wurde zu oberst gekehrt in dem Zimmer, vor dessen Fenster noch im Winter Meister Fabers Scheerbeutel geglänzt hatten; getüncht, gescheuert, das alte Mo¬ biliar blank auflackirt und frisch bezogen. Bald stand, schneeweiß verhüllt, ein zierliches Himmelbett auf der Stelle, wo Siegmund Faber sich auf hartem Stroh¬ sack eine kurze Nachtruhe gegönnt hatte. In der Ecke, die seine ungehobelten Bücherbretter gefüllt, prangte ein Schränkchen mit Puppen und Tändelwerk aus der Kinderzeit der kleinen Dorl; luftige Gardi¬ nen, Blumen, immer frisch gepflückt, schmückten den Fensterplatz; im grünberankten Käfig schnäbelte sich ein Zeisigpaar. Keine Bürgerstochter hatte ein zier¬ licheres Stübchen aufzuweisen, und wie kahl und dürf¬ tig erschien nebenan Fräulein Hardinens nüchterne Mädchenkammer!
Die kleine Wirthin aber, im kurzen Röckchen und flittergestickten Hackenschuhen, flatterte fröhlich Trepp' auf, Trepp' ab. In der einen Tasche bauschte sich die Düte mit dem Candis und Zuckerbrod, welche die Näscherin niemals ausgehen ließ; in der anderen klap¬ perte das Beutelchen, aus welchem jedem Bettelkinde ein Pfennig oder Kreuzer zugeworfen ward. So ging's hinüber in die Kellerei, wo zu Nutz und Frommen
wurde zu oberſt gekehrt in dem Zimmer, vor deſſen Fenſter noch im Winter Meiſter Fabers Scheerbeutel geglänzt hatten; getüncht, geſcheuert, das alte Mo¬ biliar blank auflackirt und friſch bezogen. Bald ſtand, ſchneeweiß verhüllt, ein zierliches Himmelbett auf der Stelle, wo Siegmund Faber ſich auf hartem Stroh¬ ſack eine kurze Nachtruhe gegönnt hatte. In der Ecke, die ſeine ungehobelten Bücherbretter gefüllt, prangte ein Schränkchen mit Puppen und Tändelwerk aus der Kinderzeit der kleinen Dorl; luftige Gardi¬ nen, Blumen, immer friſch gepflückt, ſchmückten den Fenſterplatz; im grünberankten Käfig ſchnäbelte ſich ein Zeiſigpaar. Keine Bürgerstochter hatte ein zier¬ licheres Stübchen aufzuweiſen, und wie kahl und dürf¬ tig erſchien nebenan Fräulein Hardinens nüchterne Mädchenkammer!
Die kleine Wirthin aber, im kurzen Röckchen und flittergeſtickten Hackenſchuhen, flatterte fröhlich Trepp' auf, Trepp' ab. In der einen Taſche bauſchte ſich die Düte mit dem Candis und Zuckerbrod, welche die Näſcherin niemals ausgehen ließ; in der anderen klap¬ perte das Beutelchen, aus welchem jedem Bettelkinde ein Pfennig oder Kreuzer zugeworfen ward. So ging's hinüber in die Kellerei, wo zu Nutz und Frommen
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wurde zu oberſt gekehrt in dem Zimmer, vor deſſen
Fenſter noch im Winter Meiſter Fabers Scheerbeutel
geglänzt hatten; getüncht, geſcheuert, das alte Mo¬
biliar blank auflackirt und friſch bezogen. Bald ſtand,
ſchneeweiß verhüllt, ein zierliches Himmelbett auf der
Stelle, wo Siegmund Faber ſich auf hartem Stroh¬
ſack eine kurze Nachtruhe gegönnt hatte. In der
Ecke, die ſeine ungehobelten Bücherbretter gefüllt,
prangte ein Schränkchen mit Puppen und Tändelwerk
aus der Kinderzeit der kleinen Dorl; luftige Gardi¬
nen, Blumen, immer friſch gepflückt, ſchmückten den
Fenſterplatz; im grünberankten Käfig ſchnäbelte ſich
ein Zeiſigpaar. Keine Bürgerstochter hatte ein zier¬
licheres Stübchen aufzuweiſen, und wie kahl und dürf¬
tig erſchien nebenan Fräulein Hardinens nüchterne
Mädchenkammer!
Die kleine Wirthin aber, im kurzen Röckchen und
flittergeſtickten Hackenſchuhen, flatterte fröhlich Trepp'
auf, Trepp' ab. In der einen Taſche bauſchte ſich die
Düte mit dem Candis und Zuckerbrod, welche die
Näſcherin niemals ausgehen ließ; in der anderen klap¬
perte das Beutelchen, aus welchem jedem Bettelkinde
ein Pfennig oder Kreuzer zugeworfen ward. So ging's
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/150>, abgerufen am 23.11.2024.
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