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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826.

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werden. -- Der große Augenblick tritt ein.
Wie das Bad einer zweiten Taufe, umfließt
ein reineres Element die schüchterne Genossin
des heiligen Mahles. Sie löst sich fast auf
in unaussprechlicher Wehmuth. Die Welt,
mit allen ihren Lockungen ist ihr nichts mehr,
sie hat, sie empfindet nur das Eine, was
mit seeligem Schauer ihr Jnnres durchrieselt.

Eine Weile beben die stark angeschla-
genen Seiten noch unter leiser und leiser
werdenden Anklängen nach. Endlich schwirrt
das letzte, dumpfe Säuseln an den aufge-
regten Sinnen vorüber, so wie die Anstalten
zu der Aufnahme in der großen Welt, lau-
ter, unruhiger, drängender werden.

Glücklich genug, wenn die Kluft, zwi-
schen beiden Wendepunkten der Bildungszeit,
nicht sogleich mit einem dreisten Sprunge
überholt, und der Erinnerung die Zeit ge-
gönnt wird, einzelne, unverwischliche Spu-
ren für die Folge zurückzulassen! Es ge-
winnt denn doch wenigstens, durch eine kurze
Periode der Sammlung, das Ansehen, als
sei das Wesentliche nicht zu einem bloßen

werden. — Der große Augenblick tritt ein.
Wie das Bad einer zweiten Taufe, umfließt
ein reineres Element die ſchuͤchterne Genoſſin
des heiligen Mahles. Sie loͤſt ſich faſt auf
in unausſprechlicher Wehmuth. Die Welt,
mit allen ihren Lockungen iſt ihr nichts mehr,
ſie hat, ſie empfindet nur das Eine, was
mit ſeeligem Schauer ihr Jnnres durchrieſelt.

Eine Weile beben die ſtark angeſchla-
genen Seiten noch unter leiſer und leiſer
werdenden Anklaͤngen nach. Endlich ſchwirrt
das letzte, dumpfe Saͤuſeln an den aufge-
regten Sinnen voruͤber, ſo wie die Anſtalten
zu der Aufnahme in der großen Welt, lau-
ter, unruhiger, draͤngender werden.

Gluͤcklich genug, wenn die Kluft, zwi-
ſchen beiden Wendepunkten der Bildungszeit,
nicht ſogleich mit einem dreiſten Sprunge
uͤberholt, und der Erinnerung die Zeit ge-
goͤnnt wird, einzelne, unverwiſchliche Spu-
ren fuͤr die Folge zuruͤckzulaſſen! Es ge-
winnt denn doch wenigſtens, durch eine kurze
Periode der Sammlung, das Anſehen, als
ſei das Weſentliche nicht zu einem bloßen

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[90/0094] werden. — Der große Augenblick tritt ein. Wie das Bad einer zweiten Taufe, umfließt ein reineres Element die ſchuͤchterne Genoſſin des heiligen Mahles. Sie loͤſt ſich faſt auf in unausſprechlicher Wehmuth. Die Welt, mit allen ihren Lockungen iſt ihr nichts mehr, ſie hat, ſie empfindet nur das Eine, was mit ſeeligem Schauer ihr Jnnres durchrieſelt. Eine Weile beben die ſtark angeſchla- genen Seiten noch unter leiſer und leiſer werdenden Anklaͤngen nach. Endlich ſchwirrt das letzte, dumpfe Saͤuſeln an den aufge- regten Sinnen voruͤber, ſo wie die Anſtalten zu der Aufnahme in der großen Welt, lau- ter, unruhiger, draͤngender werden. Gluͤcklich genug, wenn die Kluft, zwi- ſchen beiden Wendepunkten der Bildungszeit, nicht ſogleich mit einem dreiſten Sprunge uͤberholt, und der Erinnerung die Zeit ge- goͤnnt wird, einzelne, unverwiſchliche Spu- ren fuͤr die Folge zuruͤckzulaſſen! Es ge- winnt denn doch wenigſtens, durch eine kurze Periode der Sammlung, das Anſehen, als ſei das Weſentliche nicht zu einem bloßen

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/94>, abgerufen am 07.05.2024.