Francisci, Erasmus: Schau- und Ehren-Platz Schriftlicher Tapfferkeit. Nürnberg, 1684.Vor-Städtischen Mauren gelagert/ daselbst mit ihren Röhren und Pfeilen ohn Unterlaß/ auf die Stadt geschossen. Diese schlimme Gesellen haben am meisten die Gegend / vom Augustiner Closter/ bis für den Kärner-Thurn hinab/ bis etwan auf halben Weg nach dem Stuben-Thor/ wo sich das Eckische Quartir/ bey einem kleinen halben Thürnlein / endete/ mit ihren fast unfehlbaren Kugeln und Pfeilen/ gefährt/ auch in besagtes Gemäur ihre Falconeten und Schlangen so füg- und betrieglich versteckt/ daß man auswendig gar nichts von denselben erblickte/ als allein die Mund-Löcher. Mit solchen Falconeten/ und Doppelhacken/ stürtzten sie viel Bluts; schossen damit nicht allein nach S. Stephans Thurn und Kirch-Dach/ worauf man die beste/ nöthigste/ und bequemste Wachten hielt; sondern auch durch die meiste Haus-Dächer/ und durch alle Gassen. Die Hand-Bögen und Röhre feyerten noch viel weniger. Wer sich/ auf der Mauren/ zwischen den Zinnen/ nur blicken ließ/ der hatte seinen letzten Blick schon gethan: so fix und fertig traffen sie! Hingegen stunden sie/ unterm Schutz der Mauren/ sicher für dem Schuß und bedeckt. so gar kamen/ alle Augenblick/ Kugeln oder Pfeile/ geflogen/ und fielen in solcher Menge / wie ein dicker Hagel/ auf das Pflaster/ oder auf die Rinnen und Dächer/ nider: darunter manche Pfeile gar köstlich/ mit Perlen/ besetzt waren; um denen in der Stadt zu weisen / was für einen prächtigen und mächtigen Feind sie vor sich hätten. Andre haben hingegen unter solchem unaufhörlichem Schiessen/ bald angefangen von bedeutetem Bollwerck an/ bis an bemeldtes Eckische Quartir/ überall/ unter der Erden / unmenschlich zu graben/ gegen dem Kärnter-Thor/ und der Stadt-Mauren zu/ und eine solche Arbeit verrichtet/ darüber man/ wann sie gleich ein gantzes Jahr damit zugebracht hätten/ dennoch hätte erstaunen müssen. Wider dieses so gewaltiges und grausames Heerlager nun/ in einer so ziemlich-schlecht versicherten Stadt/ zu streiten/ mit so geringer Gegen-Macht/ erforderte eine ungemeine Standhafftigkeit. Dann Wien war damals sehr übel befestigt/ und weder durch seine Situation/ noch durch Kunst und Arbeit/ gegen so einem entsetzlichem Ernst/ gnugsam versehn. Wie dann leider unsre üble Weise fast mit sich bringt/ daß wir Teutschen der Gefahr eher nicht recht vorbauen/ als/ bis sie uns angreifft; sondern gemeiniglich ihr den Vorbau/ wider unsre ausländische Feinde lassen/ und alsdann ihr allererst nach- oder entgegen bauen/ wann wir um den Bau verkürzt und verspätet seynd. Sie/ die gute Stadt / hatte nichts zu ihrer Versicherung/ als eine alte Mauer/ so sechs Schuhe dick/ und an derselben einen Graben/ darinn kein Wasser war. Dannenhero es kein Wunder wäre gewest / wann/ bey so schlechter Befestigung/ auch der allertapfferste Held sich nicht getrauet hätte/ den Ort/ wider eine so grosse feindliche Menge/ zu behaupten. Hiebey kam billich auch der weitläufftige Umfang oder Begrif dieser Stadt in Betrachtung / welcher eine grosse Anzahl Kriegs-Leute erforderte/ damit alle Vor-Städtischen Mauren gelagert/ daselbst mit ihren Röhren und Pfeilen ohn Unterlaß/ auf die Stadt geschossen. Diese schlimme Gesellen haben am meisten die Gegend / vom Augustiner Closter/ bis für den Kärner-Thurn hinab/ bis etwan auf halben Weg nach dem Stuben-Thor/ wo sich das Eckische Quartir/ bey einem kleinen halben Thürnlein / endete/ mit ihren fast unfehlbaren Kugeln und Pfeilen/ gefährt/ auch in besagtes Gemäur ihre Falconeten und Schlangen so füg- und betrieglich versteckt/ daß man auswendig gar nichts von denselben erblickte/ als allein die Mund-Löcher. Mit solchen Falconeten/ und Doppelhacken/ stürtzten sie viel Bluts; schossen damit nicht allein nach S. Stephans Thurn und Kirch-Dach/ worauf man die beste/ nöthigste/ und bequemste Wachten hielt; sondern auch durch die meiste Haus-Dächer/ und durch alle Gassen. Die Hand-Bögen und Röhre feyerten noch viel weniger. Wer sich/ auf der Mauren/ zwischen den Zinnen/ nur blicken ließ/ der hatte seinen letzten Blick schon gethan: so fix und fertig traffen sie! Hingegen stunden sie/ unterm Schutz der Mauren/ sicher für dem Schuß und bedeckt. so gar kamen/ alle Augenblick/ Kugeln oder Pfeile/ geflogen/ und fielen in solcher Menge / wie ein dicker Hagel/ auf das Pflaster/ oder auf die Rinnen und Dächer/ nider: darunter manche Pfeile gar köstlich/ mit Perlen/ besetzt waren; um denen in der Stadt zu weisen / was für einen prächtigen und mächtigen Feind sie vor sich hätten. Andre haben hingegen unter solchem unaufhörlichem Schiessen/ bald angefangen von bedeutetem Bollwerck an/ bis an bemeldtes Eckische Quartir/ überall/ unter der Erden / unmenschlich zu graben/ gegen dem Kärnter-Thor/ und der Stadt-Mauren zu/ und eine solche Arbeit verrichtet/ darüber man/ wann sie gleich ein gantzes Jahr damit zugebracht hätten/ dennoch hätte erstaunen müssen. Wider dieses so gewaltiges und grausames Heerlager nun/ in einer so ziemlich-schlecht versicherten Stadt/ zu streiten/ mit so geringer Gegen-Macht/ erforderte eine ungemeine Standhafftigkeit. Dann Wien war damals sehr übel befestigt/ und weder durch seine Situation/ noch durch Kunst und Arbeit/ gegen so einem entsetzlichem Ernst/ gnugsam versehn. Wie dann leider unsre üble Weise fast mit sich bringt/ daß wir Teutschen der Gefahr eher nicht recht vorbauen/ als/ bis sie uns angreifft; sondern gemeiniglich ihr den Vorbau/ wider unsre ausländische Feinde lassen/ und alsdann ihr allererst nach- oder entgegen bauen/ wann wir um den Bau verkürzt und verspätet seynd. Sie/ die gute Stadt / hatte nichts zu ihrer Versicherung/ als eine alte Mauer/ so sechs Schuhe dick/ und an derselben einen Graben/ darinn kein Wasser war. Dannenhero es kein Wunder wäre gewest / wann/ bey so schlechter Befestigung/ auch der allertapfferste Held sich nicht getrauet hätte/ den Ort/ wider eine so grosse feindliche Menge/ zu behaupten. Hiebey kam billich auch der weitläufftige Umfang oder Begrif dieser Stadt in Betrachtung / welcher eine grosse Anzahl Kriegs-Leute erforderte/ damit alle <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0143" n="135"/> Vor-Städtischen Mauren gelagert/ daselbst mit ihren Röhren und Pfeilen ohn Unterlaß/ auf die Stadt geschossen. Diese schlimme Gesellen haben am meisten die Gegend / vom Augustiner Closter/ bis für den Kärner-Thurn hinab/ bis etwan auf halben Weg nach dem Stuben-Thor/ wo sich das Eckische Quartir/ bey einem kleinen halben Thürnlein / endete/ mit ihren fast unfehlbaren Kugeln und Pfeilen/ gefährt/ auch in besagtes Gemäur ihre Falconeten und Schlangen so füg- und betrieglich versteckt/ daß man auswendig gar nichts von denselben erblickte/ als allein die Mund-Löcher. Mit solchen Falconeten/ und Doppelhacken/ stürtzten sie viel Bluts; schossen damit nicht allein nach S. Stephans Thurn und Kirch-Dach/ worauf man die beste/ nöthigste/ und bequemste Wachten hielt; sondern auch durch die meiste Haus-Dächer/ und durch alle Gassen. Die Hand-Bögen und Röhre feyerten noch viel weniger. Wer sich/ auf der Mauren/ zwischen den Zinnen/ nur blicken ließ/ der hatte seinen letzten Blick schon gethan: so fix und fertig traffen sie! Hingegen stunden sie/ unterm Schutz der Mauren/ sicher für dem Schuß und bedeckt. so gar kamen/ alle Augenblick/ Kugeln oder Pfeile/ geflogen/ und fielen in solcher Menge / wie ein dicker Hagel/ auf das Pflaster/ oder auf die Rinnen und Dächer/ nider: darunter manche Pfeile gar köstlich/ mit Perlen/ besetzt waren; um denen in der Stadt zu weisen / was für einen prächtigen und mächtigen Feind sie vor sich hätten.</p> <p>Andre haben hingegen unter solchem unaufhörlichem Schiessen/ bald angefangen von bedeutetem Bollwerck an/ bis an bemeldtes Eckische Quartir/ überall/ unter der Erden / unmenschlich zu graben/ gegen dem Kärnter-Thor/ und der Stadt-Mauren zu/ und eine solche Arbeit verrichtet/ darüber man/ wann sie gleich ein gantzes Jahr damit zugebracht hätten/ dennoch hätte erstaunen müssen.</p> <p>Wider dieses so gewaltiges und grausames Heerlager nun/ in einer so ziemlich-schlecht versicherten Stadt/ zu streiten/ mit so geringer Gegen-Macht/ erforderte eine ungemeine Standhafftigkeit. Dann Wien war damals sehr übel befestigt/ und weder durch seine Situation/ noch durch Kunst und Arbeit/ gegen so einem entsetzlichem Ernst/ gnugsam versehn. Wie dann leider unsre üble Weise fast mit sich bringt/ daß wir Teutschen der Gefahr eher nicht recht vorbauen/ als/ bis sie uns angreifft; sondern gemeiniglich ihr den Vorbau/ wider unsre ausländische Feinde lassen/ und alsdann ihr allererst nach- oder entgegen bauen/ wann wir um den Bau verkürzt und verspätet seynd. Sie/ die gute Stadt / hatte nichts zu ihrer Versicherung/ als eine alte Mauer/ so sechs Schuhe dick/ und an derselben einen Graben/ darinn kein Wasser war. Dannenhero es kein Wunder wäre gewest / wann/ bey so schlechter Befestigung/ auch der allertapfferste Held sich nicht getrauet hätte/ den Ort/ wider eine so grosse feindliche Menge/ zu behaupten.</p> <p>Hiebey kam billich auch der weitläufftige Umfang oder Begrif dieser Stadt in Betrachtung / welcher eine grosse Anzahl Kriegs-Leute erforderte/ damit alle </p> </div> </body> </text> </TEI> [135/0143]
Vor-Städtischen Mauren gelagert/ daselbst mit ihren Röhren und Pfeilen ohn Unterlaß/ auf die Stadt geschossen. Diese schlimme Gesellen haben am meisten die Gegend / vom Augustiner Closter/ bis für den Kärner-Thurn hinab/ bis etwan auf halben Weg nach dem Stuben-Thor/ wo sich das Eckische Quartir/ bey einem kleinen halben Thürnlein / endete/ mit ihren fast unfehlbaren Kugeln und Pfeilen/ gefährt/ auch in besagtes Gemäur ihre Falconeten und Schlangen so füg- und betrieglich versteckt/ daß man auswendig gar nichts von denselben erblickte/ als allein die Mund-Löcher. Mit solchen Falconeten/ und Doppelhacken/ stürtzten sie viel Bluts; schossen damit nicht allein nach S. Stephans Thurn und Kirch-Dach/ worauf man die beste/ nöthigste/ und bequemste Wachten hielt; sondern auch durch die meiste Haus-Dächer/ und durch alle Gassen. Die Hand-Bögen und Röhre feyerten noch viel weniger. Wer sich/ auf der Mauren/ zwischen den Zinnen/ nur blicken ließ/ der hatte seinen letzten Blick schon gethan: so fix und fertig traffen sie! Hingegen stunden sie/ unterm Schutz der Mauren/ sicher für dem Schuß und bedeckt. so gar kamen/ alle Augenblick/ Kugeln oder Pfeile/ geflogen/ und fielen in solcher Menge / wie ein dicker Hagel/ auf das Pflaster/ oder auf die Rinnen und Dächer/ nider: darunter manche Pfeile gar köstlich/ mit Perlen/ besetzt waren; um denen in der Stadt zu weisen / was für einen prächtigen und mächtigen Feind sie vor sich hätten.
Andre haben hingegen unter solchem unaufhörlichem Schiessen/ bald angefangen von bedeutetem Bollwerck an/ bis an bemeldtes Eckische Quartir/ überall/ unter der Erden / unmenschlich zu graben/ gegen dem Kärnter-Thor/ und der Stadt-Mauren zu/ und eine solche Arbeit verrichtet/ darüber man/ wann sie gleich ein gantzes Jahr damit zugebracht hätten/ dennoch hätte erstaunen müssen.
Wider dieses so gewaltiges und grausames Heerlager nun/ in einer so ziemlich-schlecht versicherten Stadt/ zu streiten/ mit so geringer Gegen-Macht/ erforderte eine ungemeine Standhafftigkeit. Dann Wien war damals sehr übel befestigt/ und weder durch seine Situation/ noch durch Kunst und Arbeit/ gegen so einem entsetzlichem Ernst/ gnugsam versehn. Wie dann leider unsre üble Weise fast mit sich bringt/ daß wir Teutschen der Gefahr eher nicht recht vorbauen/ als/ bis sie uns angreifft; sondern gemeiniglich ihr den Vorbau/ wider unsre ausländische Feinde lassen/ und alsdann ihr allererst nach- oder entgegen bauen/ wann wir um den Bau verkürzt und verspätet seynd. Sie/ die gute Stadt / hatte nichts zu ihrer Versicherung/ als eine alte Mauer/ so sechs Schuhe dick/ und an derselben einen Graben/ darinn kein Wasser war. Dannenhero es kein Wunder wäre gewest / wann/ bey so schlechter Befestigung/ auch der allertapfferste Held sich nicht getrauet hätte/ den Ort/ wider eine so grosse feindliche Menge/ zu behaupten.
Hiebey kam billich auch der weitläufftige Umfang oder Begrif dieser Stadt in Betrachtung / welcher eine grosse Anzahl Kriegs-Leute erforderte/ damit alle
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