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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

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Gästen zu Muth, als fehle noch die Hauptper-
son bei dem Feste, und als müsse diese Haupt-
person die allgeliebte freundliche Undine sein.
So oft eine Thür aufging, starrten Aller Augen
unwillkürlich dahin, und wenn es dann weiter
nichts war, als der Hausmeister mit neuen Schüs-
seln, oder der Schenk mit einem Trunk noch
edlern Weines, blickte man wieder trüb vor sich
hin, und die Funken, die etwa hin und her
von Scherz und Freude aufgeblitzt waren, er-
loschen in dem Thau wehmüthigen Erinnerns.
Die Braut war von Allen die Leichtsinnigste,
und daher auch die Vergnügteste; aber selbst ihr
kam es bisweilen wunderlich vor, daß sie in
dem grünen Kranze und den goldgestickten Klei-
dern an der Oberstelle der Tafel sitze, während
Undine als Leichnam starr und kalt auf dem
Grunde der Donau liege, oder mit den Fluthen
forttreibe in's Weltmeer hinaus. Denn, seit ihr
Vater ähnliche Worte gesprochen hatte, klangen
sie ihr immer vor den Ohren, und wollten vor-
züglich Heute weder wanken noch weichen.


M

Gaͤſten zu Muth, als fehle noch die Hauptper-
ſon bei dem Feſte, und als muͤſſe dieſe Haupt-
perſon die allgeliebte freundliche Undine ſein.
So oft eine Thuͤr aufging, ſtarrten Aller Augen
unwillkuͤrlich dahin, und wenn es dann weiter
nichts war, als der Hausmeiſter mit neuen Schuͤſ-
ſeln, oder der Schenk mit einem Trunk noch
edlern Weines, blickte man wieder truͤb vor ſich
hin, und die Funken, die etwa hin und her
von Scherz und Freude aufgeblitzt waren, er-
loſchen in dem Thau wehmuͤthigen Erinnerns.
Die Braut war von Allen die Leichtſinnigſte,
und daher auch die Vergnuͤgteſte; aber ſelbſt ihr
kam es bisweilen wunderlich vor, daß ſie in
dem gruͤnen Kranze und den goldgeſtickten Klei-
dern an der Oberſtelle der Tafel ſitze, waͤhrend
Undine als Leichnam ſtarr und kalt auf dem
Grunde der Donau liege, oder mit den Fluthen
forttreibe in’s Weltmeer hinaus. Denn, ſeit ihr
Vater aͤhnliche Worte geſprochen hatte, klangen
ſie ihr immer vor den Ohren, und wollten vor-
zuͤglich Heute weder wanken noch weichen.


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[177/0191] Gaͤſten zu Muth, als fehle noch die Hauptper- ſon bei dem Feſte, und als muͤſſe dieſe Haupt- perſon die allgeliebte freundliche Undine ſein. So oft eine Thuͤr aufging, ſtarrten Aller Augen unwillkuͤrlich dahin, und wenn es dann weiter nichts war, als der Hausmeiſter mit neuen Schuͤſ- ſeln, oder der Schenk mit einem Trunk noch edlern Weines, blickte man wieder truͤb vor ſich hin, und die Funken, die etwa hin und her von Scherz und Freude aufgeblitzt waren, er- loſchen in dem Thau wehmuͤthigen Erinnerns. Die Braut war von Allen die Leichtſinnigſte, und daher auch die Vergnuͤgteſte; aber ſelbſt ihr kam es bisweilen wunderlich vor, daß ſie in dem gruͤnen Kranze und den goldgeſtickten Klei- dern an der Oberſtelle der Tafel ſitze, waͤhrend Undine als Leichnam ſtarr und kalt auf dem Grunde der Donau liege, oder mit den Fluthen forttreibe in’s Weltmeer hinaus. Denn, ſeit ihr Vater aͤhnliche Worte geſprochen hatte, klangen ſie ihr immer vor den Ohren, und wollten vor- zuͤglich Heute weder wanken noch weichen. M

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Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/191>, abgerufen am 04.12.2024.