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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

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ließ ihm zur Antwort keine Zeit. Sie ermahnte
das Mädchen, fein sittig aufzustehn, und sich
an ihre Arbeit zu begeben. Undine aber zog,
ohne zu antworten, eine kleine Fußbank neben
Huldbrands Stuhl, setzte sich mit ihrem Gewe-
be darauf nieder, und sagte freundlich: hier
will ich arbeiten. Der alte Mann that, wie
Aeltern mit verzognen Kindern zu thun pflegen.
Er stellte sich, als merke er von Undinens Unart
nichts, und wollte von etwas Anderm anfangen.
Aber das Mädchen ließ ihn nicht dazu. Sie
sagte: woher unser holder Gast kommt, habe
ich ihn gefragt, und er hat mir noch nicht ge-
antwortet. -- Aus dem Walde komme ich,
Du schönes Bildchen, entgegnete Huldbrand,
und sie sprach weiter: so mußt Du mir er-
zählen, wie Du da hineinkamst, denn die Men-
schen scheuen ihn sonst, und was für wunder-
liche Abentheuer Du darinnen erlebt hast, weil
es doch ohne dergleichen dorten nicht abgehn
soll. -- Huldbrand empfand einen kleinen
Schauer bei dieser Erinnerung, und blickte un-

ließ ihm zur Antwort keine Zeit. Sie ermahnte
das Maͤdchen, fein ſittig aufzuſtehn, und ſich
an ihre Arbeit zu begeben. Undine aber zog,
ohne zu antworten, eine kleine Fußbank neben
Huldbrands Stuhl, ſetzte ſich mit ihrem Gewe-
be darauf nieder, und ſagte freundlich: hier
will ich arbeiten. Der alte Mann that, wie
Aeltern mit verzognen Kindern zu thun pflegen.
Er ſtellte ſich, als merke er von Undinens Unart
nichts, und wollte von etwas Anderm anfangen.
Aber das Maͤdchen ließ ihn nicht dazu. Sie
ſagte: woher unſer holder Gaſt kommt, habe
ich ihn gefragt, und er hat mir noch nicht ge-
antwortet. — Aus dem Walde komme ich,
Du ſchoͤnes Bildchen, entgegnete Huldbrand,
und ſie ſprach weiter: ſo mußt Du mir er-
zaͤhlen, wie Du da hineinkamſt, denn die Men-
ſchen ſcheuen ihn ſonſt, und was fuͤr wunder-
liche Abentheuer Du darinnen erlebt haſt, weil
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ſoll. — Huldbrand empfand einen kleinen
Schauer bei dieſer Erinnerung, und blickte un-

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[13/0027] ließ ihm zur Antwort keine Zeit. Sie ermahnte das Maͤdchen, fein ſittig aufzuſtehn, und ſich an ihre Arbeit zu begeben. Undine aber zog, ohne zu antworten, eine kleine Fußbank neben Huldbrands Stuhl, ſetzte ſich mit ihrem Gewe- be darauf nieder, und ſagte freundlich: hier will ich arbeiten. Der alte Mann that, wie Aeltern mit verzognen Kindern zu thun pflegen. Er ſtellte ſich, als merke er von Undinens Unart nichts, und wollte von etwas Anderm anfangen. Aber das Maͤdchen ließ ihn nicht dazu. Sie ſagte: woher unſer holder Gaſt kommt, habe ich ihn gefragt, und er hat mir noch nicht ge- antwortet. — Aus dem Walde komme ich, Du ſchoͤnes Bildchen, entgegnete Huldbrand, und ſie ſprach weiter: ſo mußt Du mir er- zaͤhlen, wie Du da hineinkamſt, denn die Men- ſchen ſcheuen ihn ſonſt, und was fuͤr wunder- liche Abentheuer Du darinnen erlebt haſt, weil es doch ohne dergleichen dorten nicht abgehn ſoll. — Huldbrand empfand einen kleinen Schauer bei dieſer Erinnerung, und blickte un-

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Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/27>, abgerufen am 22.11.2024.