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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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gleichmäßig gebildet, beide arm; sie war schön und
ich war es nicht: -- aber sie war eines Faßbinders
Tochter und ich eine Freiin von Reckenburg; es lag
eine Kluft zwischen uns, für welche ich das Maaß
gleichsam mit der Muttermilch eingesogen hatte. Ich
durfte ihre Vertraulichkeit empfangen, nicht erwidern,
und trotz ihres Liebreizes, oder just wegen ihres Lieb¬
reizes, der mir jeden weniger reizenden Umgang ver¬
leidete, war und blieb ich ein herzenseinsames Ding.

"Die Rose und das Blatt, das sie schützend um¬
giebt," so hatte -- wie er meinte für mich schmeichel¬
haft -- der ehrliche Taube uns in einem Neujahrs¬
carmen besungen und das Stück grasgrünen Rasch's,
mit welchem die Frau Mutter einen recht vortheilhaften
Jahrmarktshandel gemacht hatte, da es für meine ganze
Kinderzeit als Bekleidungsstoff ausreichte, ihm ohne
Zweifel als Vorwurf für den zweiten Theil seiner
Metapher gedient. Kehren wir denn mit derselben in
die Schulstube Christlieb Taube's zurück: Die Rose
und ihr Blatt.

Es würde Vermessenheit sein, zu behaupten, daß
es niemals eine eifrigere und aufmerksamere Schüle¬
rin gegeben habe, als Kellermeisters kleine, bewegliche
Dorl. Ganz gewiß aber keine, mit welcher auch ein

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gleichmäßig gebildet, beide arm; ſie war ſchön und
ich war es nicht: — aber ſie war eines Faßbinders
Tochter und ich eine Freiin von Reckenburg; es lag
eine Kluft zwiſchen uns, für welche ich das Maaß
gleichſam mit der Muttermilch eingeſogen hatte. Ich
durfte ihre Vertraulichkeit empfangen, nicht erwidern,
und trotz ihres Liebreizes, oder juſt wegen ihres Lieb¬
reizes, der mir jeden weniger reizenden Umgang ver¬
leidete, war und blieb ich ein herzenseinſames Ding.

„Die Roſe und das Blatt, das ſie ſchützend um¬
giebt,“ ſo hatte — wie er meinte für mich ſchmeichel¬
haft — der ehrliche Taube uns in einem Neujahrs¬
carmen beſungen und das Stück grasgrünen Raſch's,
mit welchem die Frau Mutter einen recht vortheilhaften
Jahrmarktshandel gemacht hatte, da es für meine ganze
Kinderzeit als Bekleidungsſtoff ausreichte, ihm ohne
Zweifel als Vorwurf für den zweiten Theil ſeiner
Metapher gedient. Kehren wir denn mit derſelben in
die Schulſtube Chriſtlieb Taube's zurück: Die Roſe
und ihr Blatt.

Es würde Vermeſſenheit ſein, zu behaupten, daß
es niemals eine eifrigere und aufmerkſamere Schüle¬
rin gegeben habe, als Kellermeiſters kleine, bewegliche
Dorl. Ganz gewiß aber keine, mit welcher auch ein

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[99/0106] gleichmäßig gebildet, beide arm; ſie war ſchön und ich war es nicht: — aber ſie war eines Faßbinders Tochter und ich eine Freiin von Reckenburg; es lag eine Kluft zwiſchen uns, für welche ich das Maaß gleichſam mit der Muttermilch eingeſogen hatte. Ich durfte ihre Vertraulichkeit empfangen, nicht erwidern, und trotz ihres Liebreizes, oder juſt wegen ihres Lieb¬ reizes, der mir jeden weniger reizenden Umgang ver¬ leidete, war und blieb ich ein herzenseinſames Ding. „Die Roſe und das Blatt, das ſie ſchützend um¬ giebt,“ ſo hatte — wie er meinte für mich ſchmeichel¬ haft — der ehrliche Taube uns in einem Neujahrs¬ carmen beſungen und das Stück grasgrünen Raſch's, mit welchem die Frau Mutter einen recht vortheilhaften Jahrmarktshandel gemacht hatte, da es für meine ganze Kinderzeit als Bekleidungsſtoff ausreichte, ihm ohne Zweifel als Vorwurf für den zweiten Theil ſeiner Metapher gedient. Kehren wir denn mit derſelben in die Schulſtube Chriſtlieb Taube's zurück: Die Roſe und ihr Blatt. Es würde Vermeſſenheit ſein, zu behaupten, daß es niemals eine eifrigere und aufmerkſamere Schüle¬ rin gegeben habe, als Kellermeiſters kleine, bewegliche Dorl. Ganz gewiß aber keine, mit welcher auch ein 7*

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/106>, abgerufen am 22.11.2024.