Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

Bild:
<< vorherige Seite

erschreckte, und Jeder fand zwar auf des An-
dern Gesicht das gleiche Entsetzen, Hand und
Auge aber nach einer andern Richtung hinzei-
gend, als wo ihm selbst das halb lachende, halb
dräuende, Scheusal vor Augen stand. Wie sie
sich nun aber einander darüber verständigen
wollten, und Alles rief: sieh dorthin, nein dort-
hin! -- da wurden Jedwedem die Gräuel-
bilder Aller sichtbar, und die ganze Fluth um
das Schiff her wimmelte von den entsetzlichsten
Gestalten. Von dem Geschrei, das sich darü-
ber erhob, erwachte Undine. Vor ihren aufge-
henden Augenlichtern verschwand der mißgeschaff-
nen Gesichter tolle Schaar. Aber Huldbrand
war empört über so viele häßliche Gaukeleien.
Er wäre in wilde Verwünschungen ausgebrochen,
nur daß Undine mit den demüthigsten Blicken,
und ganz leise bittend, sagte: um Gott, mein
Eheherr, wir sind auf den Fluthen; zürne jetzt
nicht auf mich. -- Der Ritter schwieg, setz-
te sich, und versank in ein tiefes Nachdenken.
Undine sagte ihm in's Ohr: wär' es nicht besser,

erſchreckte, und Jeder fand zwar auf des An-
dern Geſicht das gleiche Entſetzen, Hand und
Auge aber nach einer andern Richtung hinzei-
gend, als wo ihm ſelbſt das halb lachende, halb
draͤuende, Scheuſal vor Augen ſtand. Wie ſie
ſich nun aber einander daruͤber verſtaͤndigen
wollten, und Alles rief: ſieh dorthin, nein dort-
hin! — da wurden Jedwedem die Graͤuel-
bilder Aller ſichtbar, und die ganze Fluth um
das Schiff her wimmelte von den entſetzlichſten
Geſtalten. Von dem Geſchrei, das ſich daruͤ-
ber erhob, erwachte Undine. Vor ihren aufge-
henden Augenlichtern verſchwand der mißgeſchaff-
nen Geſichter tolle Schaar. Aber Huldbrand
war empoͤrt uͤber ſo viele haͤßliche Gaukeleien.
Er waͤre in wilde Verwuͤnſchungen ausgebrochen,
nur daß Undine mit den demuͤthigſten Blicken,
und ganz leiſe bittend, ſagte: um Gott, mein
Eheherr, wir ſind auf den Fluthen; zuͤrne jetzt
nicht auf mich. — Der Ritter ſchwieg, ſetz-
te ſich, und verſank in ein tiefes Nachdenken.
Undine ſagte ihm in’s Ohr: waͤr’ es nicht beſſer,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0171" n="157"/>
er&#x017F;chreckte, und Jeder fand zwar auf des An-<lb/>
dern Ge&#x017F;icht das gleiche Ent&#x017F;etzen, Hand und<lb/>
Auge aber nach einer andern Richtung hinzei-<lb/>
gend, als wo ihm &#x017F;elb&#x017F;t das halb lachende, halb<lb/>
dra&#x0364;uende, Scheu&#x017F;al vor Augen &#x017F;tand. Wie &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich nun aber einander daru&#x0364;ber ver&#x017F;ta&#x0364;ndigen<lb/>
wollten, und Alles rief: &#x017F;ieh dorthin, nein dort-<lb/>
hin! &#x2014; da wurden Jedwedem die Gra&#x0364;uel-<lb/>
bilder Aller &#x017F;ichtbar, und die ganze Fluth um<lb/>
das Schiff her wimmelte von den ent&#x017F;etzlich&#x017F;ten<lb/>
Ge&#x017F;talten. Von dem Ge&#x017F;chrei, das &#x017F;ich daru&#x0364;-<lb/>
ber erhob, erwachte Undine. Vor ihren aufge-<lb/>
henden Augenlichtern ver&#x017F;chwand der mißge&#x017F;chaff-<lb/>
nen Ge&#x017F;ichter tolle Schaar. Aber Huldbrand<lb/>
war empo&#x0364;rt u&#x0364;ber &#x017F;o viele ha&#x0364;ßliche Gaukeleien.<lb/>
Er wa&#x0364;re in wilde Verwu&#x0364;n&#x017F;chungen ausgebrochen,<lb/>
nur daß Undine mit den demu&#x0364;thig&#x017F;ten Blicken,<lb/>
und ganz lei&#x017F;e bittend, &#x017F;agte: um Gott, mein<lb/>
Eheherr, wir &#x017F;ind auf den Fluthen; zu&#x0364;rne jetzt<lb/>
nicht auf mich. &#x2014; Der Ritter &#x017F;chwieg, &#x017F;etz-<lb/>
te &#x017F;ich, und ver&#x017F;ank in ein tiefes Nachdenken.<lb/>
Undine &#x017F;agte ihm in&#x2019;s Ohr: wa&#x0364;r&#x2019; es nicht be&#x017F;&#x017F;er,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0171] erſchreckte, und Jeder fand zwar auf des An- dern Geſicht das gleiche Entſetzen, Hand und Auge aber nach einer andern Richtung hinzei- gend, als wo ihm ſelbſt das halb lachende, halb draͤuende, Scheuſal vor Augen ſtand. Wie ſie ſich nun aber einander daruͤber verſtaͤndigen wollten, und Alles rief: ſieh dorthin, nein dort- hin! — da wurden Jedwedem die Graͤuel- bilder Aller ſichtbar, und die ganze Fluth um das Schiff her wimmelte von den entſetzlichſten Geſtalten. Von dem Geſchrei, das ſich daruͤ- ber erhob, erwachte Undine. Vor ihren aufge- henden Augenlichtern verſchwand der mißgeſchaff- nen Geſichter tolle Schaar. Aber Huldbrand war empoͤrt uͤber ſo viele haͤßliche Gaukeleien. Er waͤre in wilde Verwuͤnſchungen ausgebrochen, nur daß Undine mit den demuͤthigſten Blicken, und ganz leiſe bittend, ſagte: um Gott, mein Eheherr, wir ſind auf den Fluthen; zuͤrne jetzt nicht auf mich. — Der Ritter ſchwieg, ſetz- te ſich, und verſank in ein tiefes Nachdenken. Undine ſagte ihm in’s Ohr: waͤr’ es nicht beſſer,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/171
Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/171>, abgerufen am 23.11.2024.