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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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edel geformt. Unter dieser hohen, breiten Stirn streckt
sich eine lange, breite Nase, die Höhlen weit geöffnet,
die Flügel zitternd, und unter dieser richtigen Spür-
und Schnüffelnase dehnt sich der breite, dünne Mund,
festgeschlossen wie ein Gedankenstrich. An den Seiten
aber ragen zwei ungeheuere Ohren, die sich -- schüttelt
immerhin die Köpfe! -- in fortwährender Spannung
wie die eines Hasen hin und her bewegen.

Es ist kein Adonis, den ich Euch zeichne, gelt?
Nun aber blickt in seine Augen. Eine bestimmbare
Couleur werdet Ihr nicht unterscheiden, so tief liegen
sie hinter den vorspringenden Stirnknochen eingesenkt
und mit so rastlosem Flimmer schweifen sie von einer
Richtung nach der anderen. Haben sie aber den ge¬
witterten Gegenstand aufgespürt, dann bohren sie sich
ihm hartnäckig bannend bis in das Mark. Ihr wür¬
det ihrer Forschung nicht entschlüpfen und Euch ihrem
Geheisch nicht widersetzen dürfen.

Kurz und gut: patent ein Doctorenschädel und
eine Doctorenphysiognomie! Denkt sie Euch nun von
der gleichmäßigen Röthe eines gesunden Bluts und
unlöschbaren Eifers durchdrungen; denkt Euch die
Glieder klein wie die einer Frau, aber von einer
ehernen Musculatur; die Hände durch instinctives

edel geformt. Unter dieſer hohen, breiten Stirn ſtreckt
ſich eine lange, breite Naſe, die Höhlen weit geöffnet,
die Flügel zitternd, und unter dieſer richtigen Spür-
und Schnüffelnaſe dehnt ſich der breite, dünne Mund,
feſtgeſchloſſen wie ein Gedankenſtrich. An den Seiten
aber ragen zwei ungeheuere Ohren, die ſich — ſchüttelt
immerhin die Köpfe! — in fortwährender Spannung
wie die eines Haſen hin und her bewegen.

Es iſt kein Adonis, den ich Euch zeichne, gelt?
Nun aber blickt in ſeine Augen. Eine beſtimmbare
Couleur werdet Ihr nicht unterſcheiden, ſo tief liegen
ſie hinter den vorſpringenden Stirnknochen eingeſenkt
und mit ſo raſtloſem Flimmer ſchweifen ſie von einer
Richtung nach der anderen. Haben ſie aber den ge¬
witterten Gegenſtand aufgeſpürt, dann bohren ſie ſich
ihm hartnäckig bannend bis in das Mark. Ihr wür¬
det ihrer Forſchung nicht entſchlüpfen und Euch ihrem
Geheiſch nicht widerſetzen dürfen.

Kurz und gut: patent ein Doctorenſchädel und
eine Doctorenphyſiognomie! Denkt ſie Euch nun von
der gleichmäßigen Röthe eines geſunden Bluts und
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[118/0125] edel geformt. Unter dieſer hohen, breiten Stirn ſtreckt ſich eine lange, breite Naſe, die Höhlen weit geöffnet, die Flügel zitternd, und unter dieſer richtigen Spür- und Schnüffelnaſe dehnt ſich der breite, dünne Mund, feſtgeſchloſſen wie ein Gedankenſtrich. An den Seiten aber ragen zwei ungeheuere Ohren, die ſich — ſchüttelt immerhin die Köpfe! — in fortwährender Spannung wie die eines Haſen hin und her bewegen. Es iſt kein Adonis, den ich Euch zeichne, gelt? Nun aber blickt in ſeine Augen. Eine beſtimmbare Couleur werdet Ihr nicht unterſcheiden, ſo tief liegen ſie hinter den vorſpringenden Stirnknochen eingeſenkt und mit ſo raſtloſem Flimmer ſchweifen ſie von einer Richtung nach der anderen. Haben ſie aber den ge¬ witterten Gegenſtand aufgeſpürt, dann bohren ſie ſich ihm hartnäckig bannend bis in das Mark. Ihr wür¬ det ihrer Forſchung nicht entſchlüpfen und Euch ihrem Geheiſch nicht widerſetzen dürfen. Kurz und gut: patent ein Doctorenſchädel und eine Doctorenphyſiognomie! Denkt ſie Euch nun von der gleichmäßigen Röthe eines geſunden Bluts und unlöſchbaren Eifers durchdrungen; denkt Euch die Glieder klein wie die einer Frau, aber von einer ehernen Musculatur; die Hände durch inſtinctives

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/125>, abgerufen am 22.11.2024.