die arme Undine an, noch immer die Hand ausgestreckt, mit welcher sie Bertalden ihr hüb- sches Geschenk so freundlich hatte hinreichen wollen. Dann fing sie immer herzlicher an, zu weinen, wie ein recht unverschuldet und recht bitterlich gekränktes liebes Kind. Endlich sagte sie ganz matt: ach, holder Freund, ach lebe wohl! Sie sollen Dir nichts thun; nur bleibe treu, daß ich sie Dir abwehren kann. Ach, aber fort muß ich, muß fort auf diese ganze junge Lebenszeit. O weh, o weh, was hast Du angerichtet! O weh, o weh!
Und über den Rand der Barke schwand sie hinaus. -- Stieg sie hinüber in die Fluth, verströmte sie darin, man wußt' es nicht; es war wie Beides und wie Keins. Bald aber war sie in die Donau ganz verronnen; nur flüsterten noch kleine Wellchen schluchzend um den Kahn, und fast vernehmlich war's, als sprächen sie: o weh, o weh! Ach bleibe treu! O weh! --
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die arme Undine an, noch immer die Hand ausgeſtreckt, mit welcher ſie Bertalden ihr huͤb- ſches Geſchenk ſo freundlich hatte hinreichen wollen. Dann fing ſie immer herzlicher an, zu weinen, wie ein recht unverſchuldet und recht bitterlich gekraͤnktes liebes Kind. Endlich ſagte ſie ganz matt: ach, holder Freund, ach lebe wohl! Sie ſollen Dir nichts thun; nur bleibe treu, daß ich ſie Dir abwehren kann. Ach, aber fort muß ich, muß fort auf dieſe ganze junge Lebenszeit. O weh, o weh, was haſt Du angerichtet! O weh, o weh!
Und uͤber den Rand der Barke ſchwand ſie hinaus. — Stieg ſie hinuͤber in die Fluth, verſtroͤmte ſie darin, man wußt’ es nicht; es war wie Beides und wie Keins. Bald aber war ſie in die Donau ganz verronnen; nur fluͤſterten noch kleine Wellchen ſchluchzend um den Kahn, und faſt vernehmlich war’s, als ſpraͤchen ſie: o weh, o weh! Ach bleibe treu! O weh! —
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die arme Undine an, noch immer die Hand
ausgeſtreckt, mit welcher ſie Bertalden ihr huͤb-
ſches Geſchenk ſo freundlich hatte hinreichen
wollen. Dann fing ſie immer herzlicher an,
zu weinen, wie ein recht unverſchuldet und recht
bitterlich gekraͤnktes liebes Kind. Endlich ſagte
ſie ganz matt: ach, holder Freund, ach lebe
wohl! Sie ſollen Dir nichts thun; nur bleibe
treu, daß ich ſie Dir abwehren kann. Ach,
aber fort muß ich, muß fort auf dieſe ganze
junge Lebenszeit. O weh, o weh, was haſt Du
angerichtet! O weh, o weh!
Und uͤber den Rand der Barke ſchwand
ſie hinaus. — Stieg ſie hinuͤber in die Fluth,
verſtroͤmte ſie darin, man wußt’ es nicht; es
war wie Beides und wie Keins. Bald aber
war ſie in die Donau ganz verronnen; nur
fluͤſterten noch kleine Wellchen ſchluchzend um
den Kahn, und faſt vernehmlich war’s, als
ſpraͤchen ſie: o weh, o weh! Ach bleibe treu!
O weh! —
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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/175>, abgerufen am 16.02.2025.
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