Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.Von der Sonnen. meynet sey. Wie darff denn nun Baldaeus (der doch sonst selber auchdie Sonne für beweglich und schnell-läuffig achtet) deß Schotani Red[e] gut sprechen/ und sagen/ es sey kein eintziger Ort in heiliger Schrifft/ wel- cher beschreibt/ und erweiset das Stillstehen und die Unbeweglichkeit der Erden/ und hingegen das Umlauffen oder die Bewegung der Sonnen. GOttes Wort überlässt zwar den Künstlern und Gelehrten/ die eigent- liche Beschaffenheit natürlicher Sachen zu untersuchen: aber daraus entspringet darum gar keine Folge/ daß dennoch nicht mancher natürlicher Sachen Beschaffenheit/ in heiliger Schrifft/ wiewol kürtzlich/ angezeigt werde: Sonst müste/ in dem Buche Hiob/ nicht mancher Thiere Natur und Art begrissen seyn. Und was für eine ungereimte Meynung wäre das/ daß man sagen wolte/ der heilige Geist hätte/ durch den Mund Da- vids/ ein solches Fürbild deß Messiae und seines Evangelii/ erwählt/ das auf einem blossen leeren eitlen Wahn menschlicher Unwissenheit beruhete; nemlich einen falsch-eingebildeten Sonnen-Lauff? Diesem nach schliesse ich: Wenn die Heil. Schrifft/ von eines Din- Goldstern. Jch bin hierinn/ mit dem Herrn/ allerdings einig/ und Jnmittelst hat der Herr Schönwald diese meine Erklärung/ daß/ Schönwald. Man giebt aber deßwegen die Sonne nicht/ für gantz M m m m m ij
Von der Sonnen. meynet ſey. Wie darff denn nun Baldæus (der doch ſonſt ſelber auchdie Sonne fuͤr beweglich und ſchnell-laͤuffig achtet) deß Schotani Red[e] gut ſprechen/ und ſagen/ es ſey kein eintziger Ort in heiliger Schrifft/ wel- cher beſchreibt/ und erweiſet das Stillſtehen und die Unbeweglichkeit der Erden/ und hingegen das Umlauffen oder die Bewegung der Sonnen. GOttes Wort uͤberlaͤſſt zwar den Kuͤnſtlern und Gelehrten/ die eigent- liche Beſchaffenheit natuͤrlicher Sachen zu unterſuchen: aber daraus entſpringet darum gar keine Folge/ daß dennoch nicht mancher natuͤrlicher Sachen Beſchaffenheit/ in heiliger Schrifft/ wiewol kuͤrtzlich/ angezeigt werde: Sonſt muͤſte/ in dem Buche Hiob/ nicht mancher Thiere Natur und Art begriſſen ſeyn. Und was fuͤr eine ungereimte Meynung waͤre das/ daß man ſagen wolte/ der heilige Geiſt haͤtte/ durch den Mund Da- vids/ ein ſolches Fuͤrbild deß Meſſiæ und ſeines Evangelii/ erwaͤhlt/ das auf einem bloſſen leeren eitlen Wahn menſchlicher Unwiſſenheit beruhete; nemlich einen falſch-eingebildeten Sonnen-Lauff? Dieſem nach ſchlieſſe ich: Wenn die Heil. Schrifft/ von eines Din- Goldſtern. Jch bin hierinn/ mit dem Herꝛn/ allerdings einig/ und Jnmittelſt hat der Herꝛ Schoͤnwald dieſe meine Erklaͤrung/ daß/ Schoͤnwald. Man giebt aber deßwegen die Sonne nicht/ fuͤr gantz M m m m m ij
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Von der Sonnen.
meynet ſey. Wie darff denn nun Baldæus (der doch ſonſt ſelber auch
die Sonne fuͤr beweglich und ſchnell-laͤuffig achtet) deß Schotani Rede
gut ſprechen/ und ſagen/ es ſey kein eintziger Ort in heiliger Schrifft/ wel-
cher beſchreibt/ und erweiſet das Stillſtehen und die Unbeweglichkeit der
Erden/ und hingegen das Umlauffen oder die Bewegung der Sonnen.
GOttes Wort uͤberlaͤſſt zwar den Kuͤnſtlern und Gelehrten/ die eigent-
liche Beſchaffenheit natuͤrlicher Sachen zu unterſuchen: aber daraus
entſpringet darum gar keine Folge/ daß dennoch nicht mancher natuͤrlicher
Sachen Beſchaffenheit/ in heiliger Schrifft/ wiewol kuͤrtzlich/ angezeigt
werde: Sonſt muͤſte/ in dem Buche Hiob/ nicht mancher Thiere Natur
und Art begriſſen ſeyn. Und was fuͤr eine ungereimte Meynung waͤre
das/ daß man ſagen wolte/ der heilige Geiſt haͤtte/ durch den Mund Da-
vids/ ein ſolches Fuͤrbild deß Meſſiæ und ſeines Evangelii/ erwaͤhlt/ das
auf einem bloſſen leeren eitlen Wahn menſchlicher Unwiſſenheit beruhete;
nemlich einen falſch-eingebildeten Sonnen-Lauff?
Dieſem nach ſchlieſſe ich: Wenn die Heil. Schrifft/ von eines Din-
ges natuͤrlichen Eigenſchafft/ einen ſo klaren/ eigentlichen und unverbluͤm-
ten Bericht ertheilt; habe man/ in der Beſchreibung ſelbiges natuͤrlichen
Dinges/ gnugſame Urſach/ ſich darauf zu beziehen/ und die widrige Mey-
nung zu verwerffen: zumal wenn keine augenſchein- und handgreiffliche
Experientz uns zeiget/ daß die Heil. Schrifft nur/ unſerer Einfalt zu gut/
ſo und ſo geredet habe. Fuͤrs andre: Wenn/ in natuͤrlichen Streit-Fra-
gen/ die Beweis-Gruͤnde beyder Seiten faſt gleich ſcheinen/ und die Er-
fahrung keinen gewiſſen Ausſchlag geben kan; ſo ſtimmet man am ſicher-
ſten den jenigen zu/ mit welchen die Heil. Schrifft uͤbereinſtimmet.
Goldſtern. Jch bin hierinn/ mit dem Herꝛn/ allerdings einig/ und
ſetze/ an ſtatt deß dritten Schluſſes/ dieſes hinzu: Wann/ in natuͤrlichen
Strittigkeiten/ die ſtaͤrckere Parthey/ mit den ſtaͤrckſten und ſcheinbar-
ſten Beweisthuͤmern/ verſehen iſt/ und uͤberdas/ in heiliger Schrifft/ eini-
ge Beyſtimmung findet; gewinnet dieſer Theil billig mehr Anſehens und
Glaubens/ denn jener. Jn dieſer Frage aber/ ob die Sonne lauffe?
fuͤhrt der bejahende Theil die ſcheinbarſten Schluͤſſe/ und hat beynebſt den
heiligen Buchſtab/ in recht eigentlichem Wort-Verſtande/ auf ſeiner
Seiten: darum verdient er hierinn mehr Glaubens/ als der Gegentheil.
Daß er aber/ mit beſtaͤndigern Gruͤnden/ geruͤſtet ſey; wird/ bey andrer
Veranlaſſung vielleicht ausgefuͤhret werden.
Jnmittelſt hat der Herꝛ Schoͤnwald dieſe meine Erklaͤrung/ daß/
in meiner Einbildung/ nicht die Erde/ ſondern die Sonne/ herumlauffe.
Schoͤnwald. Man giebt aber deßwegen die Sonne nicht/ fuͤr
gantz
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Zitationshilfe: | Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 827. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/877>, abgerufen am 28.07.2024. |