Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812.Schüchtern schlossen sie sich aneinander, sie, die beiden einzigen, lebenden Wesen unter so vielen verehrten Todten! Mit unaussprechlichem Entzücken entdeckte Antonie zuerst das Bild ihrer Mutter. Sie war mit aller Pracht höfischer Sitte, sehr reich, etwas steif, aber doch höchst edel, abgebildet. Beiden war, als sähen sie sich selbst, und auch jede die Andere, im Spiegel. Antonie hielt das Licht in größter Ueberraschung gegen die wunderbar verschmolzenen Züge, beide betrachteten es lange, dann sahen sie einander an, wie sich der Blick wohl vom Conterfei vergleichend auf das Original zurück wendet, und in überwältigender Rührung sanken sie sich in die Arme, und weinten das erstemal Herz an Herzen. Antonie besonders war ganz Liebe und Milde, sie streichelte Mariens Wangen, und drückte das zarte dankbar an sie angeschmiegte Wesen liebkosend an die Brust. Wie rührst Du mich, da Du weinst, sagte sie, nun siehst Du erst der Mutter ganz ähnlich, die den reizend jungen Leib so vorahndend mit aller Pracht der Welt verziert, als werde sie nun bald vom Schmuck des Lebens scheiden! Das sagt der feuchte Blick, der sich recht wie eine Decke über das glühende Herz hinzieht! Denn da glüht es, das fühl' ich, in den lieben bewegten Mienen, in der ernsten, strengen Haltung, Schüchtern schlossen sie sich aneinander, sie, die beiden einzigen, lebenden Wesen unter so vielen verehrten Todten! Mit unaussprechlichem Entzücken entdeckte Antonie zuerst das Bild ihrer Mutter. Sie war mit aller Pracht höfischer Sitte, sehr reich, etwas steif, aber doch höchst edel, abgebildet. Beiden war, als sähen sie sich selbst, und auch jede die Andere, im Spiegel. Antonie hielt das Licht in größter Ueberraschung gegen die wunderbar verschmolzenen Züge, beide betrachteten es lange, dann sahen sie einander an, wie sich der Blick wohl vom Conterfei vergleichend auf das Original zurück wendet, und in überwältigender Rührung sanken sie sich in die Arme, und weinten das erstemal Herz an Herzen. Antonie besonders war ganz Liebe und Milde, sie streichelte Mariens Wangen, und drückte das zarte dankbar an sie angeschmiegte Wesen liebkosend an die Brust. Wie rührst Du mich, da Du weinst, sagte sie, nun siehst Du erst der Mutter ganz ähnlich, die den reizend jungen Leib so vorahndend mit aller Pracht der Welt verziert, als werde sie nun bald vom Schmuck des Lebens scheiden! Das sagt der feuchte Blick, der sich recht wie eine Decke über das glühende Herz hinzieht! Denn da glüht es, das fühl' ich, in den lieben bewegten Mienen, in der ernsten, strengen Haltung, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0068" n="61"/> Schüchtern schlossen sie sich aneinander, sie, die beiden einzigen, lebenden Wesen unter so vielen verehrten Todten! Mit unaussprechlichem Entzücken entdeckte Antonie zuerst das Bild ihrer Mutter. Sie war mit aller Pracht höfischer Sitte, sehr reich, etwas steif, aber doch höchst edel, abgebildet. Beiden war, als sähen sie sich selbst, und auch jede die Andere, im Spiegel. Antonie hielt das Licht in größter Ueberraschung gegen die wunderbar verschmolzenen Züge, beide betrachteten es lange, dann sahen sie einander an, wie sich der Blick wohl vom Conterfei vergleichend auf das Original zurück wendet, und in überwältigender Rührung sanken sie sich in die Arme, und weinten das erstemal Herz an Herzen. Antonie besonders war ganz Liebe und Milde, sie streichelte Mariens Wangen, und drückte das zarte dankbar an sie angeschmiegte Wesen liebkosend an die Brust. Wie rührst Du mich, da Du weinst, sagte sie, nun siehst Du erst der Mutter ganz ähnlich, die den reizend jungen Leib so vorahndend mit aller Pracht der Welt verziert, als werde sie nun bald vom Schmuck des Lebens scheiden! Das sagt der feuchte Blick, der sich recht wie eine Decke über das glühende Herz hinzieht! Denn da glüht es, das fühl' ich, in den lieben bewegten Mienen, in der ernsten, strengen Haltung, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [61/0068]
Schüchtern schlossen sie sich aneinander, sie, die beiden einzigen, lebenden Wesen unter so vielen verehrten Todten! Mit unaussprechlichem Entzücken entdeckte Antonie zuerst das Bild ihrer Mutter. Sie war mit aller Pracht höfischer Sitte, sehr reich, etwas steif, aber doch höchst edel, abgebildet. Beiden war, als sähen sie sich selbst, und auch jede die Andere, im Spiegel. Antonie hielt das Licht in größter Ueberraschung gegen die wunderbar verschmolzenen Züge, beide betrachteten es lange, dann sahen sie einander an, wie sich der Blick wohl vom Conterfei vergleichend auf das Original zurück wendet, und in überwältigender Rührung sanken sie sich in die Arme, und weinten das erstemal Herz an Herzen. Antonie besonders war ganz Liebe und Milde, sie streichelte Mariens Wangen, und drückte das zarte dankbar an sie angeschmiegte Wesen liebkosend an die Brust. Wie rührst Du mich, da Du weinst, sagte sie, nun siehst Du erst der Mutter ganz ähnlich, die den reizend jungen Leib so vorahndend mit aller Pracht der Welt verziert, als werde sie nun bald vom Schmuck des Lebens scheiden! Das sagt der feuchte Blick, der sich recht wie eine Decke über das glühende Herz hinzieht! Denn da glüht es, das fühl' ich, in den lieben bewegten Mienen, in der ernsten, strengen Haltung,
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Zitationshilfe: | Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_magie_1812/68>, abgerufen am 28.07.2024. |