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Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.

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von der Welt/ und Leerheit
bung/ fassen/ das sey Nichts? Jmgleichen die Welt sey im Nichts be-
festiget?

Goldstern. Der Herr wisse/ daß ein solches Nichts/ oder dieNichts das
hat einen
doppelten
Verstand.

Nichts-Leerheit/ auf zweyerley Art/ verstanden werden könne: entweder/
mit einem Absehen auf Gott den Herrn; oder auf die natürliche Ordnung
der erschaffenen Dinge. Nach der ersten Betrachtung ist/ in der War-
heit/ und warhaffter Befindlichkeit/ ausserhalb der Welt/ nichts/ so nicht/
von der Fülle Göttlicher Substantz/ würde angefüllt. Nach der andren
aber/ sagt man recht/ es sey Nichts da vorhanden; nemlich ein solches
Nichts/ welches man in Schulen/ Nihil negativum nennet; weil/ in
rechter Warheit/ allda nichts mehr ist/ ohn GOtt allein.

Nach dieser Erklärung können wir desto glücklicher und kräfftiger/
den unkräfftigen Schluß Taurelli aufschliessen/ und zernichten. Wel-
cher/ meines Behalts/ also eingerichtet war: Ausser dem Himmel/ oder
am Ende deß Himmels/ und aller Welt/ würde ich entweder mei-
ne Hand können ausstrecken/ oder nicht: könnte ich sie von mir
strecken; so müste ein Raum noch übrig seyn/ der meine Hand ein-
nähme. Könnte ich sie nicht ausstrecken; so müste/ ausser dem
Himmel/ noch etwas seyn/ das mich daran verhinderte. Man
wähle nun/ welches man will; so erfolgt/ aus diesem Schluß ge-
wiß/ daß/ über allen Himmeln/ noch etwas sey.
Wir wollen den er-
sten Flügel dieser zwey-geflügelten Schluß-Rede/ weil er uns wenig
schadenkan/ vorbey gehen/ und auf den andren ansetzen. Könnte ich
die Hand nicht mehr ausstrecken/ so müsste etwas seyn/ das mich
daran verhinderte.
Dieses folget gar nicht/ wofern Taurellus/ durch
das Etwas einen Körper/ oder erschaffenes Wesen/ oder auch eine von
aussen zu verhindrende natürliche Gewalt versteht. Denn das wäre
eine selbst-Widersprechung und Contradictio in opposito, ausser dem
Kreys der Natur seyn/ und doch/ durch eine natürliche Krafft/ noch ge-
hindert werden. Zudem könnte und würde auch die Verhindrung nicht
eben von aussen zu allein/ vermittelst deß Nichts/ und der Unnatürlichkeit/
und Unwesenheit/ sondern eben so bald/ und zwar vielmehr/ innerlich in
ihm selbsten/ verhindert werden/ durch Aufhörung und Verschwindung
aller seiner natürlichen Regungen und Bewegungen/ wie in einem Ge-
storbenem: welche ihm gewißlich/ ausserhalb der Welt/ nicht bleiben/
noch einen Augenblick bestehen könnten/ ohn durch eine sonderbare Krafft
der göttlichen Allmacht; wovon aber jetzt nicht geredet wird. Meinet er
denn mit dem Etwas/ eben das purlautere Nichts (Nihil negativum)
wovon oben gesagt ist: so hette er zwar dasjenige übel Etwas geheissen;

aber
H iij

von der Welt/ und Leerheit
bung/ faſſen/ das ſey Nichts? Jmgleichen die Welt ſey im Nichts be-
feſtiget?

Goldſtern. Der Herꝛ wiſſe/ daß ein ſolches Nichts/ oder dieNichts das
hat einen
doppelten
Verſtand.

Nichts-Leerheit/ auf zweyerley Art/ verſtanden werden koͤnne: entweder/
mit einem Abſehen auf Gott den Herrn; oder auf die natuͤrliche Ordnung
der erſchaffenen Dinge. Nach der erſten Betrachtung iſt/ in der War-
heit/ und warhaffter Befindlichkeit/ auſſerhalb der Welt/ nichts/ ſo nicht/
von der Fuͤlle Goͤttlicher Subſtantz/ wuͤrde angefuͤllt. Nach der andren
aber/ ſagt man recht/ es ſey Nichts da vorhanden; nemlich ein ſolches
Nichts/ welches man in Schulen/ Nihil negativum nennet; weil/ in
rechter Warheit/ allda nichts mehr iſt/ ohn GOtt allein.

Nach dieſer Erklaͤrung koͤnnen wir deſto gluͤcklicher und kraͤfftiger/
den unkraͤfftigen Schluß Taurelli aufſchlieſſen/ und zernichten. Wel-
cher/ meines Behalts/ alſo eingerichtet war: Auſſer dem Himmel/ oder
am Ende deß Himmels/ und aller Welt/ wuͤrde ich entweder mei-
ne Hand koͤnnen ausſtrecken/ oder nicht: koͤnnte ich ſie von mir
ſtrecken; ſo muͤſte ein Raum noch uͤbrig ſeyn/ der meine Hand ein-
naͤhme. Koͤnnte ich ſie nicht ausſtrecken; ſo muͤſte/ auſſer dem
Himmel/ noch etwas ſeyn/ das mich daran verhinderte. Man
waͤhle nun/ welches man will; ſo erfolgt/ aus dieſem Schluß ge-
wiß/ daß/ uͤber allen Himmeln/ noch etwas ſey.
Wir wollen den er-
ſten Fluͤgel dieſer zwey-gefluͤgelten Schluß-Rede/ weil er uns wenig
ſchadenkan/ vorbey gehen/ und auf den andren anſetzen. Koͤnnte ich
die Hand nicht mehr ausſtrecken/ ſo muͤſſte etwas ſeyn/ das mich
daran verhinderte.
Dieſes folget gar nicht/ wofern Taurellus/ durch
das Etwas einen Koͤrper/ oder erſchaffenes Weſen/ oder auch eine von
auſſen zu verhindrende natuͤrliche Gewalt verſteht. Denn das waͤre
eine ſelbſt-Widerſprechung und Contradictio in oppoſito, auſſer dem
Kreys der Natur ſeyn/ und doch/ durch eine natuͤrliche Krafft/ noch ge-
hindert werden. Zudem koͤnnte und wuͤrde auch die Verhindrung nicht
eben von auſſen zu allein/ vermittelſt deß Nichts/ und der Unnatuͤrlichkeit/
und Unweſenheit/ ſondern eben ſo bald/ und zwar vielmehr/ innerlich in
ihm ſelbſten/ verhindert werden/ durch Aufhoͤrung und Verſchwindung
aller ſeiner natuͤrlichen Regungen und Bewegungen/ wie in einem Ge-
ſtorbenem: welche ihm gewißlich/ auſſerhalb der Welt/ nicht bleiben/
noch einen Augenblick beſtehen koͤnnten/ ohn durch eine ſonderbare Krafft
der goͤttlichen Allmacht; wovon aber jetzt nicht geredet wird. Meinet er
denn mit dem Etwas/ eben das purlautere Nichts (Nihil negativum)
wovon oben geſagt iſt: ſo hette er zwar dasjenige uͤbel Etwas geheiſſen;

aber
H iij
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[61/0087] von der Welt/ und Leerheit bung/ faſſen/ das ſey Nichts? Jmgleichen die Welt ſey im Nichts be- feſtiget? Goldſtern. Der Herꝛ wiſſe/ daß ein ſolches Nichts/ oder die Nichts-Leerheit/ auf zweyerley Art/ verſtanden werden koͤnne: entweder/ mit einem Abſehen auf Gott den Herrn; oder auf die natuͤrliche Ordnung der erſchaffenen Dinge. Nach der erſten Betrachtung iſt/ in der War- heit/ und warhaffter Befindlichkeit/ auſſerhalb der Welt/ nichts/ ſo nicht/ von der Fuͤlle Goͤttlicher Subſtantz/ wuͤrde angefuͤllt. Nach der andren aber/ ſagt man recht/ es ſey Nichts da vorhanden; nemlich ein ſolches Nichts/ welches man in Schulen/ Nihil negativum nennet; weil/ in rechter Warheit/ allda nichts mehr iſt/ ohn GOtt allein. Nichts das hat einen doppelten Verſtand. Nach dieſer Erklaͤrung koͤnnen wir deſto gluͤcklicher und kraͤfftiger/ den unkraͤfftigen Schluß Taurelli aufſchlieſſen/ und zernichten. Wel- cher/ meines Behalts/ alſo eingerichtet war: Auſſer dem Himmel/ oder am Ende deß Himmels/ und aller Welt/ wuͤrde ich entweder mei- ne Hand koͤnnen ausſtrecken/ oder nicht: koͤnnte ich ſie von mir ſtrecken; ſo muͤſte ein Raum noch uͤbrig ſeyn/ der meine Hand ein- naͤhme. Koͤnnte ich ſie nicht ausſtrecken; ſo muͤſte/ auſſer dem Himmel/ noch etwas ſeyn/ das mich daran verhinderte. Man waͤhle nun/ welches man will; ſo erfolgt/ aus dieſem Schluß ge- wiß/ daß/ uͤber allen Himmeln/ noch etwas ſey. Wir wollen den er- ſten Fluͤgel dieſer zwey-gefluͤgelten Schluß-Rede/ weil er uns wenig ſchadenkan/ vorbey gehen/ und auf den andren anſetzen. Koͤnnte ich die Hand nicht mehr ausſtrecken/ ſo muͤſſte etwas ſeyn/ das mich daran verhinderte. Dieſes folget gar nicht/ wofern Taurellus/ durch das Etwas einen Koͤrper/ oder erſchaffenes Weſen/ oder auch eine von auſſen zu verhindrende natuͤrliche Gewalt verſteht. Denn das waͤre eine ſelbſt-Widerſprechung und Contradictio in oppoſito, auſſer dem Kreys der Natur ſeyn/ und doch/ durch eine natuͤrliche Krafft/ noch ge- hindert werden. Zudem koͤnnte und wuͤrde auch die Verhindrung nicht eben von auſſen zu allein/ vermittelſt deß Nichts/ und der Unnatuͤrlichkeit/ und Unweſenheit/ ſondern eben ſo bald/ und zwar vielmehr/ innerlich in ihm ſelbſten/ verhindert werden/ durch Aufhoͤrung und Verſchwindung aller ſeiner natuͤrlichen Regungen und Bewegungen/ wie in einem Ge- ſtorbenem: welche ihm gewißlich/ auſſerhalb der Welt/ nicht bleiben/ noch einen Augenblick beſtehen koͤnnten/ ohn durch eine ſonderbare Krafft der goͤttlichen Allmacht; wovon aber jetzt nicht geredet wird. Meinet er denn mit dem Etwas/ eben das purlautere Nichts (Nihil negativum) wovon oben geſagt iſt: ſo hette er zwar dasjenige uͤbel Etwas geheiſſen; aber H iij

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Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/87>, abgerufen am 25.11.2024.