hatte sie die Bevorzugung der kleinen Plebejerin von Haus aus mit unholden Blicken angesehen. "Gab es denn kein adliges Kind, Dinchen, zur Gesellschaft?" brummte sie Anfangs, und späterhin: "Mußte es denn Eine sein von einer besseren Couleur, wenn auch lange nicht so nobel und durabel, wie Fräulein Har¬ dine?" Die Schenkung und der blinkende Verlobungs¬ ring konnten natürlich keine humane Auffassung be¬ wirken; seit sich aber gar der bedrohliche Schellen¬ unter unter dem Lärvchen der Schenkentrine enthüllte, hätte, -- abgesehen von den gesteigerten Erbschafts¬ aussichten in Reckenburg, -- der Muhme gar nichts Erwünschteres, als meine zeitweise Entfernung von Hause widerfahren können.
Kaum hörte sie daher von den elterlichen Reise¬ sorgen, so erklärte sie, daß sie sich die Begleitung nicht nehmen und ihrem Fräulein kein Härchen auf dem Wege krümmen lassen werde. Man traf seine Abrede und unter allerlei Zurüstung gingen die Wochen im Fluge dahin.
An Dorotheens Geburtstag, dem 29. Septem¬ ber, langte die erste Sendung des fernen Bräutigams an: Brief und Schächtelchen. Sie öffnete das letz¬ tere hastig und jubelte hellauf beim Anblick der kost¬
hatte ſie die Bevorzugung der kleinen Plebejerin von Haus aus mit unholden Blicken angeſehen. „Gab es denn kein adliges Kind, Dinchen, zur Geſellſchaft?“ brummte ſie Anfangs, und ſpäterhin: „Mußte es denn Eine ſein von einer beſſeren Couleur, wenn auch lange nicht ſo nobel und durabel, wie Fräulein Har¬ dine?“ Die Schenkung und der blinkende Verlobungs¬ ring konnten natürlich keine humane Auffaſſung be¬ wirken; ſeit ſich aber gar der bedrohliche Schellen¬ unter unter dem Lärvchen der Schenkentrine enthüllte, hätte, — abgeſehen von den geſteigerten Erbſchafts¬ ausſichten in Reckenburg, — der Muhme gar nichts Erwünſchteres, als meine zeitweiſe Entfernung von Hauſe widerfahren können.
Kaum hörte ſie daher von den elterlichen Reiſe¬ ſorgen, ſo erklärte ſie, daß ſie ſich die Begleitung nicht nehmen und ihrem Fräulein kein Härchen auf dem Wege krümmen laſſen werde. Man traf ſeine Abrede und unter allerlei Zurüſtung gingen die Wochen im Fluge dahin.
An Dorotheens Geburtstag, dem 29. Septem¬ ber, langte die erſte Sendung des fernen Bräutigams an: Brief und Schächtelchen. Sie öffnete das letz¬ tere haſtig und jubelte hellauf beim Anblick der koſt¬
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hatte ſie die Bevorzugung der kleinen Plebejerin von
Haus aus mit unholden Blicken angeſehen. „Gab
es denn kein adliges Kind, Dinchen, zur Geſellſchaft?“
brummte ſie Anfangs, und ſpäterhin: „Mußte es
denn Eine ſein von einer beſſeren Couleur, wenn auch
lange nicht ſo nobel und durabel, wie Fräulein Har¬
dine?“ Die Schenkung und der blinkende Verlobungs¬
ring konnten natürlich keine humane Auffaſſung be¬
wirken; ſeit ſich aber gar der bedrohliche Schellen¬
unter unter dem Lärvchen der Schenkentrine enthüllte,
hätte, — abgeſehen von den geſteigerten Erbſchafts¬
ausſichten in Reckenburg, — der Muhme gar nichts
Erwünſchteres, als meine zeitweiſe Entfernung von
Hauſe widerfahren können.
Kaum hörte ſie daher von den elterlichen Reiſe¬
ſorgen, ſo erklärte ſie, daß ſie ſich die Begleitung nicht
nehmen und ihrem Fräulein kein Härchen auf dem
Wege krümmen laſſen werde. Man traf ſeine Abrede
und unter allerlei Zurüſtung gingen die Wochen im
Fluge dahin.
An Dorotheens Geburtstag, dem 29. Septem¬
ber, langte die erſte Sendung des fernen Bräutigams
an: Brief und Schächtelchen. Sie öffnete das letz¬
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/159>, abgerufen am 31.07.2024.
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