf ohne ihn. "Cunctator Braunschweig wird sich nicht übereilen," so hieß es, "ich erreiche den Rhein früher als er." Dann wieder sollte das "Ma¬ rionettenspiel" der Kaiserkrönung in Frankfurt vorüber gelassen werden, und endlich selber, als der König nach der Begegnung mit Franz II. sich nach Mainz begab, sah er noch hinlängliche Weile, bis jener sich mit der Armee jenseits des Rheins vereint haben werde. Mein Vater schüttelte den Kopf zu dieser plötzlichen Lässig¬ keit. "Da sieht man's" so meinte er, welch' ein eigen Ding es für einen Sachsen ist, und wäre es zum stolzesten Fluge, sich unter die preußischen Adlerfänge zu bequemen."
Ich schwieg, denn ich verstand den Kampf zwischen Epos und Roman in diesem jungen Herzen, fühlte ihn
das Schlachtfeld ſei, und daß der Conflict, welcher uns Alle bedrohlich umſpann, nur durch ſein Scheiden eine Löſung fände. Ich billigte daher des Prinzen kriegeriſchen Entſchluß, unterſtützte ihn ihm gegenüber und dennoch, dennoch athmete ich auf wie erlöſt, wenn er wieder einen neuen Grund des Hinhaltens und Verweilens aufgefunden hatte.
Das Regiment Weimar, dem er zugetheilt war, brach auf ohne ihn. „Cunctator Braunſchweig wird ſich nicht übereilen,“ ſo hieß es, „ich erreiche den Rhein früher als er.“ Dann wieder ſollte das „Ma¬ rionettenſpiel“ der Kaiſerkrönung in Frankfurt vorüber gelaſſen werden, und endlich ſelber, als der König nach der Begegnung mit Franz II. ſich nach Mainz begab, ſah er noch hinlängliche Weile, bis jener ſich mit der Armee jenſeits des Rheins vereint haben werde. Mein Vater ſchüttelte den Kopf zu dieſer plötzlichen Läſſig¬ keit. „Da ſieht man's“ ſo meinte er, welch' ein eigen Ding es für einen Sachſen iſt, und wäre es zum ſtolzeſten Fluge, ſich unter die preußiſchen Adlerfänge zu bequemen.“
Ich ſchwieg, denn ich verſtand den Kampf zwiſchen Epos und Roman in dieſem jungen Herzen, fühlte ihn
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das Schlachtfeld ſei, und daß der Conflict, welcher
uns Alle bedrohlich umſpann, nur durch ſein Scheiden
eine Löſung fände. Ich billigte daher des Prinzen
kriegeriſchen Entſchluß, unterſtützte ihn ihm gegenüber
und dennoch, dennoch athmete ich auf wie erlöſt, wenn
er wieder einen neuen Grund des Hinhaltens und
Verweilens aufgefunden hatte.
Das Regiment Weimar, dem er zugetheilt war,
brach auf ohne ihn. „Cunctator Braunſchweig wird
ſich nicht übereilen,“ ſo hieß es, „ich erreiche den
Rhein früher als er.“ Dann wieder ſollte das „Ma¬
rionettenſpiel“ der Kaiſerkrönung in Frankfurt vorüber
gelaſſen werden, und endlich ſelber, als der König nach
der Begegnung mit Franz II. ſich nach Mainz begab,
ſah er noch hinlängliche Weile, bis jener ſich mit der
Armee jenſeits des Rheins vereint haben werde. Mein
Vater ſchüttelte den Kopf zu dieſer plötzlichen Läſſig¬
keit. „Da ſieht man's“ ſo meinte er, welch' ein eigen
Ding es für einen Sachſen iſt, und wäre es zum
ſtolzeſten Fluge, ſich unter die preußiſchen Adlerfänge
zu bequemen.“
Ich ſchwieg, denn ich verſtand den Kampf zwiſchen
Epos und Roman in dieſem jungen Herzen, fühlte ihn
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/269>, abgerufen am 31.07.2024.
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