stituirt, um derlei naturalistische Ausschweifungen zu vertragen. Nun aber an ihrem stolzesten Tage einen Prinzen von Geblüt die Lippen auf einer Schenkdirne Lippen drücken zu sehen, und wie zu drücken, -- so sonder Kunst und Methode! -- sie hat sich von diesem schauderhaften Bilde niemals erholt; es war der To¬ desstreich, der sie getroffen.
Er küßt ihren Mund, umschlingt sie, preßt sie an seine Brust und jagt mit ihr durch den Saal. Im rasenden Tempo löst sich die blaue Schleife aus ihrem Haar; er reißt sie an sich und birgt sie an seinem Herzen. Das goldene Gelock wallt und weht im Wirbel bis zu den Knieen hinab. Die Ordnung ist aufgelöst. Singend, jauchzend, athemlos stürmen alle Paare hinter dem ersten drein. Ganz zuletzt auch Jungfer Ehrenhardine nach einem züchtigen Handkuß ihres Junkerchens.
Da jählings -- halt! Der Festordner hat Trom¬ peten und Pauken das Schweigsignal zugewinkt. Noch sehe ich, wie Dorothee, gleich einem gescheuchten Reh, durch die Seitenthür verschwindet, wie der Prinz ein schäumendes Glas hinunterstürzt. Dann wirft mir die Mutter die eigne Saloppe über den Kopf. Wirr und jäh drängt alles nach dem Ausgang.
ſtituirt, um derlei naturaliſtiſche Ausſchweifungen zu vertragen. Nun aber an ihrem ſtolzeſten Tage einen Prinzen von Geblüt die Lippen auf einer Schenkdirne Lippen drücken zu ſehen, und wie zu drücken, — ſo ſonder Kunſt und Methode! — ſie hat ſich von dieſem ſchauderhaften Bilde niemals erholt; es war der To¬ desſtreich, der ſie getroffen.
Er küßt ihren Mund, umſchlingt ſie, preßt ſie an ſeine Bruſt und jagt mit ihr durch den Saal. Im raſenden Tempo löſt ſich die blaue Schleife aus ihrem Haar; er reißt ſie an ſich und birgt ſie an ſeinem Herzen. Das goldene Gelock wallt und weht im Wirbel bis zu den Knieen hinab. Die Ordnung iſt aufgelöſt. Singend, jauchzend, athemlos ſtürmen alle Paare hinter dem erſten drein. Ganz zuletzt auch Jungfer Ehrenhardine nach einem züchtigen Handkuß ihres Junkerchens.
Da jählings — halt! Der Feſtordner hat Trom¬ peten und Pauken das Schweigſignal zugewinkt. Noch ſehe ich, wie Dorothee, gleich einem geſcheuchten Reh, durch die Seitenthür verſchwindet, wie der Prinz ein ſchäumendes Glas hinunterſtürzt. Dann wirft mir die Mutter die eigne Saloppe über den Kopf. Wirr und jäh drängt alles nach dem Ausgang.
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ſtituirt, um derlei naturaliſtiſche Ausſchweifungen zu
vertragen. Nun aber an ihrem ſtolzeſten Tage einen
Prinzen von Geblüt die Lippen auf einer Schenkdirne
Lippen drücken zu ſehen, und wie zu drücken, — ſo
ſonder Kunſt und Methode! — ſie hat ſich von dieſem
ſchauderhaften Bilde niemals erholt; es war der To¬
desſtreich, der ſie getroffen.
Er küßt ihren Mund, umſchlingt ſie, preßt ſie
an ſeine Bruſt und jagt mit ihr durch den Saal.
Im raſenden Tempo löſt ſich die blaue Schleife aus
ihrem Haar; er reißt ſie an ſich und birgt ſie an
ſeinem Herzen. Das goldene Gelock wallt und weht
im Wirbel bis zu den Knieen hinab. Die Ordnung
iſt aufgelöſt. Singend, jauchzend, athemlos ſtürmen
alle Paare hinter dem erſten drein. Ganz zuletzt auch
Jungfer Ehrenhardine nach einem züchtigen Handkuß
ihres Junkerchens.
Da jählings — halt! Der Feſtordner hat Trom¬
peten und Pauken das Schweigſignal zugewinkt. Noch
ſehe ich, wie Dorothee, gleich einem geſcheuchten Reh,
durch die Seitenthür verſchwindet, wie der Prinz ein
ſchäumendes Glas hinunterſtürzt. Dann wirft mir
die Mutter die eigne Saloppe über den Kopf. Wirr
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/252>, abgerufen am 31.07.2024.
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