Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812.die verbirgt, was die Welt nicht sehen soll. Die Haltung, sagte Marie, ist die Deine, darin eben, liebe Antonie, und in den hohen Brauen und den etwas gehobenen Schwanenhals bist Du ihr so sprechend ähnlich, mir hat sie wohl nur das blonde Haar gelassen, und die armen Augen, die so leicht über Geringes weinen müssen! Sei nicht böse darüber, unterbrach sie Antonie, es liegt ein ganzer Himmel in diesen Augen! Und, die Schwester wieder an sich ziehend, gingen beide in ungewohnter Vertraulichkeit den Saal auf und nieder. Während dem öffneten sie eine Glasthüre, welche nach dem Balkon hinausführte, sie traten in dieselbe, den Blick an der nächtigen Stille der Landschaft zu stärken. Das Gebäude selbst verbarg ihnen zwar den Mond, allein dessen lichter, schneeiger Glanz spielte dennoch um Büsche und Wiesen, und leuchtete zurück aus dem versilberten Flußbett. Unaussprechlich gewaltig, und doch mild wie die gehaltene Kraft, rauschte der Strom in gleichmäßigem Wellenschlag durch die tiefe Ruhe der Natur. Riesenhaft, in großen Massen, traten die Gegenstände hervor, undeutlich in ihren Umrissen und doch so ahndungsreich! die Schwestern blieben lange Zeit stumm, sie fürchteten, den leisen Schlaf des rasch bewegten Lebens zu unterbrechen. Ganz still die verbirgt, was die Welt nicht sehen soll. Die Haltung, sagte Marie, ist die Deine, darin eben, liebe Antonie, und in den hohen Brauen und den etwas gehobenen Schwanenhals bist Du ihr so sprechend ähnlich, mir hat sie wohl nur das blonde Haar gelassen, und die armen Augen, die so leicht über Geringes weinen müssen! Sei nicht böse darüber, unterbrach sie Antonie, es liegt ein ganzer Himmel in diesen Augen! Und, die Schwester wieder an sich ziehend, gingen beide in ungewohnter Vertraulichkeit den Saal auf und nieder. Während dem öffneten sie eine Glasthüre, welche nach dem Balkon hinausführte, sie traten in dieselbe, den Blick an der nächtigen Stille der Landschaft zu stärken. Das Gebäude selbst verbarg ihnen zwar den Mond, allein dessen lichter, schneeiger Glanz spielte dennoch um Büsche und Wiesen, und leuchtete zurück aus dem versilberten Flußbett. Unaussprechlich gewaltig, und doch mild wie die gehaltene Kraft, rauschte der Strom in gleichmäßigem Wellenschlag durch die tiefe Ruhe der Natur. Riesenhaft, in großen Massen, traten die Gegenstände hervor, undeutlich in ihren Umrissen und doch so ahndungsreich! die Schwestern blieben lange Zeit stumm, sie fürchteten, den leisen Schlaf des rasch bewegten Lebens zu unterbrechen. Ganz still <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0069" n="62"/> die verbirgt, was die Welt nicht sehen soll. Die Haltung, sagte Marie, ist die Deine, darin eben, liebe Antonie, und in den hohen Brauen und den etwas gehobenen Schwanenhals bist Du ihr so sprechend ähnlich, mir hat sie wohl nur das blonde Haar gelassen, und die armen Augen, die so leicht über Geringes weinen müssen! Sei nicht böse darüber, unterbrach sie Antonie, es liegt ein ganzer Himmel in diesen Augen! Und, die Schwester wieder an sich ziehend, gingen beide in ungewohnter Vertraulichkeit den Saal auf und nieder. Während dem öffneten sie eine Glasthüre, welche nach dem Balkon hinausführte, sie traten in dieselbe, den Blick an der nächtigen Stille der Landschaft zu stärken. Das Gebäude selbst verbarg ihnen zwar den Mond, allein dessen lichter, schneeiger Glanz spielte dennoch um Büsche und Wiesen, und leuchtete zurück aus dem versilberten Flußbett. Unaussprechlich gewaltig, und doch mild wie die gehaltene Kraft, rauschte der Strom in gleichmäßigem Wellenschlag durch die tiefe Ruhe der Natur. Riesenhaft, in großen Massen, traten die Gegenstände hervor, undeutlich in ihren Umrissen und doch so ahndungsreich! die Schwestern blieben lange Zeit stumm, sie fürchteten, den leisen Schlaf des rasch bewegten Lebens zu unterbrechen. Ganz still </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [62/0069]
die verbirgt, was die Welt nicht sehen soll. Die Haltung, sagte Marie, ist die Deine, darin eben, liebe Antonie, und in den hohen Brauen und den etwas gehobenen Schwanenhals bist Du ihr so sprechend ähnlich, mir hat sie wohl nur das blonde Haar gelassen, und die armen Augen, die so leicht über Geringes weinen müssen! Sei nicht böse darüber, unterbrach sie Antonie, es liegt ein ganzer Himmel in diesen Augen! Und, die Schwester wieder an sich ziehend, gingen beide in ungewohnter Vertraulichkeit den Saal auf und nieder. Während dem öffneten sie eine Glasthüre, welche nach dem Balkon hinausführte, sie traten in dieselbe, den Blick an der nächtigen Stille der Landschaft zu stärken. Das Gebäude selbst verbarg ihnen zwar den Mond, allein dessen lichter, schneeiger Glanz spielte dennoch um Büsche und Wiesen, und leuchtete zurück aus dem versilberten Flußbett. Unaussprechlich gewaltig, und doch mild wie die gehaltene Kraft, rauschte der Strom in gleichmäßigem Wellenschlag durch die tiefe Ruhe der Natur. Riesenhaft, in großen Massen, traten die Gegenstände hervor, undeutlich in ihren Umrissen und doch so ahndungsreich! die Schwestern blieben lange Zeit stumm, sie fürchteten, den leisen Schlaf des rasch bewegten Lebens zu unterbrechen. Ganz still
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_magie_1812/69>, abgerufen am 16.02.2025. |