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Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.

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Der siebende Discurs/
Von der Cabalistischen Welt-Unter-
scheidung.

WJnterschild. Wenn ich betrachte/ was zuvor/ von den Ge-
niis
oder Natur-Engeln/ gesagt ward: so kommt mir fast
glaublich für/ daß die Rabbinen ihren Satz/ von den vier
grossen Engeln/ welche Gott der Herr/ über die vier Haupt-
Winde/ gesetzt haben soll/ von den alten Egyptern haben.
Denn sie schwätzen; Michael/ welcher an Seiten der Gnade und Erbar-
mung stehet/ sey/ über den Ost-Wind/ zum Regenten verordnet; Ra-
phael aber/ welcher gleichfalls ein Engel von der Gnade/ regiere den West-
Wind; Gabriel/ ein Engel deß Gerichts/ und der Strengheit (wiewol
wir Christen ihn füglicher/ wegen Ankündigung der Empfängniß und
Geburt deß Allerheiligsten/ einen Engel der Gnade und guter Botschafft/
oder einen Engel deß Heils/ tituliren möchten) habe/ in seiner Regierung/
den Nordwind; Horiel aber/ unter seiner Direction und Auf sicht den
Südwind.

Forell. Es kan seyn/ daß sie ihre Genios, von den Egyptern entlie-
hen/ aber hernach mit andren Gubernamenten/ und Aemtern/ belehnet
haben. Unter denselben findet sich auch der Venerische Genius, welchen
wir nicht unfüglich den Liebes-Engel/ oder Liebes-Geist/ nennen möch-
ten. Von welchem ihr Talmud etwas artliches erzehlet/ das fast gut fürs
Trauren. Es haben einsmals zween fromme gottsfürchtige Jüden/ bey
sich/ schmertzlich beklagt/ und beseufftzt/ daß der böse Geist dem mensch-
lichem Geschlecht so grausamen Schaden thäte/ und die einige Ursach wä-
re der Zerstörung ihres Tempels/ wie auch deß mühseligen Terminirens
und Exulirens/ womit ihre Nation müste geplagt seyn. Jhr Hertzleid
wuchs noch mehr/ als sie bedachten/ wie ihm noch immerzu Macht gelassen
würde/ sich mitten unter die Jüden zu mischen. Weil sie denn gleichwol
dafür hielten/ Gott hätte diesen bösen Engel/ zu keinem andren Ende/ er-
schaffen/ als daß fromme Leute denselben überwinden/ und dadurch einen

herrlichen
P


Der ſiebende Discurs/
Von der Cabaliſtiſchen Welt-Unter-
ſcheidung.

WJnterſchild. Wenn ich betrachte/ was zuvor/ von den Ge-
niis
oder Natur-Engeln/ geſagt ward: ſo kommt mir faſt
glaublich fuͤr/ daß die Rabbinen ihren Satz/ von den vier
groſſen Engeln/ welche Gott der Herꝛ/ uͤber die vier Haupt-
Winde/ geſetzt haben ſoll/ von den alten Egyptern haben.
Denn ſie ſchwaͤtzen; Michael/ welcher an Seiten der Gnade und Erbar-
mung ſtehet/ ſey/ uͤber den Oſt-Wind/ zum Regenten verordnet; Ra-
phael aber/ welcher gleichfalls ein Engel von der Gnade/ regiere den Weſt-
Wind; Gabriel/ ein Engel deß Gerichts/ und der Strengheit (wiewol
wir Chriſten ihn fuͤglicher/ wegen Ankuͤndigung der Empfaͤngniß und
Geburt deß Allerheiligſten/ einen Engel der Gnade und guter Botſchafft/
oder einen Engel deß Heils/ tituliren moͤchten) habe/ in ſeiner Regierung/
den Nordwind; Horiel aber/ unter ſeiner Direction und Auf ſicht den
Suͤdwind.

Forell. Es kan ſeyn/ daß ſie ihre Genios, von den Egyptern entlie-
hen/ aber hernach mit andren Gubernamenten/ und Aemtern/ belehnet
haben. Unter denſelben findet ſich auch der Veneriſche Genius, welchen
wir nicht unfuͤglich den Liebes-Engel/ oder Liebes-Geiſt/ nennen moͤch-
ten. Von welchem ihr Talmud etwas artliches erzehlet/ das faſt gut fuͤrs
Trauren. Es haben einsmals zween fromme gottsfuͤrchtige Juͤden/ bey
ſich/ ſchmertzlich beklagt/ und beſeufftzt/ daß der boͤſe Geiſt dem menſch-
lichem Geſchlecht ſo grauſamen Schaden thaͤte/ und die einige Urſach waͤ-
re der Zerſtoͤrung ihres Tempels/ wie auch deß muͤhſeligen Terminirens
und Exulirens/ womit ihre Nation muͤſte geplagt ſeyn. Jhr Hertzleid
wuchs noch mehr/ als ſie bedachten/ wie ihm noch immerzu Macht gelaſſen
wuͤrde/ ſich mitten unter die Juͤden zu miſchen. Weil ſie denn gleichwol
dafuͤr hielten/ Gott haͤtte dieſen boͤſen Engel/ zu keinem andren Ende/ er-
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[113/0139] Der ſiebende Discurs/ Von der Cabaliſtiſchen Welt-Unter- ſcheidung. WJnterſchild. Wenn ich betrachte/ was zuvor/ von den Ge- niis oder Natur-Engeln/ geſagt ward: ſo kommt mir faſt glaublich fuͤr/ daß die Rabbinen ihren Satz/ von den vier groſſen Engeln/ welche Gott der Herꝛ/ uͤber die vier Haupt- Winde/ geſetzt haben ſoll/ von den alten Egyptern haben. Denn ſie ſchwaͤtzen; Michael/ welcher an Seiten der Gnade und Erbar- mung ſtehet/ ſey/ uͤber den Oſt-Wind/ zum Regenten verordnet; Ra- phael aber/ welcher gleichfalls ein Engel von der Gnade/ regiere den Weſt- Wind; Gabriel/ ein Engel deß Gerichts/ und der Strengheit (wiewol wir Chriſten ihn fuͤglicher/ wegen Ankuͤndigung der Empfaͤngniß und Geburt deß Allerheiligſten/ einen Engel der Gnade und guter Botſchafft/ oder einen Engel deß Heils/ tituliren moͤchten) habe/ in ſeiner Regierung/ den Nordwind; Horiel aber/ unter ſeiner Direction und Auf ſicht den Suͤdwind. Forell. Es kan ſeyn/ daß ſie ihre Genios, von den Egyptern entlie- hen/ aber hernach mit andren Gubernamenten/ und Aemtern/ belehnet haben. Unter denſelben findet ſich auch der Veneriſche Genius, welchen wir nicht unfuͤglich den Liebes-Engel/ oder Liebes-Geiſt/ nennen moͤch- ten. Von welchem ihr Talmud etwas artliches erzehlet/ das faſt gut fuͤrs Trauren. Es haben einsmals zween fromme gottsfuͤrchtige Juͤden/ bey ſich/ ſchmertzlich beklagt/ und beſeufftzt/ daß der boͤſe Geiſt dem menſch- lichem Geſchlecht ſo grauſamen Schaden thaͤte/ und die einige Urſach waͤ- re der Zerſtoͤrung ihres Tempels/ wie auch deß muͤhſeligen Terminirens und Exulirens/ womit ihre Nation muͤſte geplagt ſeyn. Jhr Hertzleid wuchs noch mehr/ als ſie bedachten/ wie ihm noch immerzu Macht gelaſſen wuͤrde/ ſich mitten unter die Juͤden zu miſchen. Weil ſie denn gleichwol dafuͤr hielten/ Gott haͤtte dieſen boͤſen Engel/ zu keinem andren Ende/ er- ſchaffen/ als daß fromme Leute denſelben uͤberwinden/ und dadurch einen herꝛlichen P

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Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/139>, abgerufen am 28.04.2024.