Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.Von dem Mond. Wer wolte die Breite der Berge/ so um die Grentze deßLichts/ und Schattens befindlich/ ermessen: Gewißlich es waren etliche nicht anders/ als wir zugespitzte Thürne anzu- sehen/ und dieneten mit ihren zusamm-gehügelten Boll- wercken/ gleichsam für einen Riegel/ oder Thamm/ wider das Meer deß Monds. Uberdas re gierte allda eine so strenge Kälte/ und (fürnemlich um die Zeit deß Vollmonds) so grim- mig-kalte Lufft/ daß ich mich keiner schärfferen/ subtilern/ und durchdringendern Kälte zu erinnern wüste. Ja! wenn mich keine göttliche Krafft erhalten/ würde ich/ wegen der Lufft/ die weiß nicht was für eine Erstickungs-Gewalt bey sich führt/ und zu dieser irdischen Lufft gar nicht gepropottio- nirt ist/ keinen Augenblick beym Leben geblieben seyn. Doch wäre ich schier gestorben/ vor Schrecken/ für dem grausamen Toben deß Gewässer etc. Woher solches ungewöhnliche Brausen deß Mond-Meers entstehe; habe ich allbereit vorhin gedacht/ und derhalben jetzt nicht Ursach zu wiederholen. Unterdessen haben wir/ wie ich hoffe/ Ursachen gnug vernommen/ den Mond für einen gantz tuncklen und von Natur unscheinbaren Körper zu halten. Nachdem nun dieses ausgemacht/ daß er kein eigenes Licht habe/ Wenn die auswendige Mond-Seite die Gestalt eines Spiegels welbte
Von dem Mond. Wer wolte die Breite der Berge/ ſo um die Grentze deßLichts/ und Schattens befindlich/ ermeſſen: Gewißlich es waren etliche nicht anders/ als wir zugeſpitzte Thuͤrne anzu- ſehen/ und dieneten mit ihren zuſamm-gehuͤgelten Boll- wercken/ gleichſam fuͤr einen Riegel/ oder Thamm/ wider das Meer deß Monds. Uberdas re gierte allda eine ſo ſtrenge Kaͤlte/ und (fuͤrnemlich um die Zeit deß Vollmonds) ſo grim- mig-kalte Lufft/ daß ich mich keiner ſchaͤrfferen/ ſubtilern/ und durchdringendern Kaͤlte zu erinnern wuͤſte. Ja! wenn mich keine goͤttliche Krafft erhalten/ wuͤrde ich/ wegen der Lufft/ die weiß nicht was fuͤr eine Erſtickungs-Gewalt bey ſich fuͤhrt/ und zu dieſer irdiſchen Lufft gar nicht gepropottio- nirt iſt/ keinen Augenblick beym Leben geblieben ſeyn. Doch waͤre ich ſchier geſtorben/ vor Schrecken/ fuͤr dem grauſamen Toben deß Gewaͤſſer ꝛc. Woher ſolches ungewoͤhnliche Brauſen deß Mond-Meers entſtehe; habe ich allbereit vorhin gedacht/ und derhalben jetzt nicht Urſach zu wiederholen. Unterdeſſen haben wir/ wie ich hoffe/ Urſachen gnug vernommen/ den Mond fuͤr einen gantz tuncklen und von Natur unſcheinbaren Koͤrper zu halten. Nachdem nun dieſes ausgemacht/ daß er kein eigenes Licht habe/ Wenn die auswendige Mond-Seite die Geſtalt eines Spiegels welbte
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Von dem Mond.
Wer wolte die Breite der Berge/ ſo um die Grentze deß
Lichts/ und Schattens befindlich/ ermeſſen: Gewißlich es
waren etliche nicht anders/ als wir zugeſpitzte Thuͤrne anzu-
ſehen/ und dieneten mit ihren zuſamm-gehuͤgelten Boll-
wercken/ gleichſam fuͤr einen Riegel/ oder Thamm/ wider
das Meer deß Monds. Uberdas re gierte allda eine ſo ſtrenge
Kaͤlte/ und (fuͤrnemlich um die Zeit deß Vollmonds) ſo grim-
mig-kalte Lufft/ daß ich mich keiner ſchaͤrfferen/ ſubtilern/
und durchdringendern Kaͤlte zu erinnern wuͤſte. Ja! wenn
mich keine goͤttliche Krafft erhalten/ wuͤrde ich/ wegen der
Lufft/ die weiß nicht was fuͤr eine Erſtickungs-Gewalt bey
ſich fuͤhrt/ und zu dieſer irdiſchen Lufft gar nicht gepropottio-
nirt iſt/ keinen Augenblick beym Leben geblieben ſeyn. Doch
waͤre ich ſchier geſtorben/ vor Schrecken/ fuͤr dem grauſamen
Toben deß Gewaͤſſer ꝛc. Woher ſolches ungewoͤhnliche Brauſen deß
Mond-Meers entſtehe; habe ich allbereit vorhin gedacht/ und derhalben
jetzt nicht Urſach zu wiederholen. Unterdeſſen haben wir/ wie ich hoffe/
Urſachen gnug vernommen/ den Mond fuͤr einen gantz tuncklen und von
Natur unſcheinbaren Koͤrper zu halten.
Nachdem nun dieſes ausgemacht/ daß er kein eigenes Licht habe/
auch nicht ſcheinbar/ noch durchſichtig/ noch auf einer Seiten durchſchei-
nend/ auf der andren tunckel ſey/ noch ſein Licht/ bis zu einem gewiſſen
Theil/ (oder gewiſſe Maſſe) der Tieffen/ durchdringen koͤnne; ſolchem
nach diß Geſtirn einen gantz finſteren/ gewaltig-dicken/ und gar dichten
oder feſten Leib habe/ der ſein Licht einig allein/ von der Sonnen/ muͤſſe
zu Lehn empfahen: ſo begebe ich mich hiemit zu der zweyten Haupt-Frage
deß Herꝛn Forells/ was es doch hindre/ daß wir den Mond/
fuͤr einen hellpolirten blancken Spiegel ſchaͤtzen moͤgen: Jch
habe zwar allbereit hievon eine der wigtigſten Urſachen angefuͤhrt: weil
aber der Herꝛ Schoͤnwald nichts deſto weniger noch voͤlligern Bericht
und Verſicherung hernach begehrte: muß man ihn damit vergnuͤgen.
Wenn die auswendige Mond-Seite die Geſtalt eines Spiegels
hat; ſo muß ſolcher Mond-Spiegel auch eine gewiffe Figur haben. Denn
die Formen der Spiegel ſeynd gar ſehr unterſchieden. Denn der eine
Spiegel iſt gleich und eben; der andre hol/ oder rund-bauchicht; ein an-
drer rund-ſpitzig hol/ oder nach der Eyer-Linie/ ein andrer nach dem
Neige-Schnitt ausgenommen/ (Paraboliſcher) ein andrer nach der
Schnecken-Form. Jn Summa die Spiegel-Form kan ſo vielerley
ſeyn/ als vieler Figuren ein Strich/ oder hole und ge-
welbte
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