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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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"Hast Du Deine Kirchenzeugnisse eingeholt, als
Du bei Nacht und Nebel Deiner Dienstherrschaft von
dannen ranntest?" gegenfragte spottend der Mann,
setzte aber, da er wieder einen Seufzer zu hören glaubte,
gutmüthig hinzu: "Na, nimm's nicht übel, Lisette.
Etwas Schriftliches möchtest Du? Ja, da wäre allen¬
falls der Schein, mit dem mich der Probst aus dem
Kloster entlassen hat."

"Auch im Kloster bist Du gewesen? Unter Mön¬
chen, August? Wohl gar katholisch?"

"Lieber gar, altes Haus! Das ist nicht Mode
im Leipziger Kreis. Die Anstalt hieß nur das Klo¬
ster und der Director der Probst von päpstlichen Zei¬
ten her. Der alte Zettel hat sich erhalten, weiß sel¬
ber kaum wie. So oft ich ihn wegwerfen wollte, sah
ich den guten, blassen Mann und seine Thränen, als
er mir ihn gab. Wir hatten ihn Vater genannt,
und er war uns wie ein Vater gewesen. Da steckt'
ich den Wisch denn immer wieder ein."

"Zeige mir den Schein, August," bat die Frau,
indem sie sich hastig daran machte, Feuer zu schlagen
und die Lampe auf dem Tisch vor ihrem Bette anzu¬
zünden. Als sie damit zu Stande gekommen, entfal¬
tete sie das Papier, das der Invalid aus seiner Brust¬

„Haſt Du Deine Kirchenzeugniſſe eingeholt, als
Du bei Nacht und Nebel Deiner Dienſtherrſchaft von
dannen rannteſt?“ gegenfragte ſpottend der Mann,
ſetzte aber, da er wieder einen Seufzer zu hören glaubte,
gutmüthig hinzu: „Na, nimm's nicht übel, Liſette.
Etwas Schriftliches möchteſt Du? Ja, da wäre allen¬
falls der Schein, mit dem mich der Probſt aus dem
Kloſter entlaſſen hat.“

„Auch im Kloſter biſt Du geweſen? Unter Mön¬
chen, Auguſt? Wohl gar katholiſch?“

„Lieber gar, altes Haus! Das iſt nicht Mode
im Leipziger Kreis. Die Anſtalt hieß nur das Klo¬
ſter und der Director der Probſt von päpſtlichen Zei¬
ten her. Der alte Zettel hat ſich erhalten, weiß ſel¬
ber kaum wie. So oft ich ihn wegwerfen wollte, ſah
ich den guten, blaſſen Mann und ſeine Thränen, als
er mir ihn gab. Wir hatten ihn Vater genannt,
und er war uns wie ein Vater geweſen. Da ſteckt'
ich den Wiſch denn immer wieder ein.“

„Zeige mir den Schein, Auguſt,“ bat die Frau,
indem ſie ſich haſtig daran machte, Feuer zu ſchlagen
und die Lampe auf dem Tiſch vor ihrem Bette anzu¬
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[8/0015] „Haſt Du Deine Kirchenzeugniſſe eingeholt, als Du bei Nacht und Nebel Deiner Dienſtherrſchaft von dannen rannteſt?“ gegenfragte ſpottend der Mann, ſetzte aber, da er wieder einen Seufzer zu hören glaubte, gutmüthig hinzu: „Na, nimm's nicht übel, Liſette. Etwas Schriftliches möchteſt Du? Ja, da wäre allen¬ falls der Schein, mit dem mich der Probſt aus dem Kloſter entlaſſen hat.“ „Auch im Kloſter biſt Du geweſen? Unter Mön¬ chen, Auguſt? Wohl gar katholiſch?“ „Lieber gar, altes Haus! Das iſt nicht Mode im Leipziger Kreis. Die Anſtalt hieß nur das Klo¬ ſter und der Director der Probſt von päpſtlichen Zei¬ ten her. Der alte Zettel hat ſich erhalten, weiß ſel¬ ber kaum wie. So oft ich ihn wegwerfen wollte, ſah ich den guten, blaſſen Mann und ſeine Thränen, als er mir ihn gab. Wir hatten ihn Vater genannt, und er war uns wie ein Vater geweſen. Da ſteckt' ich den Wiſch denn immer wieder ein.“ „Zeige mir den Schein, Auguſt,“ bat die Frau, indem ſie ſich haſtig daran machte, Feuer zu ſchlagen und die Lampe auf dem Tiſch vor ihrem Bette anzu¬ zünden. Als ſie damit zu Stande gekommen, entfal¬ tete ſie das Papier, das der Invalid aus ſeiner Bruſt¬

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/15>, abgerufen am 22.11.2024.