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Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.

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Araber u. a. m. Ur- und Engel-Welt.

Die Wels im Verstande oder die Geistliche heist sie/ zum Unter-Warum sie
Jdealisch
oder die
Welt im
Verstande/
heissen.

scheide dieser sinnlichen und leiblichen Welt: denn wie diese allein/ mit
Sinnen/ also wird jene nur/ mit dem Verstande/ begriffen. Fürs an-
dre/ wird sie auch darum die Geistliche oder Verständnissen-Welt
benamset/ weil sie alle die Verständnissen behauset/ alle die Geister sprech
ich/ nicht nur der Engel/ sondern auch der Seelen: welche deßwegen/ vom
Plotino/ Einwohner der Verständniß-Welt (Mundi intelligibilis)
benamset werden. Eine Welt wird sie (drittens) genannt: weil sie in
sich begreifft alle Wesenheiten/ alle Dinge/ alle Formen (oder Gestalten)
alle Leben/ und alle Verständnissen (Intellectus) nicht anders/ als wie
diese leibliche Welt alle Körper/ alle Formen der Körper/ und alle leibli-
che Accidentien/ ausser welchen Dingen/ in dieser körperlichen Welt/ sonst
weiter nichts anzutreffen/ in sich verfasset. Wiewol/ zwischen den Din-
gen der Geist- und leiblichen Welt/ ein grosser Unterscheid.

Als die Egyptische Weisen dieses/ an Gott/ betrachteten/ und merck-
ten/ daß der so grosse unermeßliche GOtt/ ohn ewigen Verstand/ nicht
seyn könnte; auch wol sahen/ daß keine Würckung oder Geschässt deß
Verstandes ohn dem/ was verständlich/ als welches Gottes eigenes Ob-
ject oder Fürstellung ist/ könne bestehn: haben sie geschlossen/ bey diesem/
immer und ewig verstehendem (oder wirckendem) Göttlichem Verstande/
müsten auch etliche ewige Verständlichkeiten (oder Dinge/ so sich verstehn
lassen) seyn/ so die ersten wären; gleichwie Er/ der Herr/ der erst-verste-
hende Verstand: solche verständliche Dinge müsten auch ewig/ und un-
beweglich seyn: damit nicht/ wenn sie verändert würden/ von GOtt/ we-
gen solcher Verändrung/ gleichfalls eine Wandelbarkeit etwan gesagt
werden könnte/ als welcher/ zugleich mit der Zeit/ eine neue Vollkom-
menheit erlangte: Welches Beydes eine gleiche Absurdität in sich hält.

Weil über das diese erste Exemplar oder Muster in Gott demselben
nicht auf zufällige Art (per modum Accidentium) oder wie dieser und
jener Bau einem Bau-Meister im Sinne stehet/ beywohnen; sondern/
angezeigter massen/ in der einbaren Wesenheit Gottes begriffen sind:
haben diese alte Weisen geurtheilet/ alle Dinge der Welt/ alle Gattungs-
Gestalten (species) und Formen/ ja aller Dinge eintzelne Selbstständigkei-
ten (Individua) hetten/ in Gott/ von Ewigkeit her/ ihre Formen oder Ur-
dildnissen gehabt/ ja! deß Menschen/ Pferdes/ Leuens/ und andrer Ge-
schöpffe urständige Muster in Gott (Ideae) wären Gott selbst; kurtz/ in
Gott/ verhielte sich alles/ auf göttliche Weise: Und hierinn sind sie so gar
weit gangen/ daß sie es/ für keinen ungereimten Schluß geachtet/ zu sa-
gen/ ein in GOtt ur-bildlich (idealiter) betrachtetes Pferd sey GOtt
selbst.

Diese
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Araber u. a. m. Ur- und Engel-Welt.

Die Wels im Verſtande oder die Geiſtliche heiſt ſie/ zum Unter-Warum ſie
Jdealiſch
oder die
Welt im
Verſtande/
heiſſen.

ſcheide dieſer ſinnlichen und leiblichen Welt: denn wie dieſe allein/ mit
Sinnen/ alſo wird jene nur/ mit dem Verſtande/ begriffen. Fuͤrs an-
dre/ wird ſie auch darum die Geiſtliche oder Verſtaͤndniſſen-Welt
benamſet/ weil ſie alle die Verſtaͤndniſſen behauſet/ alle die Geiſter ſprech
ich/ nicht nur der Engel/ ſondern auch der Seelen: welche deßwegen/ vom
Plotino/ Einwohner der Verſtaͤndniß-Welt (Mundi intelligibilis)
benamſet werden. Eine Welt wird ſie (drittens) genannt: weil ſie in
ſich begreifft alle Weſenheiten/ alle Dinge/ alle Formen (oder Geſtalten)
alle Leben/ und alle Verſtaͤndniſſen (Intellectus) nicht anders/ als wie
dieſe leibliche Welt alle Koͤrper/ alle Formen der Koͤrper/ und alle leibli-
che Accidentien/ auſſer welchen Dingen/ in dieſer koͤrperlichen Welt/ ſonſt
weiter nichts anzutreffen/ in ſich verfaſſet. Wiewol/ zwiſchen den Din-
gen der Geiſt- und leiblichen Welt/ ein groſſer Unterſcheid.

Als die Egyptiſche Weiſen dieſes/ an Gott/ betrachteten/ und merck-
ten/ daß der ſo groſſe unermeßliche GOtt/ ohn ewigen Verſtand/ nicht
ſeyn koͤnnte; auch wol ſahen/ daß keine Wuͤrckung oder Geſchaͤſſt deß
Verſtandes ohn dem/ was verſtaͤndlich/ als welches Gottes eigenes Ob-
ject oder Fuͤrſtellung iſt/ koͤnne beſtehn: haben ſie geſchloſſen/ bey dieſem/
immer und ewig verſtehendem (oder wirckendem) Goͤttlichem Veꝛſtande/
muͤſten auch etliche ewige Verſtaͤndlichkeiten (oder Dinge/ ſo ſich verſtehn
laſſen) ſeyn/ ſo die erſten waͤren; gleichwie Er/ der Herꝛ/ der erſt-verſte-
hende Verſtand: ſolche verſtaͤndliche Dinge muͤſten auch ewig/ und un-
beweglich ſeyn: damit nicht/ wenn ſie veraͤndert wuͤrden/ von GOtt/ we-
gen ſolcher Veraͤndrung/ gleichfalls eine Wandelbarkeit etwan geſagt
werden koͤnnte/ als welcher/ zugleich mit der Zeit/ eine neue Vollkom-
menheit erlangte: Welches Beydes eine gleiche Abſurditaͤt in ſich haͤlt.

Weil uͤber das dieſe erſte Exemplar oder Muſter in Gott demſelben
nicht auf zufaͤllige Art (per modum Accidentium) oder wie dieſer und
jener Bau einem Bau-Meiſter im Sinne ſtehet/ beywohnen; ſondern/
angezeigter maſſen/ in der einbaren Weſenheit Gottes begriffen ſind:
haben dieſe alte Weiſen geurtheilet/ alle Dinge der Welt/ alle Gattungs-
Geſtalten (ſpecies) und Formen/ ja aller Dinge eintzelne Selbſtſtaͤndigkei-
ten (Individua) hetten/ in Gott/ von Ewigkeit her/ ihre Formen oder Ur-
dildniſſen gehabt/ ja! deß Menſchen/ Pferdes/ Leuens/ und andrer Ge-
ſchoͤpffe urſtaͤndige Muſter in Gott (Ideæ) waͤren Gott ſelbſt; kurtz/ in
Gott/ verhielte ſich alles/ auf goͤttliche Weiſe: Und hierinn ſind ſie ſo gar
weit gangen/ daß ſie es/ fuͤr keinen ungereimten Schluß geachtet/ zu ſa-
gen/ ein in GOtt ur-bildlich (idealiter) betrachtetes Pferd ſey GOtt
ſelbſt.

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[85/0111] Araber u. a. m. Ur- und Engel-Welt. Die Wels im Verſtande oder die Geiſtliche heiſt ſie/ zum Unter- ſcheide dieſer ſinnlichen und leiblichen Welt: denn wie dieſe allein/ mit Sinnen/ alſo wird jene nur/ mit dem Verſtande/ begriffen. Fuͤrs an- dre/ wird ſie auch darum die Geiſtliche oder Verſtaͤndniſſen-Welt benamſet/ weil ſie alle die Verſtaͤndniſſen behauſet/ alle die Geiſter ſprech ich/ nicht nur der Engel/ ſondern auch der Seelen: welche deßwegen/ vom Plotino/ Einwohner der Verſtaͤndniß-Welt (Mundi intelligibilis) benamſet werden. Eine Welt wird ſie (drittens) genannt: weil ſie in ſich begreifft alle Weſenheiten/ alle Dinge/ alle Formen (oder Geſtalten) alle Leben/ und alle Verſtaͤndniſſen (Intellectus) nicht anders/ als wie dieſe leibliche Welt alle Koͤrper/ alle Formen der Koͤrper/ und alle leibli- che Accidentien/ auſſer welchen Dingen/ in dieſer koͤrperlichen Welt/ ſonſt weiter nichts anzutreffen/ in ſich verfaſſet. Wiewol/ zwiſchen den Din- gen der Geiſt- und leiblichen Welt/ ein groſſer Unterſcheid. Warum ſie Jdealiſch oder die Welt im Verſtande/ heiſſen. Als die Egyptiſche Weiſen dieſes/ an Gott/ betrachteten/ und merck- ten/ daß der ſo groſſe unermeßliche GOtt/ ohn ewigen Verſtand/ nicht ſeyn koͤnnte; auch wol ſahen/ daß keine Wuͤrckung oder Geſchaͤſſt deß Verſtandes ohn dem/ was verſtaͤndlich/ als welches Gottes eigenes Ob- ject oder Fuͤrſtellung iſt/ koͤnne beſtehn: haben ſie geſchloſſen/ bey dieſem/ immer und ewig verſtehendem (oder wirckendem) Goͤttlichem Veꝛſtande/ muͤſten auch etliche ewige Verſtaͤndlichkeiten (oder Dinge/ ſo ſich verſtehn laſſen) ſeyn/ ſo die erſten waͤren; gleichwie Er/ der Herꝛ/ der erſt-verſte- hende Verſtand: ſolche verſtaͤndliche Dinge muͤſten auch ewig/ und un- beweglich ſeyn: damit nicht/ wenn ſie veraͤndert wuͤrden/ von GOtt/ we- gen ſolcher Veraͤndrung/ gleichfalls eine Wandelbarkeit etwan geſagt werden koͤnnte/ als welcher/ zugleich mit der Zeit/ eine neue Vollkom- menheit erlangte: Welches Beydes eine gleiche Abſurditaͤt in ſich haͤlt. Weil uͤber das dieſe erſte Exemplar oder Muſter in Gott demſelben nicht auf zufaͤllige Art (per modum Accidentium) oder wie dieſer und jener Bau einem Bau-Meiſter im Sinne ſtehet/ beywohnen; ſondern/ angezeigter maſſen/ in der einbaren Weſenheit Gottes begriffen ſind: haben dieſe alte Weiſen geurtheilet/ alle Dinge der Welt/ alle Gattungs- Geſtalten (ſpecies) und Formen/ ja aller Dinge eintzelne Selbſtſtaͤndigkei- ten (Individua) hetten/ in Gott/ von Ewigkeit her/ ihre Formen oder Ur- dildniſſen gehabt/ ja! deß Menſchen/ Pferdes/ Leuens/ und andrer Ge- ſchoͤpffe urſtaͤndige Muſter in Gott (Ideæ) waͤren Gott ſelbſt; kurtz/ in Gott/ verhielte ſich alles/ auf goͤttliche Weiſe: Und hierinn ſind ſie ſo gar weit gangen/ daß ſie es/ fuͤr keinen ungereimten Schluß geachtet/ zu ſa- gen/ ein in GOtt ur-bildlich (idealiter) betrachtetes Pferd ſey GOtt ſelbſt. Dieſe L iij

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Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/111>, abgerufen am 23.11.2024.