Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

stens einen armen Schuldner von seiner Sclaven¬
kette zu befreien?"

Ich kann nicht sagen, daß diese kameradschaft¬
liche Einführung besonders nach meinem Geschmack
gewesen wäre. Aber ich merkte kaum auf den Sinn
der leichtfertigen Plauderei; ich lauschte nur dem mu¬
sikalischen Klang, der biegsamen, impulsiven Melodie
der Stimme, die gleich einem Zauber das Herz um¬
spann.

Das Orchester hob während der letzten Worte
die Weise eines Wiener Walzers an und ich las in
den neidischen Blicken meiner Mitschwestern, daß man
den Prinzen für meinen Tänzer hielt. Der brave
Vortänzer stürzte sich heldenmüthig auf die beleidigte
Frau Amtmännin, um sie für diese neue Bevorzugung
seiner Familie nach Leibeskräften zu entschädigen.
Auch ich erwartete, daß mich der Prinz in die Reihe
führen werde, und ich erwartete es mit zitternder Lust.
Da er aber keine Miene machte, sich vom Platze zu
rühren, ließ ich mich ruhig in einer Sophaecke nieder.

"Sie tanzen nicht?" sagte der Prinz, indem er
sich an meine Seite setzte. "Desto besser. So plau¬
dern wir und machen unsere Glossen."

Die Paare drehten und wiegten sich an uns vor¬

ſtens einen armen Schuldner von ſeiner Sclaven¬
kette zu befreien?“

Ich kann nicht ſagen, daß dieſe kameradſchaft¬
liche Einführung beſonders nach meinem Geſchmack
geweſen wäre. Aber ich merkte kaum auf den Sinn
der leichtfertigen Plauderei; ich lauſchte nur dem mu¬
ſikaliſchen Klang, der biegſamen, impulſiven Melodie
der Stimme, die gleich einem Zauber das Herz um¬
ſpann.

Das Orcheſter hob während der letzten Worte
die Weiſe eines Wiener Walzers an und ich las in
den neidiſchen Blicken meiner Mitſchweſtern, daß man
den Prinzen für meinen Tänzer hielt. Der brave
Vortänzer ſtürzte ſich heldenmüthig auf die beleidigte
Frau Amtmännin, um ſie für dieſe neue Bevorzugung
ſeiner Familie nach Leibeskräften zu entſchädigen.
Auch ich erwartete, daß mich der Prinz in die Reihe
führen werde, und ich erwartete es mit zitternder Luſt.
Da er aber keine Miene machte, ſich vom Platze zu
rühren, ließ ich mich ruhig in einer Sophaecke nieder.

„Sie tanzen nicht?“ ſagte der Prinz, indem er
ſich an meine Seite ſetzte. „Deſto beſſer. So plau¬
dern wir und machen unſere Gloſſen.“

Die Paare drehten und wiegten ſich an uns vor¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0241" n="234"/>
&#x017F;tens <hi rendition="#g">einen</hi> armen Schuldner von &#x017F;einer Sclaven¬<lb/>
kette zu befreien?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ich kann nicht &#x017F;agen, daß die&#x017F;e kamerad&#x017F;chaft¬<lb/>
liche Einführung be&#x017F;onders nach meinem Ge&#x017F;chmack<lb/>
gewe&#x017F;en wäre. Aber ich merkte kaum auf den Sinn<lb/>
der leichtfertigen Plauderei; ich lau&#x017F;chte nur dem mu¬<lb/>
&#x017F;ikali&#x017F;chen Klang, der bieg&#x017F;amen, impul&#x017F;iven Melodie<lb/>
der Stimme, die gleich einem Zauber das Herz um¬<lb/>
&#x017F;pann.</p><lb/>
        <p>Das Orche&#x017F;ter hob während der letzten Worte<lb/>
die Wei&#x017F;e eines Wiener Walzers an und ich las in<lb/>
den neidi&#x017F;chen Blicken meiner Mit&#x017F;chwe&#x017F;tern, daß man<lb/>
den Prinzen für meinen Tänzer hielt. Der brave<lb/>
Vortänzer &#x017F;türzte &#x017F;ich heldenmüthig auf die beleidigte<lb/>
Frau Amtmännin, um &#x017F;ie für die&#x017F;e neue Bevorzugung<lb/>
&#x017F;einer Familie nach Leibeskräften zu ent&#x017F;chädigen.<lb/>
Auch ich erwartete, daß mich der Prinz in die Reihe<lb/>
führen werde, und ich erwartete es mit zitternder Lu&#x017F;t.<lb/>
Da er aber keine Miene machte, &#x017F;ich vom Platze zu<lb/>
rühren, ließ ich mich ruhig in einer Sophaecke nieder.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie tanzen nicht?&#x201C; &#x017F;agte der Prinz, indem er<lb/>
&#x017F;ich an meine Seite &#x017F;etzte. &#x201E;De&#x017F;to be&#x017F;&#x017F;er. So plau¬<lb/>
dern wir und machen un&#x017F;ere Glo&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Paare drehten und wiegten &#x017F;ich an uns vor¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[234/0241] ſtens einen armen Schuldner von ſeiner Sclaven¬ kette zu befreien?“ Ich kann nicht ſagen, daß dieſe kameradſchaft¬ liche Einführung beſonders nach meinem Geſchmack geweſen wäre. Aber ich merkte kaum auf den Sinn der leichtfertigen Plauderei; ich lauſchte nur dem mu¬ ſikaliſchen Klang, der biegſamen, impulſiven Melodie der Stimme, die gleich einem Zauber das Herz um¬ ſpann. Das Orcheſter hob während der letzten Worte die Weiſe eines Wiener Walzers an und ich las in den neidiſchen Blicken meiner Mitſchweſtern, daß man den Prinzen für meinen Tänzer hielt. Der brave Vortänzer ſtürzte ſich heldenmüthig auf die beleidigte Frau Amtmännin, um ſie für dieſe neue Bevorzugung ſeiner Familie nach Leibeskräften zu entſchädigen. Auch ich erwartete, daß mich der Prinz in die Reihe führen werde, und ich erwartete es mit zitternder Luſt. Da er aber keine Miene machte, ſich vom Platze zu rühren, ließ ich mich ruhig in einer Sophaecke nieder. „Sie tanzen nicht?“ ſagte der Prinz, indem er ſich an meine Seite ſetzte. „Deſto beſſer. So plau¬ dern wir und machen unſere Gloſſen.“ Die Paare drehten und wiegten ſich an uns vor¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/241
Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/241>, abgerufen am 25.11.2024.