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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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seine einsame Braut an ihre Pflicht zu mahnen?
Warum schrieb er nicht? Warum kehrte er nicht,
und wäre es auf eine Stunde, vor dem Aufbruch in's
Feld zu ihr zurück? Warum traute er in sorglosem
Wissens- und Thatendrange blindlings einem Worte,
das nur Ueberraschung dem unerfahrenen Kinde abge¬
lockt hatte? einem herkömmlichen Gesetze der Treu,
zu welchem das Herz nicht ja gesagt? Hatte der Mann
über dem Zergliedern der Nerven und Bänder des
Leibes, den Nerv und das Band der Seele zu prüfen
versäumt? Oder hatte er deren Schwachheit an dem
Maße seiner eigenen Schwachheit erkannt und das
Wagniß der Treue von vornherein als Thorheit auf¬
gegeben? Alle diese Entschuldigungen habe ich mir
jetzt und später oft genug wiederholt, und -- sie ha¬
ben mich niemals entschuldigt.

Indessen nicht meine apprehensive Stimmung
allein, auch äußerliche Merkzeichen wurden für mich
zum Verräther. Wer beschreibt den geheimnißvollen
Schimmer über dem Leben und Weben eines Glück¬
lichen? Wer beschriebe ihn zumal über dem Leben
und Weben einer so freudigen Natur wie Dorotheens?
Ich sah den Rückstrahl ihres erfüllten Gemüths, und

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ſeine einſame Braut an ihre Pflicht zu mahnen?
Warum ſchrieb er nicht? Warum kehrte er nicht,
und wäre es auf eine Stunde, vor dem Aufbruch in's
Feld zu ihr zurück? Warum traute er in ſorgloſem
Wiſſens- und Thatendrange blindlings einem Worte,
das nur Ueberraſchung dem unerfahrenen Kinde abge¬
lockt hatte? einem herkömmlichen Geſetze der Treu,
zu welchem das Herz nicht ja geſagt? Hatte der Mann
über dem Zergliedern der Nerven und Bänder des
Leibes, den Nerv und das Band der Seele zu prüfen
verſäumt? Oder hatte er deren Schwachheit an dem
Maße ſeiner eigenen Schwachheit erkannt und das
Wagniß der Treue von vornherein als Thorheit auf¬
gegeben? Alle dieſe Entſchuldigungen habe ich mir
jetzt und ſpäter oft genug wiederholt, und — ſie ha¬
ben mich niemals entſchuldigt.

Indeſſen nicht meine apprehenſive Stimmung
allein, auch äußerliche Merkzeichen wurden für mich
zum Verräther. Wer beſchreibt den geheimnißvollen
Schimmer über dem Leben und Weben eines Glück¬
lichen? Wer beſchriebe ihn zumal über dem Leben
und Weben einer ſo freudigen Natur wie Dorotheens?
Ich ſah den Rückſtrahl ihres erfüllten Gemüths, und

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[259/0266] ſeine einſame Braut an ihre Pflicht zu mahnen? Warum ſchrieb er nicht? Warum kehrte er nicht, und wäre es auf eine Stunde, vor dem Aufbruch in's Feld zu ihr zurück? Warum traute er in ſorgloſem Wiſſens- und Thatendrange blindlings einem Worte, das nur Ueberraſchung dem unerfahrenen Kinde abge¬ lockt hatte? einem herkömmlichen Geſetze der Treu, zu welchem das Herz nicht ja geſagt? Hatte der Mann über dem Zergliedern der Nerven und Bänder des Leibes, den Nerv und das Band der Seele zu prüfen verſäumt? Oder hatte er deren Schwachheit an dem Maße ſeiner eigenen Schwachheit erkannt und das Wagniß der Treue von vornherein als Thorheit auf¬ gegeben? Alle dieſe Entſchuldigungen habe ich mir jetzt und ſpäter oft genug wiederholt, und — ſie ha¬ ben mich niemals entſchuldigt. Indeſſen nicht meine apprehenſive Stimmung allein, auch äußerliche Merkzeichen wurden für mich zum Verräther. Wer beſchreibt den geheimnißvollen Schimmer über dem Leben und Weben eines Glück¬ lichen? Wer beſchriebe ihn zumal über dem Leben und Weben einer ſo freudigen Natur wie Dorotheens? Ich ſah den Rückſtrahl ihres erfüllten Gemüths, und 17*

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/266>, abgerufen am 22.11.2024.